Studie zeigt, dass Lästern gut für den Ruf sein kann

Frauen werden beim Tratschen häufig positiver wahrgenommen als Männer. Warum ist das so? Und was macht das Gerede mit dem Ruf der Lästernden – und dem der Betroffenen?

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 8. Nov. 2024, 16:25 MEZ
Zwei Frauen sitzen beim Kaffee an einem Tisch.

Eine neue Studie zeigt: Wenn Frauen über andere Frauen sprechen, tun sie das oft aus vermeintlich positiven Motiven. Welche Auswirkungen hat das auf ihr Sozialleben?

Foto von Sanja / stock.adobe.com

Wir alle lästern – und zwar täglich. Das Gerede über andere Personen wird von anderen aber nicht unbedingt negativ aufgenommen. Wie eine Studie der Universität Ariel in Israel im Jahr 2019 gezeigt hat, neigen vor allem Frauen dazu, positiv wahrgenommenen Gossip zu verbreiten. Männer hingegen sprächen öfter vernichtend über andere. 

Wie funktioniert dieser ‚positive‘ Klatsch und Tratsch? Ein Forschungsteam um Sozialpsychologin Tania Reynolds von der University of New Mexico hat das Phänomen in einer Studienreihe untersucht und herausgefunden: Wer aus vermeintlicher Besorgnis über eine andere Person lästert, wird von seinen Mitmenschen positiver wahrgenommen. Wer ,grundlos‘ böse über andere spricht, hingegen schlechter. Was macht das mit dem Ruf des ,Gossip Girls‘ – und dem der Betroffenen? 

Besorgtes Tratschen ist gut fürs Ansehen 

In der aktuellen Studienreihe, die im Journal of Experimental Social Psychology erschien und an der über 1.700 weibliche und männliche Personen teilnahmen, konnten die Forschenden zunächst die Ergebnisse aus dem Jahr 2019 verifizieren. In einem ersten Experiment wurden die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Tratschen untersucht: „Im Vergleich zu Männern äußerten Frauen stärkere Fürsorgemotive als schadende Motive, insbesondere beim Klatsch über andere Frauen“, heißt es in der Studie. 

Diese Fürsorgemotive sorgen dafür, dass Frauen beim Tratschen sogar sympathisch wahrgenommen werden. Das zeigten drei weitere Experimente: Wer aus vermeintlicher Besorgnis über eine andere Frau lästert – statt bösartig oder neutral über sie zu sprechen –, wird von seinen Mitmenschen als vertrauenswürdiger und begehrenswerter eingeschätzt und von Männern sogar als soziale und romantische Partnerin bevorzugt. Als besonders unsympathisch gelten dagegen Frauen, die bösartigen Gossip verbreiten. 

Neid. Ausschnitt aus dem Gemälde „Die Sieben Todsünden und Die vier letzten Dinge» von Hieronymus Bosch ...

Auch fürsorglicher Gossip schadet Betroffenen 

Was aber macht die Tratscherei mit dem Ruf der Frau, über die gesprochen wird? Zwei Experimente der Studienreihe zeigten: Der ‚fürsorgliche‘ Klatsch verschlechtert das Ansehen der Betroffenen genauso sehr wie böswilliger Klatsch. Außerdem beeinträchtigt die ‚besorgte‘ Lästerei den romantischen Erfolg der Betroffenen: „Männliche Teilnehmer bekundeten ein geringeres romantisches Interesse an Frauen, die Ziel von fürsorglichem Klatsch waren“, heißt es in der Studie. 

Dass Frauen andere Frauen durch schädigendes Gerede abwerten, um selbst besser dazustehen – wenn auch unbewusst – lässt sich teilweise durch den Begriff internalisierte Misogynie erklären. Diesen ,verinnerlichten Frauenhass‘ tragen nicht nur Männer, sondern auch Frauen in sich. „Wenn wir alle in einer Welt aufwachsen, die Frauen meistens in herabwürdigender Weise darstellt, prägt das nicht nur das Frauenbild der Männer. Es prägt auch das Frauenbild der Frauen“, erklärt LGBTI-Expertin und Journalistin Anna Rosenwasser in einem Artikel für Zeitgeister, das Kulturmagazin des Goethe-Instituts. Diesen Umstand spiegelt auch die Studie wider.

Der Schlüssel zur Problemlösung liegt laut Rosenwasser in der Solidarität mit anderen Frauen. Anstatt also aus vermeintlicher Fürsorge zu lästern, könnte man es zum Beispiel mal mit ehrlichem Zusammenhalt und geteilten Gemeinsamkeiten versuchen.

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