Neue Diät soll Wunder für den Darm bewirken
Über neun Jahre hat ein internationales Forschungsteam eine Diät entwickelt, die mehr kann als beim Abnehmen helfen. Warum die NiMe-Diät für alle gut ist und wo es Rezepte gibt.

Die NiMe-Diät ist größtenteils pflanzlich, beinhaltet aber auch kleine Portionen tierisches Eiweiß als Proteinquelle.
Zu wenig Ballaststoffe, zu viele hochverarbeitete Lebensmittel: Die Menschen in den Industrienationen ernähren sich ungesund. Dass das nicht ohne Folgen bleibt, zeigen Gesundheitsstatistiken. In Deutschland sind laut dem Statistischen Bundesamt mehr als 50 Prozent der Bevölkerung übergewichtig oder adipös, Jahr für Jahr erkranken hierzulande rund 600.000 Personen an Diabetes und auch die Zahl anderer chronischer Erkrankungen steigt.
„Jeder weiß, dass die Ernährung die Gesundheit beeinflusst, aber viele unterschätzen das Ausmaß“, sagt Jens Walter, Mikrobiologe am irischen University College Cork. Gegensteuern soll eine neue Diät, die er und sein internationales Studienteam nach neun Jahren Forschung und Entwicklung in der Zeitschrift Cell vorgestellt haben. Sie orientiert sich an den Essgewohnheiten nicht-industrialisierter Gemeinschaften im Inselstaat Papua-Neuguinea.
Ernährung in Industrieländern: Gift für das Mikrobiom
Anstoß, sich die Ernährung dieser Gemeinschaften genauer anzusehen, gab eine Studie aus dem Jahr 2015, an der Walter als Autor beteiligt war. In ihrem Fokus stand die Erforschung von Mikrobiomen der Mitglieder der Gemeinschaften Papua-Neuguineas. Das Darmmikrobiom setzt sich aus Milliarden von Mikroorganismen zusammen und hat einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit, das Immunsystem und den Stoffwechsel.
„Wir stellten fest, dass die untersuchten Mikrobiome deutlich vielfältiger waren als die von Personen aus Industrieländern“, sagt Walter. Sie wiesen nicht nur mehr nützliche Mikroorganismen auf, sondern auch weniger entzündungsfördernden Bakterien, die die Schleimschicht im Darm abbauen. Im Mikrobiom von Menschen, die viele stark verarbeitete Lebensmittel essen, kommen sie hingegen besonders häufig vor.
„Die Industrialisierung hat sich drastisch auf unser Darmmikrobiom ausgewirkt und wahrscheinlich das Risiko chronischer Krankheiten erhöht“, so Walter. Ihm zufolge lassen sich die Schäden, die eine schlechte Ernährung im Mikrobiom angerichtet hat, aber reparieren – mit der NiMe-Diät.
Essen wie in Papua-Neuguinea
NiMe steht für Non-industrialised Microbiome Restore, zu Deutsch Wiederherstellung des nicht-industrialisierten Mikrobioms. Auf den Teller kommen vorwiegend Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte sowie kleine Portionen tierisches Eiweiß in Form von Lachs, Hühner- oder Schweinefleisch. Ausgeschlossen sind hingegen Rindfleisch, Milchprodukte und Weizen, die nicht Teil der traditionellen Ernährung der Gemeinschaften Papua-Neuguineas sind.
Verarbeitete Lebensmittel, die viel Zucker und gesättigte Fettsäuren enthalten, werden gemieden. Die NiMe-Diät sieht die Aufnahme von 22 Gramm Ballaststoffen je 1.000 Kalorien vor, was über den aktuellen Ernährungsempfehlungen liegt. Diese Ballaststoffe sind Nahrungsgrundlagen für nützliche Darmbakterien.
In einer streng kontrollierten Humanstudie folgten Studienteilnehmende drei Wochen lang den Vorgaben der NiMe-Diät – mit erfreulichen Ergebnissen. Das „schlechte“ Low Density Lipoprotein (LDL)-Cholesterin, das zu Gefäßverstopfungen führen kann, war in ihrem Blut um 17 Prozent reduziert, der Blutzuckerspiegel sank im Schnitt um sechs Prozent. Außerdem wurden um durchschnittlich 14 Prozent niedrigere C-reaktive Protein (CRP)-Werte gemessen. CRP ist ein Marker für Herzerkrankungen und Entzündungen.
Dieser Effekt trat vermutlich ein, weil durch die Diät die Zahl der nützlichen Organismen im Mikrobiom zunahm. Dadurch erholte sich nicht nur die Schleimschicht des Darms: Das Team stellte außerdem einen Anstieg nützlicher bakterieller Nebenprodukte in Darm und Blut der NiMe-Proband*innen fest – darunter Indol-3-Propionsäure, die vor Typ-2-Diabetes und Nervenschäden schützt.
Im Gegensatz dazu fanden sich im Darm der Kontrollgruppe, die nicht der Diät folgte und weitaus weniger Ballaststoffe zu sich nahm, mehr schädliche Nebenprodukte, die bei der Eiweißfermentierung entstehen und zum Beispiel das Risiko für Darmkrebs erhöhen.
Rezepte kostenlos für alle
Personen, die sich für eine Diät entscheiden, tun dies meist, um Gewicht zu verlieren. Das leistet auch die NiMe-Diät: Trotz unveränderter Kalorienzufuhr nahmen die Proband*innen ab. Doch für die Studienautor*innen ist dieser Aspekt nur in gesundheitlicher Hinsicht relevant. Ziel der Diät sei in erster Linie, das Darmmikrobiom durch spezifische Ernährung gezielt zu beeinflussen, um die Gesundheit zu verbessern und das Krankheitsrisiko zu verringern.
Wer das ausprobieren möchte, kann die vom Studienteam entwickelten Rezepte unter anderem auf Instagram abrufen – kostenlos. Bald soll außerdem ein Online-Kochbuch erscheinen. „Es ist uns wichtig, dass die Rezepte frei verfügbar sind“, sagt Studienautorin Anissa Armet, Ernährungswissenschaftlerin an der University of Alberta in Kanada. „Alle sollen sie genießen und ihr Darmmikrobiom und damit ihre Gesundheit positiv beeinflussen können.“
