Nachthimmel in Gefahr: Braucht das Weltall ein Umweltschutzgesetz?
Der Mensch erobert den Weltraum – doch aktive Satelliten und Weltraumschrott werden inzwischen zu einem echten Problem im Orbit. Wissenschaftler fordern deswegen ein Gesetz, dass das kosmische Ökosystem schützt, bevor es zu spät ist.
Einer von mittlerweile über 2.000 SpaceX-Satelliten. Insgesamt hat sich die Zahl aktiver Satelliten seit 2018 mehr als verdoppelt – und steigt weiter rapide an.
Es wird eng im Weltraum: Derzeit befinden sich Weltraumobjekte mit einer Gesamtmasse von mehr als 9.800 Tonnen in der Erdumlaufbahn – darunter etwa 5.400 aktive Satelliten und Unmengen Weltraumschrott. Millionen kleine und große Trümmerteile und unzählige nicht mehr funktionale Raketen- oder Satellitenfragmente fliegen durch den erdnahen Orbit.
Ein Team aus Forschenden hat nun unter der Leitung von Andy Lawrence, Astronomie-Professor an der University of Edinburgh, die Auswirkungen dieser Überladung des Weltalls untersucht und die Ergebnisse in einer Studie im Fachmagazin nature astronomy veröffentlicht. Schwerpunkt der Forschung waren die aktiven Satelliten, deren Anzahl sich allein seit 2018 mehr als verdoppelt hat. Der Studie nach hat deren stetige Zunahme vor allem einen spürbaren Effekt: Die Veränderung des uns bekannten Nachthimmels. Diese wird den Wissenschaftlern zufolge auf lange Sicht sowohl Hindernisse für die Forschung als auch Einschränkungen für uns Menschen mit sich bringen.
Die Astronominnen und Astronomen fordern deswegen Umweltschutzgesetze für das Weltall, die – ähnlich denen auf der Erde – das kosmische Ökosystem schützen sollen. „Wir müssen den Weltraum als Teil der Umwelt sehen und als schützenswertes Gut durch bestehende und neue Gesetze, Regeln und Vorschriften auf nationaler und internationaler Ebene schützen“, sagen sie.
Risiko für Kollisionen nimmt zu
Das Interesse am Weltall nimmt stetig zu – und mit ihm die Zahl der Raumfahrt- und Telekommunikationsunternehmen. Bisher wird angenommen, dass die Menge der Satelliten, die während der verschiedensten Weltraummissionen im All stationiert werden, im Laufe der nächsten acht Jahre auf bis zu 100.000 Stück steigen wird.
Immer öfter sind diese Satelliten Teil sogenannter Mega-Satelliten-Konstellationen, die zur Informations- bzw. Datenübertragung dienen. Da sie bisher eine Lebensdauer von nur ungefähr fünf Jahren haben, müssen die Satelliten immer wieder ersetzt werden. „Das erfordert häufige Starts und absichtliches Verlassen der Umlaufbahn, was zu einer ständigen Fluktuation innerhalb des erdnahen Orbits führt“, so die Forschenden. Die nicht mehr aktiven Satelliten enden dann meist als funktionsloser Weltraumschrott in der Umlaufbahn – und gefährden andere Weltraummissionen durch mögliche Kollisionen. „Selbst kleine Trümmerteile können erheblichen Schaden anrichten, wenn sie in der Umlaufbahn mit etwas anderem zusammenstoßen”.
Zudem würden die alten Satelliten ebenso wie die weiter wachsende Zahl aktiver Satelliten durch die von ihnen ausgehende Lichtverschmutzung die Weltraumforschung behindern. „Wenn sich Satelliten über das Sichtfeld einer astronomischen Aufnahme bewegen, hinterlassen sie Streifen auf dem Bild“, so die Forschenden. Dies könne die gesamte Hintergrundhelligkeit des Himmels verändern und wissenschaftliche Analysen des Himmels erheblich erschweren.
Effekt der Starlink-Satelliten des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX auf ein Himmels-Bild der Dark Energy Survey Kamera im Jahr 2019.
Falsche Sterne: Das Ende des bekannten Nachthimmels
Doch auch für unseren Alltag hat das Gedränge im Orbit Konsequenzen. „Eine stark erhöhte Anzahl von Satelliten könnte unsere gesamte Wahrnehmung des Nachthimmels langfristig erheblich verändern, indem sie als ‚falsche Sterne‘ erscheinen“, so die Forschenden. Mit der bisher vermuteten Anzahl von 100.000 Satelliten ab 2030 könnten diese sichtbaren „falschen Sterne“ die Menge sichtbarer echter Sterne dann bereits übertreffen.
Dadurch würden nicht nur Hobby-Astronomen und Citizen Science – also Forschungsprojekte unter Mithilfe interessierter Laien – deutlich behindert, es hätte auch weitreichende kulturelle Folgen. „Für viele indigene Völker ist der Nachthimmel ein aktiver und lebenswichtiger Teil der Kultur, des Geschichtenerzählens und ihres Erbes“, heißt es in der Studie. Man müsse gerade deshalb auch darüber nachdenken, ob der Zugang zu einer ungehinderten Sicht auf den natürlichen Nachthimmel nicht gar als Menschenrecht angesehen werden solle.
„Wir stehen an einem Wendepunkt in der Geschichte“, sagt Andy Lawrence. „Wir können kostengünstig eine große Anzahl von Satelliten starten und sie zum Nutzen des Lebens auf der Erde einsetzen – aber das hat seinen Preis. So schadet die Raumfahrtindustrie nicht nur der Sternbeobachtung, sondern könnte sich auch selbst ein Bein stellen“. Er und sein Team fordern darum Regularien, die den Nutzen der Satelliten gegen die Schäden, die sie im Ökosystem Weltall verursachen, aufwiegen – und einen Umweltschutz, der nicht auf unseren Planeten beschränkt ist.