Ansteckung durch Aerosole: Das Risiko von Blasinstrumenten
Inzwischen ist allgemein bekannt: Coronaviren werden über die Atemluft transportiert. Das Übertragungsrisiko steigt beim Sprechen und Singen. Eine Studie aus Göttingen hat nun beleuchtet, wie groß die Gefahr für Freunde der Blasmusik ist.
Sind Blasinstrumente Virenschleudern? Dieser Frage ist eine neue Studie des Max-Planck-Instituts nachgegangen.
Oft weiß man erst, was man hat, wenn es plötzlich nicht mehr da ist. Das stellten viele Menschen während der Corona-Pandemie auch in Bezug auf Musik- und Großveranstaltungen fest, die zum Schutz der Bevölkerung reihenweise ausfielen.
Gleich zweimal traf es das Münchener Oktoberfest, das in den Jahren 2020 und 2021 nicht stattfinden konnte. Zu groß war die Angst vor einem sogenannten Superspreader-Event, bei dem sich auf einen Schlag eine große Zahl von Menschen infiziert. Auf der Wiesn ging die Gefahr dabei nicht nur von den singenden, lachenden und sich zu nahe kommenden Besuchenden aus, sondern auch von der traditionellen Blasmusik.
Erhöhter Partikelausstoß
Aus Sicht des Infektionsschutzes gefährdet diese sowohl Musizierende als auch das Publikum, weil die Instrumente beim Spielen Partikel mit einer Größe von weniger als fünf Mikrometern freisetzen. Diese verweilen besonders lange in der Luft, breiten sich weit aus und können vor allem in unbelüfteten Räumen hohe Konzentrationen erreichen.
Wie gefährlich Blasmusik tatsächlich für die Gesundheit ist, hat ein Team des Göttinger Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation und der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) im Rahmen einer Studie untersucht, deren Ergebnisse in der Zeitschrift Journal of Aerosol Science erschienen sind.
“Wir haben überraschenderweise festgestellt, dass Musikinstrumente weniger riskant sind als Sprechen oder Singen.”
Die Untersuchungen wurden in einem Reinraum durchgeführt, in dem 20 verschiedene Blasinstrumente unter kontrollierten Bedingungen gespielt wurden. Das Studienteam maß Größe und Menge der Partikel, die währenddessen freigesetzt wurden, und ermittelte so das maximale Infektionsrisiko mit der Omikronvariante von Sars-CoV2 für die unterschiedlichen Instrumente.
Die Analyse zeigt, dass beim Musizieren mit Blasinstrumenten fünf bis fünfzigmal mehr Aerosol in die Umgebung gelangt als beim Atmen. Das führt jedoch nicht zu einem höheren Ansteckungsrisiko. „Wir haben überraschenderweise festgestellt, dass Musikinstrumente weniger riskant sind als Sprechen oder Singen“, sagt Mohsen Bagheri, einer der Studienautoren und Leiter einer Forschungsgruppe zu Aerosolen am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. Die niedrigere Übertragungsgefahr begründet die Studie damit, dass die Blasinstrumente wie Filter wirken würden, in denen größere Partikel der Atemluft festgehalten werden.
Welche Instrumente sind besonders riskant?
Wie viele Partikel beim Musizieren mit Blasinstrumenten ausgestoßen werden, ist der Studie zufolge abhängig vom Instrument: Flöten setzen die geringste, Klarinetten und Posaunen die höchste Konzentration frei. Beim Flötespielen besteht für einen Zuhörenden mit anderthalb Metern Abstand zum Instrument nach drei Stunden eine Ansteckungsgefahr von bis zu 50 Prozent. Tauscht man die Flöte gegen eine Klarinette, ist dieses Risiko bereits nach vier Minuten erreicht. Gründe für die verschieden hohen Werte liegen laut den Forschenden in den Größen der Instrumente, ihren Tonhöhen und dem Material. So würden Holzblasinstrumente beispielsweise weniger Partikel freisetzen als Blechblasinstrumente.
Das gefährlichste Instrument in Bezug auf die Verbreitung von Viren ist jedoch die Stimme. Beim Singen und Sprechen bringen infizierte Personen über 500-mal mehr möglicherweise virenbelastete Partikel in Umlauf als beim ruhigen Atmen.
Rettung für Musikveranstaltungen
Das Studienteam testete außerdem eigens für die verschiedenen Instrumente angefertigte Filter aus Vlies, die über die Enden der Blasinstrumente gestülpt wurden. Mit erfreulichem Ergebnis: „Bei Blechblasinstrumenten funktionieren Masken auf dem Schallstück zuverlässig, um den Ausstoß infektiöser Partikel zu reduzieren“, sagt Oliver Schlenczek vom Max-Planck-Institut, Erstautor der Studie.
Würden Zuhörerinnen und Zuhörer zusätzlich noch FFP-2-Masken tragen, läge das Übertragungsrisiko selbst nach einem einstündigen Konzert nur bei maximal 0,2 Prozent. „Bei ausreichender Belüftung und mit FFP2-Masken können Unterricht, Proben und Konzerte mit Blasinstrumenten sicher durchgeführt werden“, sagt Max-Planck-Direktor Eberhard Bodenschatz.
Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse, die dabei helfen können, Ansteckungen bei Kulturveranstaltungen besser zu vermeiden. „Auf dieser Grundlage können wir zukünftig viel gezielter Schutzmaßnahmen empfehlen und den musikalischen Kulturbetrieb auch in kritischen Situationen mit nur geringen Einschränkungen aufrechterhalten“, sagt Simone Scheithauer, Direktorin des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektiologie der UMG.
Eine gute Nachricht für den kommenden Winter, denn Musik ist ein Garant für Lebensfreude – und gerade in schwierigen Zeiten von unermesslichem Wert.