Darmbakterien: Neue Ursache für Rheuma gefunden?

Forschende haben herausgefunden, wie das Mikrobiom des Darms entzündliche Stoffe produziert – und damit verschiedene Formen von Arthritis auslösen könnte. Ihr Ergebnis liefert Möglichkeiten für neue Therapieansätze und macht Hoffnung für Betroffene.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 14. März 2024, 11:07 MEZ
Frau hält ihre Hände.

Bei einer rheumatoiden Arthritis sind oft die Fingergelenke betroffen: Sie schwellen an und werden steif.  

Foto von Evrymmnt / Adobe Stock

Für einige Menschen sind Stress, Infektionen oder auch Wetterumschwünge eine große Herausforderung: Ihre Gelenke schwellen an und schmerzen, es kommt zu Fieber, Schlaflosigkeit und Erschöpfung. Die Rede ist von den Symptomen rheumatoider Arthritis, im allgemeinen Sprachgebrauch auch bekannt als Rheuma. Ein Prozent der Weltbevölkerung ist von der chronischen Gelenkentzündung betroffen, die unbehandelt zu Gelenkverformungen führen kann – darunter auch viele Kinder und junge Erwachsene.

Die Ursachen dieser Autoimmunerkrankung liegen immer noch größtenteils im Dunkeln. Im Verdacht stehen genetische Faktoren, Risikofaktoren wie Rauchen und bestimmte Viren und Bakterien. Darunter auch Darmbakterien: Forschende haben nun herausgefunden, wie das Darmmikrobiom aus einer eigentlich gesunden Aminosäure entzündliche Stoffe herstellt, die Arthritis auslösen können. Mithilfe dieser Erkenntnis könnte die Krankheit künftig schon früh aufgehalten werden. Ihre Studie erschien in der Zeitschrift Journal of Clinical Investigation. 

Warum entzündet sich der Darm trotz gesunder Ernährung?

Das Forschungsteam um Kristine Kuhn, Leiterin der Abteilung Rheumatologie an der University of Colorado Denver, USA, untersuchte in seiner Studie den Stoffwechsel des sogenannten Tryptophan genauer. Die Aminosäure ist in vielen eiweißhaltigen Lebensmitteln enthalten – zum Beispiel in Schweinefleisch, Thunfisch, Sojabohnen oder Cashews – und steht im Verdacht, eine Rolle bei der Entwicklung von Entzündungen im Körper zu spielen. 

Eigentlich wird Tryptophan eine größtenteils positive Wirkung zugeschrieben: Die Bakterien des Verdauungssystems spalten die Aminosäure in wichtige Nebenprodukte, die dem Körper unter anderem zur Produktion von Enzymen und Neurotransmittern wie Serotonin dienen. Kuhn und ihr Team wollten herausfinden, wie eine Substanz, die im Körper oft eine positive Wirkung hat, auf der anderen Seite auch einen Weg für Entzündungskrankheiten ebnen kann. 

Hoffnung für Betroffene: Neue Therapieansätze 

Dazu untersuchten die Forschenden Patient*innen, die an Spondyloarthritis erkrankt sind – eine der häufigsten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, die der rheumatoiden Arthritis ähnelt. Bei den erkrankten Testpersonen konnte das Team Veränderungen im Darmmikrobiom feststellen. Diese führten beim Verzehr von tryptophanhaltigen Lebensmitteln dazu, dass die Aminosäure im Darm anders aufgespalten wird als bei gesunden Menschen. Die Folge: eine erhöhte Produktion von Indolen – einer chemischen Verbindung, die entstehen kann, wenn Tryptophan auf Bakterien statt auf Körperzellen trifft. 

Anhand von Tests mit Mäusen konnten die Forschenden nachweisen, dass die Tiere bei Anwesenheit von Indol autoreaktive T-Zellen entwickeln, die stärker entzündlich sind. Diese richten sich gegen das körpereigene Gewebe und sind bei vielen entzündlichen Autoimmunerkrankungen aktiviert. Es ist also möglich, dass Indole auch beim Menschen entzündliche Krankheiten wie rheumatoide Arthritis auslösen können. 

BELIEBT

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    Bei den Entzündungsprozessen, die unter anderem zu den geschwollenen Gelenken der rheumatoiden Arthritis führen, scheint die Aminosäure Tryptophan eine Schlüsselrolle zu spielen. 

    Foto von ZayNyi / Adobe Stock

    Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass „eine Blockade der Indolbildung einen einzigartigen Therapieansatz“ für rheumatoide Arthritis und Spondyloarthritis darstellen könnte. So könnten die Krankheiten bereits früh bekämpft werden. Es komme darauf an, so Kuhn, das Tryptophan auf den richtigen Weg zu bringen. „Wenn Tryptophan auf unsere Körperzellen trifft, wird es meist zu antientzündlichen Nebenprodukten abgebaut. Wenn es jedoch auf eine Bakterienzelle trifft, kommt es häufiger zur Produktion von entzündlichen Nebenprodukten“, sagt Kuhn. 

    Die richtige Ernährung kann helfen

    Die Frage danach, wie das Tryptophan auf den richtigen Weg geleitet werden und wie man möglicherweise die Bakterienzellen im Darm so manipulieren kann, dass sie das Tryptophan nicht mehr in entzündliche Nebenprodukte umwandeln, soll Gegenstand weiterer Forschung sein.

    Bis dahin rät Kuhn zu einer mediterranen Ernährungsweise, um sich vor Arthritis zu schützen: „Eine Ernährung, die reich an pflanzlichen Ballaststoffen und magerem Fleisch ist, scheint das Mikrobiom in einen gesünderen Zustand zu versetzen.“ Dadurch könne man die entzündungshemmenden Eigenschaften von Tryptophan erhalten – während unsere typische westliche Ernährung eher auf den Entzündungspfad zu führen scheint. 

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