Baby Yingliang: Seltenes Fossil belegt die Verwandtschaft von Dinosaurier und Vogel

Eines der vollständigsten Fossilien eines ungeschlüpften Dinosaurierbabys wurde nun erforscht. Die resultierende Studie unterstreicht, wie stark sich Dinosaurier und moderne Vögel ähneln.

Von Maya Wei-Haas
Veröffentlicht am 23. Dez. 2021, 13:08 MEZ
Illustration Dinosaurier-Embryo im Ei

Das Fossil, das den Namen Baby Yingliang trägt, ist einer der besterhaltenen Dinosaurierembryos der Welt. Diese Illustration des Baby-Dinos ging um die Welt. 

Foto von Lida Xing

Der Kopf des eng eingerollten Babydinosauriers liegt zwischen seinen Zehen. Er sieht aus, als wäre er kurz davor, aus seiner Schale zu schlüpfen – doch ein unbekanntes Ereignis vor Millionen Jahren sorgte dafür, dass er noch vor seinem ersten Atemzug mit seinem Ei begraben wurde.

Schon im Jahr 2000 fanden Arbeiter des Bergbauunternehmens Yingliang Group in der Provinz Jiangxi im Süden Chinas das Ei, doch erst 15 Jahre später begannen Wissenschaftler damit, den darin enthaltenen Embryo zu erforschen. Laut der zugehörigen Studie, die in der Zeitschrift iScience erschienen ist, fanden sie in dem Ei eines der vollständigsten Dinosaurierbabyfossilien, das jemals gefunden wurde.

„Es war in einem nahezu perfekten Zustand – ich traute meinen Augen kaum“, sagt Darla Zelenitsky, Autorin der Studie und Paläontologin an der University of Calgary in Kanada, deren Fachgebiet Dinosauriereier sind.

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Das Dinosaurierkind, das den Spitznamen Baby Yingliang erhalten hat, wurde in Gestein entdeckt, das ungefähr 70 Millionen Jahre alt ist. Baby Yingliang zählt zu den Ovirapt Oviraptorosauria, einer Gruppe von Theropoden mit Schnäbeln, die vor etwa 130 bis 60 Millionen Jahren gelebt haben. Es sind bereits viele Merkmale bekannt, die moderne Vögel mit diesen Tieren gemeinsam haben. Nun kommt ein Weiteres hinzu: die eingerollte Haltung des Embryos im Ei.

„Ein solcher Einblick in die frühen Stadien eines Tieres zu erhalten, das vor mehr als 70 Millionen Jahren gelebt hat, ist einfach einzigartig“, sagt Lindsay Zanno, leitende Paläontologin am North Carolina Museum of Natural Sciences in Raleigh und Forscherin an der NC State University. „Die Hinweise darauf, dass es sich bei modernen Vögeln um heute lebende Theropoden handelt, werden immer mehr.“

BELIEBT

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    Dieser Dinosaurier-Embryo ist einer der besterhaltenen der Welt. Die zusammengerollte Position von „Baby Yingliang" im Ei ähnelt der moderner Küken vor dem Schlupf. Das deutet darauf hin, dass sich dieses einzigartige Vogelverhalten bereits vor vielen Millionen Jahren entwickelt hat.

    Foto von Lida Xing et al

    Die Entwicklung von Küken im Ei

    Weil das Unternehmen Yingliang im Jahr 2015 plante, ein eigenes Naturkundemuseum zu eröffnen, sichteten Mitarbeiter die Fossilfunde und stießen dabei auf das Ei. Es ist pillenförmig und etwas länglicher als ein Straußenei. Durch eine Fraktur in der Schale war ein Stück Knochen sichtbar.

    „Erst da kam man auf die Idee, dass sich in dem Ei ein Embryo befinden könnte“, sagt Studienautorin Waisum Ma, Doktorandin an der University of Birmingham in England.

    Ein Techniker entfernte vorsichtig eine Seite des Fossils und befreite das Ei von Sedimenten, die durch den Riss eingedrungen waren. Darunter fand er einen ungeschlüpften Dinosaurier. Als Yingliang die Tragweite dieser Entdeckung bewusst wurde, nahm das Unternehmen Kontakt zu Lida Xing von der China University of Geosciences in Beijing auf. Der leitende Autor der Studie stellte umgehend ein wissenschaftliches Team zusammen, dass den Babydinosaurier untersuchen sollte.

    Eines der vielen vogelähnlichen Merkmale von Baby Yingliang ist die Lage seines Rückens an einem Ende des Eis, an dem eine Lücke auf das mögliche ehemalige Vorhandensein eines Luftsacks hinweist.

