7 erstaunliche Fakten über das James-Webb-Weltraumteleskop
Das James-Webb-Weltraumteleskop gilt als technologisches Wunder unserer Zeit. Es verspricht, die Grenzen der Weltraumforschung zu erweitern. Das sind die erstaunlichsten Fakten über das bemerkenswerte Teleskop.
Das Weltraumteleskop blickt in das sogenannte "Deep field." Zu sehen sind tausende von Galaxien, es gilt als die bisher tiefste und schärfste Infrarotaufnahme des Universums. Diese Art von Bildern ermöglicht es Wissenschaftlern, weiter in die entferntesten Regionen des Weltraums zu schauen und mehr über die Struktur und Entwicklung des Universums zu erfahren.
Vor 13,8 Milliarden Jahren begann mit dem Urknall der Ursprung unseres Seins. Das Universum entstand als kosmische Brühe aus Wasserstoff und Heliumgas, dessen Atome im Laufe der Zeit zu Sternen verschmolzen und sich vermutlich zu Galaxien gruppierten. Die kosmische Dämmerung brach an. Seither besteht der Himmel jenseits der Milchstraße für uns nur aus einer unbekannten Dunkelheit. Denn lange fehlte die Technik, um die Geschichte des Universums sichtbar zu machen. Hierfür benötigte es das aufwendigste Teleskop aller Zeiten: das James-Webb-Weltraumteleskop.
Es ist das bisher kostspieligste und riskanteste Unterfangen der NASA. Kaum ein anderes erhielt so viel negative Presse, war mit so vielen Risikofaktoren verbunden und schürte gleichzeitig die Hoffnung so vieler Menschen weltweit.
Mehr als 10 Milliarden Dollar, zwei Jahrzehnte der Forschung, Entwicklung und Zusammenarbeit, führten dazu, dass das James-Webb-Weltraumteleskop zu einem der technisch fortschrittlichsten Instrumente der Weltraumforschung wurde. Es besteht aus einem riesigen Spiegel, der Licht aus dem Weltraum auffängt und in hochauflösende Bilder umwandelt. Es befindet sich anderthalb Millionen Kilometer entfernt in den Tiefen des Weltalls und soll dabei helfen, elementare Fragen zu beantworten: Sind wir allein? Wie sind wir hierhergekommen und wie sehen andere mögliche Lebensformen aus? Bis alle diese großen Fragen geklärt sind, glänzt das Weltraumteleskop selbst mit erstaunlichen Fakten.
1. James-Webb-Weltraumteleskop als Zeitmaschine
Das James-Webb-Teleskop ermöglicht es, einen Blick zurück in die Vergangenheit zu werfen. Dabei handelt es sich um einen physikalischen Trick: Teleskope zeigen das Universum so, wie es in der Vergangenheit war. Was nach Science-Fiction klingt, ist einfach erklärbar und funktioniert, weil Licht Zeit braucht, um den Raum zu durchqueren.
Von der Sonne bis zur Erde benötigt Licht ca. 8 Minuten. Weitet man dieses Prinzip auf immer weiter entfernt liegende Objekte im Universum aus, ist das Licht entsprechend länger bis zum Teleskop unterwegs. Demnach zeigt das Teleskop ein vergangenes Abbild der abgelichteten Objekte. Leider kann der Anfang des 13,8 Milliarden Jahre alten Universums nicht abgebildet werden - das erste Kapitel der Geschichte bleibt uns verborgen. Selbst die besten Teleskope der Welt können daran nichts ändern. Das Universum war nach dem Urknall viel zu heiß und zu dicht. Licht hätte sich darin nicht ausbreiten können. Da Teleskope primär auf das Licht angewiesen sind und dieses einfangen, ist das erste Kapitel quasi wie ein Filmriss ganz am Anfang eines aufregenden Films.
Das James-Webb-Weltraumteleskop kann so tief und scharf in das deep field blicken, wie keines der Weltraumteleskope zuvor.
