Gesetze im Weltraum: Wem gehört der Mars?

Auf einen fremden Planeten reisen, um dort eine neue Siedlung zu gründen oder mit Mineralien und Erden von Himmelskörpern reich werden: Solche Vorstellungen wecken in vielen Menschen Goldgräberstimmung. Doch auch im Weltall gibt es Gesetze.

Von Simone Kapp
Veröffentlicht am 6. Dez. 2021, 13:14 MEZ
Milchstraße

Unendliche Weiten – doch auch im Weltraum gelten Regeln.

Foto von Maximilian Beron

Zwar unterliegt der Weltraum keiner nationalen Gerichtsbarkeit, dennoch ist er kein rechtsfreier Raum. Seit den ersten Vorstößen der Menschheit ins Weltall war klar: Um den Frieden auf der Erde und auch außerhalb zu wahren, bedarf es verbindlicher Regelungen, die für alle Akteure gelten. Noch heute sind der Weltraumvertrag von 1967 und seine Ergänzungen aktuelles Weltraumrecht.

Die Geschichte des Weltraumrechts

Die Ursprünge des Weltraumrechts reichen weiter zurück als die Raumfahrt selbst: Bereits 1932 veröffentlichte der tschechoslowakische Jurist Vladimír Mandl eine Schrift mit dem Titel „Das Weltraum-Recht. Ein Problem der Raumfahrt“, in dem er erste Theorien zu Fragen des Weltraumrechts in Abgrenzung zum Luftfahrtrecht entwickelte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Erforschung des Alls Fahrt auf und vor dem Hintergrund des Kalten Krieges wurde eine international verbindliche Regelung zunehmend notwendig. Seit 1959 erarbeitet der Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums („Committee on the Peaceful Uses of Outer Space“, kurz: COPUOS) als ständige Einrichtung Antworten auf Fragen zur friedlichen Nutzung des Weltraums.

Aus diesen Erörterungen ging auch der 1967 verabschiedete „Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper“ – kurz: Weltraumvertrag – hervor. Der Grundlagenvertrag des Weltraumrechts legt Regeln zur Erforschung und Nutzung des Weltraums fest. Beispielsweise dürfen keine Atom- oder Massenvernichtungswaffen in der Erdumlaufbahn platziert oder auf anderen Himmelskörpern getestet werden. Auch eine nationale Beanspruchung einzelner Himmelskörper und Ressourcen schließt der Vertrag aus. Als von 102 Staaten ratifiziertes Grundlagenwerk gilt der Weltraumvertrag als erfolgreichster Vertrag im internationalen Weltraumrecht.

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    Im Kalten Krieg wurden internationale Regeln für die Raumfahrt notwendig.

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    Während in der Vergangenheit die Raumfahrt eine staatliche Angelegenheit war, dominieren heute zunehmend private Akteure, die mehr und freier investieren können und nicht auf Budgets angewiesen sind. „Private Raumfahrtakteure haben die finanziellen Mittel, Raumfahrtobjekte zu testen und wenn es nicht hinhaut, probieren sie es einfach nochmal“, erklärt Giuliana Rotola. Die Juristin und Weltraumexpertin gehört der Global Expert Group on Sustainable Lunar Activities (GEGSLA) an. „Anders als staatliche Raumfahrtbehörden können sie leichter investieren und sind nicht an Budgets gebunden.“

    Haftung im Weltraum

    Allerdings sind auch private Akteure nicht unabhängig vom Weltraumvertrag: Wer ein Objekt ins All schicken will, muss dieses zunächst bei einer Raumfahrtnation registrieren und sämtliche Missionen von den beteiligten Staaten freigeben lassen. Neben der Einhaltung des Weltraumvertrags wird so auch die Haftbarkeit festgelegt.

    Für Schäden an oder durch Raumfahrtobjekte haften die „launching states“, also alle Länder, die daran beteiligt waren, ein Objekt ins All zu schicken: der Staat, der das Objekt hergestellt hat und der Staat, bei dem es registriert ist, ebenso wie das Land, von dem aus der Start erfolgte sowie das Land, das die Trägerrakete bereitgestellt hat. Diese „launching states“ sind auch haftbar, wenn das Raumfahrtobjekt sich in Privatbesitz befindet.

    Einen Unterschied macht es allerdings, ob die Schäden im Weltraum oder auf der Erde entstehen: Bei Schäden im Weltraum geht das Weltraumrecht davon aus, dass beide Parteien sich des Risikos bewusst waren. Es gilt die Verschuldenshaftung: Der Geschädigte muss ein besonderes Verschulden des Schädigers nachweisen, um Ansprüche geltend machen zu können.

    Wird ein Schaden hingegen durch ein Raumfahrtobjekt auf der Erde, zum Beispiel durch herabstürzende Teile, verursacht, so haften wiederum die „launching states“. Sie teilen sich die Verantwortlichkeiten und gegebenenfalls Reparationsleistungen untereinander zu.

    Bei Schäden, die im Weltraum entstehen, gilt die Verschuldenshaftung.