    Foto von Julius Csotonyi

    Dinosauriereier werden relativ häufig gefunden, doch dass in ihnen noch Embryos enthalten sind, kommt eher selten vor. So gut erhaltene ungeschlüpfte Dinosaurier wie Baby Yingliang sind wie ein Sechser im Lotto. „Meist findet man in so einem Ei nur ein Häufchen Knochen“, sagt Matthew Lamanna, Paläontologe am Carnagie Museum of Natural History in Pittsburgh, der nicht Teil des Studienteams war.

    Das Yingliang-Ei ist laut Waisum Ma erst das dritte eines Oviraptors, in dem ein Embryo gefunden wurde. Als sie die ersten Bilder des Fossils sah, dachte sie: „Das ist der beste Dinosaurierembryo, den ich jemals gesehen habe.“ Sie berichtet, dass das Skelett bis auf wenige Teile komplett sei. Nur ein Vordergliedmaß und ein Teil des Schwanzes würden fehlen.

    Fossile Eier werden normalerweise mithilfe von CT-Scans untersucht, mit denen detaillierte Aufnahmen der Knochen im Inneren erstellt werden können. Im Fall des Yingliang-Eies stellte sich diese Herangehensweise jedoch als ungeeignet heraus, weil Knochen und Sedimente auf den Scans kaum voneinander zu unterscheiden waren. Es war den Wissenschaftlern jedoch möglich, vorsichtig die freigelegte Oberfläche des Fossils zu untersuchen und diese mit den anderen beiden Oviraptorembryos vergleichen, die zuvor entdeckt worden waren.

    Der Kopf von Baby Yingliang ruht auf seinem Bauch, die Knie sind etwa auf Höhe der vorderen Gliedmaßen angewinkelt. Der gebeugte Rücken liegt auf der einen Seite des Eis, an der eine Lücke auf das ehemalige Vorhandensein eines Luftsacks hindeutet. Der Babydinosaurier erinnert an moderne Küken, die sich im Laufe ihrer Entwicklung im Ei nach und nach zu einem Ball zusammenrollen, bis der Kopf unter dem rechten Flügel steckt. Die Positionswechsel folgen einem festen Muster, das für einen erfolgreichen Schlupf unerlässlich ist.

    Obwohl Baby Yangliang nicht ganz so stark zusammengerollt ist wie ein modernes Küken kurz vorm Schlupf, „war es auf einem guten Weg“, sagt Darla Zelenitsky. Die zuvor entdeckten Dinosaurierembryonen wiesen eine etwas andere Körperhaltung auf, was vermutlich daran liegt, dass sich die Babys in anderen Entwicklungsstadien befanden. Laut dem Studienteam belege dies, dass diese Abfolge von Positionswechseln im Ei seinen Ursprung vor vielen Millionen Jahre hat.

    Die Gruppe der Oviraptosauria wies einige Vogelmerkmale auf. Wie in dieser Illustration dargestellt brüteten manche ihre Eier in Nestern aus, wie es moderne Vögel heutzutage tun.

    Foto von Masato Hattori

    Vogelartige Merkmale

    Erst kürzlich wurde das Fossil eines Oviraptors entdeckt, dessen Körperhaltung an einen brütenden Vogel auf seinem Gelege erinnert. Obwohl das Vogelverhalten von Baby Yingliang nicht überraschend sei, so würden Fossilien dieser Art für das Nachvollziehen evolutionärer Abläufe doch eine wesentliche Rolle spielen, sagt Matthew Lamanna.

    „Wir können den lieben langen Tag spekulieren“, sagt er, doch ohne Fossilien, die solche frühen Verhaltensmuster belegen, würde es immer bei Spekulationen bleiben.

    Baby Yingliang könnte möglicherweise noch weitere Hinweise auf die Evolution moderner Vögel liefern, sagt Timothy Rowe, Paläontologe an der University of Texas in Austin, der nicht an der Studie mitgearbeitet hat. Ein wichtiger evolutionärer Schritt sei zum Beispiel die Entwicklung der vorderen Gliedmaßen zu Flügeln, die lang genug zum Fliegen sind, gewesen. Wie und wie oft es bei den Dinosauriern zu dieser Veränderung kam, sei unbekannt, doch Hinweise auf derartige evolutionäre Transformationen seien in den frühen Entwicklungsphasen der Tiere sichtbar. „Sie kommen schon im Ei zum Tragen“, sagt er.   

    Dass vollständige Embryonen nur so selten gefunden werden, mache konkrete Rückschlüsse schwierig, sagt Waisum Ma. Doch die Situation könnte sich bald ändern: Das Unternehmen, das Baby Yingliang entdeckt hat, hat an derselben Stelle weitere Eier gefunden. „Möglicherweise gibt es also noch mehr Embryonen“, sagt sie – und dadurch mehr Hinweise auf die prähistorischen Ursprünge der Vögel, die heute auf unserem Planeten leben.

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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