Zu sehen ist der Hauptspiegel des James-Webb-Weltraumteleskops. Die einzelnen Segmente haben die form eines Hexagons.
2. Höchster Risikofaktor aller bisherigen Weltraummissionen
Das James-Webb-Weltraumteleskop gilt als Quantensprung für die Erforschung des Universums und als Mutter aller Teleskope. Von der Planung bis hin zur Umsetzung galt es, das Risiko für Fehlerquellen zu minimieren. Eine der wichtigsten Kennzahlen solcher Missionen ist: Wie viele Single Points of Failures (SPOF) gibt es?
Ein „Single Point of Failure“ beschreibt eine einzige Sache, die, wenn sie passiert, ausreicht, um die gesamte Mission zum Scheitern zu bringen. Die Marslandung mit 80 bis 90 Single Points of Failure galt bereits als riskant. Bei dem James-Webb-Weltraumteleskop gab es 344 SPOF, die größte Anzahl von SPOF aller Weltraum-Missionen bisher.
Was die Mission zusätzlich gefährdet, ist die Tatsache, dass eine Wartung bei Problemen unmöglich ist. Das James-Webb-Weltraumteleskop ist für eine bemannte Wartungsmission zu weit weg. In diesem Fall gibt es mehrere Systeme an Bord des Teleskops, um im Ernstfall eingreifen zu können.
3. Spektakuläre Klappfunktion
Spieglein, Spieglein tief im All: Allein zehn SPOFs betreffen den großen Spiegel, mit dem das James-Webb-Weltraumteleskop funktioniert. Der Hauptspiegel besteht aus 18 einzelnen Segmenten in Form von Hexagonen, von denen jedes beweglich ist. Jedes Hexagon kann separat positioniert werden, um das Teleskop computergesteuert scharfzustellen. Die 18 Segmente bilden den großen Hauptspiegel.
Weil dieser einen größeren Durchmesser als die Trägerrakete hat, muss er gefaltet werden. Erst nach fünf Probeentwürfen war das perfekte Design entwickelt: Letztendlich werden die Seiten des Hauptspiegels wie bei einem Klapptisch bei Bedarf ein- oder ausgeklappt.
4. Temperaturunterschied von 300 Grad
Der Sonnenschild des Teleskops, welches sich hinter dem Spiegel befindet, blockiert das Licht der Sonne, Erde und des Mondes. Das ist wichtig, damit das Teleskop kalt bleibt und nicht heller leuchtet als die schwachen Sterne, die es fotografiert.
Damit geht ein riesiger Temperaturunterschied der Vorder- und Rückseite einher. Die Teleskop-Seite, die sich der Sonne zuwendet, kommt auf ca. 85 Grad Celsius. Die der Sonne abgewandten Seite, an der sich der Spiegel sowie die Instrumente befinden, kommt auf Temperaturen von bis zu -233 Grad Celsius.
Von den 344 möglichen SPOF, hängen allein 225 mit der Entfaltung des Sonnenschirms zusammen. Zuerst werden die beiden seitlichen Ausleger nacheinander ausgeklappt. Sie halten die insgesamt fünf gefalteten Schichten des Sonnenschirms. Ein komplexes System bestehend aus Seilzügen und Zugmotoren zieht den Sonnenschirm zu den sechs Eckpunkten. Insgesamt 34 SPOF beziehen sich auf diesen Schritt, wenn die Schichten an die sechs Eckpunkte gezogen werden.
Der Sonnenschild des Weltraumteleskops ist aufgrund seiner Größe zusammengefaltet und wird im All entfaltet.
5. Das Teleskop sieht Infrarotlicht
Das Teleskop wurde speziell dafür entwickelt, das Universum in Infrarot zu sehen. Die am weitesten entfernten Galaxien sind so weit weg, dass sie ihr ganzes Licht im Infrarotbereich ausstrahlen. Das ist der Bereich, den das menschliche Auge nicht mehr sehen kann.