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    Staaten sind nach Artikel VI des Weltraumvertrags auch verpflichtet, bei nationalen Weltraumaktivitäten, egal ob durch staatliche oder private Akteure, die Einhaltung des Weltraumvertrags zu gewährleisten. Sie sind auch für die Schäden haftbar, die durch Objekte in Privatbesitz verursacht werden, können die Haftungssumme allerdings im Nachgang vom Eigentümer zurückfordern.

    Grundbesitz auf dem Mond

    Der Weltraumvertrag regelt in Artikel II auch die Nutzung des Mondes und anderer Himmelskörper. Diese Regelung wurde im Jahr 1979 im „Übereinkommen zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten auf dem Mond und anderen Himmelskörpern“ – kurz: Mondvertrag – präzisiert.

    Danach ist die militärische Nutzung des Mondes oder anderer Himmelkörper ebenso untersagt wie private Besitz- oder staatliche Souveränitätsansprüche. Wer also jemals ein Grundstück auf dem Mond geschenkt bekommen hat, muss sich auf eine Enttäuschung gefasst machen.

    Im Gegensatz zu anderen Ergänzungen gilt der Mondvertrag allerdings als Misserfolg: Lediglich vier Staaten haben den Vertrag unterzeichnet, von 17 Staaten wurde er ratifiziert – von denen jedoch zum Zeitpunkt der Ratifizierung Belgien als einzige ratifizierende Nation überhaupt Raumfahrer stellte.

    Die geringe Akzeptanz des Mondvertrags ist auf wirtschaftspolitische Gründe zurückzuführen: Viele Staaten sahen einen möglichen künftigen Zugang zu Ressourcen und die Möglichkeit, daraus Profit zu machen, eingeschränkt. Himmelskörper enthalten viele Rohstoffe und auch wenn einzelne Staaten bereits Besitzansprüche angemeldet haben, verstoßen diese damit gegen geltendes Weltraumrecht. Danach können einzelne Staaten diese Ressourcen zwar nicht für sich beanspruchen, aber dennoch zu friedlichen Zwecken und im Interesse der Menschheit nutzen.

    Wir sitzen alle im selben Raumschiff

    Alleingänge sind im Kontext der Raumfahrt derzeit schlicht nicht möglich: Alle Missionen müssen von staatlicher Stelle autorisiert werden. Diese Staaten haften auch für die Auswirkungen der Handlungen privater Akteure im All und sind verantwortlich für die Wahrung des Weltraumvertrags. Eine private Besiedelung oder Nutzung eines fremden Himmelskörpers wäre ein Verstoß gegen Artikel II des Weltraumvertrags, für den der jeweilige Staat zur Verantwortung gezogen würde.

    Auch Privatpersonen mit Weltraumambitionen werden sich nach Einschätzung der Expertin weiterhin an die Regeln halten. „Wer sich nicht an den Weltraumvertrag hält, wird es als ‚bad actor‘ schwerer haben, die Genehmigung und Unterstützung für künftige Missionen zu bekommen. Keiner möchte als problematischer Akteur auffallen und seine Mission gefährden.“

    Auch bei der Besiedelung fremder Planeten kann sich kein Akteur Alleingänge leisten.

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    Die Zukunft des Weltraumrechts

    Der Weltraumvertrag wird ständig durch Richtlinien und Prinzipien ergänzt und aktuell gehalten. Derzeit beschäftigen sich Arbeitsgruppen aus Mitarbeitern von Raumfahrt-Behörden und Forschungseinrichtungen sowie Mitarbeiter von NGOs mit der Ausarbeitung von Richtlinien zur Nachhaltigkeit in der Raumfahrt. „Der ganze Prozess dauert ziemlich lange, weil die formulierten Prinzipien alle Fälle abdecken sollen und weil so viele Akteure an der Ausarbeitung beteiligt sind“, sagt Rotola.

    Alle neuen Regeln müssen von COPUOS verabschiedet werden, wobei die Zustimmung aller beteiligten Nationen erforderlich ist. Neue Richtlinien werden daher Wort für Wort geprüft. Die Schwierigkeit liegt dabei vor allem in der großen Zahl der unterschiedlichen Nationen und ihrer Interessen.

    Während vor 30 Jahren nur eine kleine Anzahl an Raumfahrtnationen an der Ausarbeitung neuer Richtlinien beteiligt waren, ist die Zahl in den vergangenen Jahren stark gestiegen. „Von der Gründung der Arbeitsgruppe bis zur Verabschiedung einer Richtlinie können leicht zehn Jahre vergehen“, so Rotola.

    Die Antwort auf die Frage, wem der Mond, der Mars oder andere Himmelskörper gehören, lautet also: niemandem – oder aber uns allen. Siedlungen auf anderen Himmelskörpern werden außerdem für lange Zeit von einer Versorgung durch die Erde abhängig sein. „Nach derzeitigem Stand ist eine erfolgreiche Besiedelung des Mars oder anderer Himmelskörper innerhalb der nächsten 200 Jahre unwahrscheinlich“, so Giuliana Rotola.

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