Erste Hilfe: Frauen erhalten seltener lebensrettende Herzdruckmassage
Eine zeitnahe Reanimation nach einem Herz-Kreislaufversagen kann Leben retten. Doch die Wahrscheinlichkeit, diese in der Öffentlichkeit zu erhalten, variiert laut einer kanadischen Studie je nach Geschlecht.
Die Forschenden Cossette und Cournoyer fordern, dass mehr Menschen lernen, wie man Herzdruckmassagen durchführt. Sie sollte jeder Person ermöglicht werden, die sie benötigt – unabhängig von Geschlecht, Alter oder Ort.
Plötzlicher Herzstillstand: Rund 65.000 Menschen erleiden in Deutschland pro Jahr ein Herz-Kreislauf-Versagen. Um den Herztod zu vermeiden, folgt im Idealfall auf den Notruf ein zügiges Eingreifen mittels einer Herzdruckmassage. 100 bis 120 mal die Minute wird das Brustbein bis zu sechs Zentimeter gen Wirbelsäule gedrückt – zum Takt von Stayin’ Alive, Atemlos durch die Nacht oder dem Titellied von Biene Maja.
So zumindest in der Theorie. Denn erfolgreiche Reanimationen sind selten. Lediglich fünf bis zehn Prozent der Wiederbelebungsversuche sind laut der Deutschen Herzstiftung erfolgreich. Viele Zeug*innen haben außerdem Angst, etwas falsch zu machen – mit schwerwiegenden Folgen: Ohne beherztes Einschreiten sinkt die Überlebenschance pro Minute um 10 Prozent.
Doch laut einer aktuellen kanadischen Studie gibt es noch einen weiteren Grund für eine zögerliche oder gar vollständig ausbleibende Erste Hilfe: Das Geschlecht und das Alter der vom Herzstillstand betroffenen Person. Ihre Ergebnisse stellte das Forschungsteam auf dem diesjährigen Kongress der European Society of Emergency Medicine (EUSEM) in Barcelona vor.
Frauen erhalten weniger wahrscheinlich Herzdruckmassage
In ihrer Studie untersuchte die Forscherin Sylvie Cossette vom Forschungszentrum des kanadischen Montreal Heart Institute Gründe, die Umstehende davon abhalten, der ersten Hilfe mittels Herzdruckmassage nachzugehen. Zusammen mit Alexis Cournoyer, einem Forscher und Notfallmediziner am Hôpital du Sacré-Coeur de Montréal, untersuchte sie Datensätze mit Aufzeichnungen über Herzstillstände in Nordamerika, die von 2005 bis 2015 außerhalb von Krankenhäusern auftraten. Insgesamt analysierten sie 39.391 Fälle von Herz-Kreislauf-Versagen bei Personen mit einem durchschnittlichen Alter von 67 Jahren. Dabei konzentrierten sie sich auf Informationen wie das Eingreifen von Umstehenden und Zeug*innen und Alter sowie Geschlecht der Patient*innen.
Die Auswertung ergab: In lediglich 54 Prozent der Fälle erhielten die Betroffenen eine Reanimation von Laien mittels Herzdruckmassage. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese an Frauen durchgeführt wurde, lag bei 52 Prozent. Eine erste Hilfe bei Männern wurde hingegen in 55 Prozent der Fälle geboten.
Erste Hilfe für Frauen: Große Hemmungen in der Öffentlichkeit
Noch offensichtlicher ist der Unterschied der Wahrscheinlichkeit für lebensrettende Maßnahmen zwischen Männern und Frauen im öffentlichen Raum. Hier erhielten Männer in 68 Prozent der Fälle eine Herzdruckmassage – bei Frauen waren es 61 Prozent. Dabei konnten Cossette und Cournoyer keine signifikanten Unterschiede bezüglich des Alters der betroffenen Frauen ausmachen.
„Unsere Studie zeigt, dass Frauen, die einen Herzstillstand erleiden, im Vergleich zu Männern seltener die nötige Wiederbelebung erhalten, insbesondere wenn der Notfall in der Öffentlichkeit passiert“, sagt Cournoyer. Bezüglich der Gründe für dieses Verhalten können er und seine Kollegin bislang nur Vermutungen anstellen. Die Angst vor unangemessenem körperlichem Kontakt ohne Konsens könnten sie allerdings ausschließen.
“Es könnte sein, dass Menschen Angst davor haben, Frauen zu verletzen oder zu berühren. Oder sie glauben, dass die Wahrscheinlichkeit eines Herzstillstands bei einer Frau geringer ist.”
Für ältere Männer sinkt die Reanimations-Rate kontinuierlich
Doch nicht nur Frauen jeden Alters sind von ausbleibenden Herz-Lungen-Wiederbelebungsmaßnahmen betroffen. Die Studie betont, dass vor allem bei Herzstillständen in privaten Settings die Wahrscheinlichkeit für Reanimationsmaßnahmen bei älteren Männern schwindet. Mit steigendem Alter sank diese bei männlichen Patienten alle zehn Jahre um 9 Prozent. Bei Frauen sank sie um 3 Prozent.
Professor Youri Yordanov, Vorsitzender des Abstract-Komitees des EUSEM 2023 betont, wie wichtig es ist, dass jede Person, die einen Herzstillstand erleidet, die Wiederbelebung bekommt, die sie benötigt. „Ein Herzstillstand kann jederzeit und überall passieren, daher müssen wir alle die Wiederbelebung erlernen und bereit sein, sie ohne zu zögern durchzuführen“, sagt Yordanov.