Gibt es im Weltall bald Solarkraftwerke?

Sonnenenergie aus dem Weltall soll künftig die neue Infrastruktur der Erneuerbaren Energien auf unserem Planeten mitversorgen. Dazu appelliert die Europäische Weltraumorganisation ESA nun an Energiekonzerne.

Von Deborah Roth
Veröffentlicht am 5. Jan. 2022, 14:24 MEZ
Künstlerische Interpretation eines Solarkraftwerks im All.

Künstlerische Interpretation eines Solarkraftwerks im All.

Foto von Esa

Nachts und bei ruhigem Wetter im Winter fehlt erneuerbaren Energiequellen schnell Wind und Sonne. Doch gerade aus diesen erneuerbaren Quellen soll in Zukunft ein großer Teil des Energiebedarfs in Deutschland gedeckt werden. Auf die Frage, wie der Bedarf und die Ressourcen langfristig versorgt werden sollen, versucht sich die Europäische Weltraumorganisation (ESA) mit einer gleichermaßen ambitionierten als auch visionären Antwort: Solarkraftwerke im Erdorbit. Da im Weltall immer Tag ist, könnte ein Kraftwerk im All jederzeit gleichmäßig Energie liefern.

Wie realistisch dieses Konzept ist, wurde nun auf einer Tagung der ESA mit Experten aus dem Sektor besprochen. Das Panel um den Leiter der ESA-Abteilung für Advanced Concepts, Leopold Summerer, empfahl vor dem Kontext der großen klimatischen Herausforderung, die Option von Solarkraftwerken im Weltall ernsthaft in Betracht zu ziehen. „Das Konzept der Solarenergie aus dem All wurde zu lange und ausschließlich von Weltraumexperten betrachtet und als Weltraumprojekt diskutiert. Wir wollen und müssen diese nächsten Schritte gemeinsam mit dem Energiesektor tun“, sagt Summerer gegenüber Nationalgeographic.de.

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200 Fußballfelder: Die Herausforderungen des Bauens im Weltall

Warum der Bau solcher Solarkraftwerke bis heute kaum in Erwägung gezogen wurde, hängt mit ihren Dimensionen zusammen: Objekte der Größe und des Gewichts eines solchen Kraftwerks konnten bisher nicht in den Erdorbit befördert werden. Das Unterfangen war schlichtweg zu teuer – und  die Stromerzeugung im Weltraum zu kostspielig. Eine der Herausforderungen der vergangenen Jahre bestand darin, die Kosten pro Weg in die Umlaufbahn des Erdorbits in ihrer Größenordnung zu senken, also gleichermaßen den ‚Umzug‘ der Einzelteile eines Solarkraftwerks bezahlbar zu gestalten.

Für das Weltall werden Anlagen vorgesehen, die ein bis zwei Gigawatt produzieren. Das entspricht der Leistung eines Kernkraftwerks auf der Erde. Dazu wären Photovoltaikzellen und Sendeanlagen auf einer Fläche von 15 Quadratkilometern nötig. Das entspricht dem 17-fachen Gewicht der Internationalen Raumstation ISS – und einem Äquivalent der Größe von 200 Fußballfeldern.

Die Zeitspanne des Energieverbrauchs eines solchen Kraftwerks – auch Energierücklaufzeit genannt – würde von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten reichen, einschließlich der für die Starts benötigten Energie. „Die Energieverteilung vom Solarkraftwerk aus dem Erdorbit zu den Kraftwerken auf der Erde basiert auf einem phasengesteuerten Mikrowellenfrequenzstrahl”, erklärt Summerer. Hier treffen Mikrowellen in einer Säule mit einem Durchmesser von rund zwei bis drei Kilometern auf eine ähnlich dimensionierte Antenne auf der Erde. Von dort würde die Energie dann in das Stromnetz gespeist. Inwiefern das Unterfangen umweltfreundlich oder ressourcenschonend ist, bleibt an diesem Punkt unklar.

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    So soll die Solarenergie aus dem Weltall auf der Erde vertrieben werden.

    Foto von Esa

    Hunderte Millionen Euro: Ein Mammutprojekt bis 2030

    Zudem wartet eine Reihe von weiteren technischen Herausforderungen, die kosteneffektiv und effizient gelöst werden müssen. Die weltraumgestützte Solarenergie würde dabei zukünftig – wie bei anderen großen Kraftwerken – idealerweise über die Bereitstellung und den Verkauf der erzeugten elektrischen Energie monetarisiert – so die Vorstellung der ESA.

    Bis es soweit ist, müssten nach Angaben von Summerer mehrere zehn bis hundert Millionen Euro für die oben erwähnte technologische Reifung und die technischen Bemühungen fließen. Gefolgt von der Finanzierung der Entwicklung von Weltraumdemonstrationen in signifikantem Umfang, die den Entwicklungskosten größerer Kraftwerksprototypen entsprechen würden.

    Der Weltraum als Showroom

    Trotz visionärem Konzept bleibt Summerer dem Modell gegenüber konstruktiv-kritisch: „Ich erwarte nicht, dass Solarkraftwerke die derzeitige Energieversorgung revolutionieren werden.” Es brauche eine Revolution des gesamten Energiesystems, wie wir es kennen. „Was die Internationale Energieagentur (IEA) mit ihrem Weg zum Netto-Nullpunkt bis 2050 für das globale Energiesystem aufgezeigt hat, ist: Es gibt keine einfache Lösung.“

    „Um einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des Netto-Null-Ziels für den Energiesektor bis 2050 zu leisten, müsste die Technologie bis Ende der 2030er Jahre in ausreichender Größe im Weltraum demonstriert werden“, so Summerer. 

    Die internationale Expertengemeinschaft hält Solarkraftwerke indes für technisch realisierbar. Auch der Weg, diese wirtschaftlich rentabel zu machen, scheint trotz gigantischer Herausforderungen realistischer als jemals zuvor.

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