Ursprünglich sollten mit dem Teleskop junge Galaxien studiert werden. Die Leistungsfähigkeit erlaubt es jedoch auch, mehr über sogenannte Exoplaneten zu erfahren. Also solche, die außerhalb unseres Sonnensystems um andere Sterne kreisen.
Besonders spannend ist dabei die Frage, ob Planeten in unserer Nähe bewohnbar sind. Dank des Teleskops können Wissenschaftler die Atmosphäre der Planeten und deren Moleküle analysieren. Es kann Methan, Kohlendioxid und Wasserdampf erkennen.
6. Extreme Kosten von 6 Milliarden
Ursprünglich war für das Webb-Projekt ein Budget von 500 Millionen Dollar vorgesehen. Da die Kosten für das Hubble-Weltraumteleskop bereits bei sechs Milliarden Dollar lagen, ließ sich erahnen, dass das Budget zu knapp berechnet war.
Im weiteren Verlauf des Projekts näherten sich auch die Kosten des James-Web-Teleskops der sechs Milliarden Dollar Grenze. Der amerikanische Kongress leitete aufgrund dessen eine Untersuchung ein, das Projekt stand auf der Kippe. Schließlich wurde das Fortführen des Projekts genehmigt und der Kongress stockte das Budget auf.
7. 10 000 Schrauben festziehen
Um auf alle Gegebenheiten vorbereitet zu sein, wurde das James-Webb-Teleskop ausführlichen Tests unterzogen, um die Gegebenheiten im All zu simulieren. Dazu zählten auch Vibrations- und Akustiktests, welche die Schwingungen und den Schalldruck beim Start der Rakete nachahmten. Bei einem der Tests fielen zahlreiche Schrauben herunter, die nicht korrekt befestigt waren: Mehrere zehntausend Schraubverbindungen mussten überprüft und festgezogen werden. Das kostete das Team 6 Monate und 150 Millionen Dollar.
Wie alles begann
Die Idee für ein Nachfolgeteleskop des Hubble-Weltraumteleskops entstand in den 1990er Jahren. Das Ziel war es, ein Teleskop zu entwickeln, das noch tiefer ins Universum blicken und uns dabei helfen könnte, die Rätsel des Kosmos zu lösen. Benannt ist das Teleskop nach James Edwin Webb, einem amerikanischen Regierungsbeamten, der von 1961 bis 1968 als Administrator der NASA fungierte.
Webb war ein visionärer Führer, der die NASA in eine neue Ära der Weltraumforschung führte. Unter seiner Leitung wurden bahnbrechende Missionen wie die Apollo-Mondlandungen und das Skylab-Programm durchgeführt. Webb erkannte die Bedeutung der Erforschung des Weltraums und setzte sich dafür ein, dass die NASA die technologischen Fortschritte vorantreibt.
1996 begann die Planung für das James-Webb-Weltraumteleskop. Die Entwicklung dieses Teleskops war eine enorme technische Herausforderung. Ingenieure und Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern arbeiteten zusammen, um die besten Lösungen für die Konstruktion und den Betrieb des Teleskops zu finden. Mehr als 10.000 Menschen haben auf die ein oder andere Art an dem James-Webb-Teleskop mitgewirkt. Es wurden neue Materialien und Technologien entwickelt, um die Leistungsfähigkeit des Teleskops zu maximieren.
Das James-Webb-Weltraumteleskop wurde schließlich zu einem internationalen Gemeinschaftsprojekt und wurde zusammen mit der europäischen Weltraumorganisation sowie der Canadian Space Agency realisiert. Am 25. Dezember 2021 wurde das Teleskop erfolgreich ins Weltall auf seine Mission geschickt.
Das National Geographic Magazin 11/23 ist seit dem 20. Oktober im Handel erhältlich.
Weitere spannende Reportagen lesen Sie im NATIONAL GEOGRAPHIC Magazin 11/23. Verpassen Sie keine Ausgabe mehr: Sichern Sie sich die nächsten 2 Ausgaben zum Sonderpreis!