Wer in der kalten Jahreszeit gezeugt wurde, ist schlanker

Schon bei der Zeugung kann sich entscheiden, wie unsere spätere Körperform aussieht. Eine Studie aus Japan zeigt: Kalte Temperaturen zum Zeitpunkt der Empfängnis führen zu aktiveren Fettzellen.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 25. Apr. 2025, 14:09 MESZ
Kinderwagen steht in einem herbstlichen Garten vor einem schwedischen Haus.

Herbstbabys sind im Vorteil: Wer zwischen Mitte Oktober und Mitte April gezeugt wurde, neigt tendenziell zu weniger Körperfett und einer schmaleren Taille.

Foto von Henrik Lagercrantz / Unsplash

Ob ein Mensch zu Übergewicht neigt, ist nicht nur von seinen Genen abhängig. Forschende der University of Tokyo haben herausgefunden, dass sich bereits viel früher entscheidet, welche Körperform ein Mensch einmal haben wird. Denn ihrer Studie zufolge, die in der Zeitschrift Nature Metabolism erschienen ist, prägt schon der Zeitpunkt der Zeugung den Stoffwechsel. Menschen, die in der kalten Jahreszeit gezeugt wurden, sind tendenziell schlanker als Menschen, die in der wärmeren Jahreshälfte gezeugt wurden. Dabei spielen meteorologische Faktoren eine Rolle. 

Weniger Körperfett, schmalere Taille, höhere Fettzellaktivität

Ausschlaggebend für das Phänomen ist laut den Forschenden die Aktivität der braunen Fettzellen. Das braune Fettgewebe (BAT) ist eine besondere Form von Körperfett. Anders als sogenanntes weißes Fett, das Energie speichert, wird BAT durch Kälte aktiviert und produziert Wärme. Bei diesem Prozess werden automatisch Kalorien verbrannt. Wie aktiv die braunen Fettzellen sind, unterscheidet sich jedoch von Person zu Person. Wer eine hohe BAT-Aktivität aufweist, hat eine geringere Neigung zu Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen. 

Um herauszufinden, welchen Einfluss Umweltbedingungen schon vor der Geburt auf die spätere Aktivität brauner Fettzellen haben, untersuchte das japanische Forschungsteam 356 junge Männer aus Japan. Diese wurden in eine Kalt- und eine Warmgruppe aufgeteilt: Probanden der Kaltgruppe wurden zwischen dem 17. Oktober und dem 15. April eines Jahres gezeugt, Probanden der Warmgruppe hingegen zwischen dem 16. April und dem 16. Oktober. Teilnehmer beide Gruppen wurden zwei Stunden lang Temperaturen von 19 Grad Celsius ausgesetzt. Im Anschluss maß das Studienteam mithilfe von Positronenemissionstomografie (PET) und Computertomografie (CT) die BAT-Aktivität der einzelnen Probanden. 

Dabei zeigte sich, dass die kühlen Temperaturen bei Männern aus der Kaltgruppe eine höhere BAT-Aktivität auslösten als bei Männern aus der Warmgruppe. 

Ein Forscher im Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin wendet im Mai 2018 die CRISPR/Cas9-Methode an.

Ein zweites Experiment mit 300 anderen Proband*innen – Männern und Frauen zwischen 20 und 78 Jahren – zeigte ähnliche Ergebnisse. Auch hier war die Aktivität der braunen Fettzellen bei denen höher, die in der kalten Jahreshälfte gezeugt worden waren. Diese Personen hatten außerdem einen geringeren Körperfettanteil, einen kleineren BMI, weniger viszerales Fett – das Fett, das sich um die Bauchorgane anlagert – sowie eine schmalere Taille. 

Der Termin der Geburt hatte weder bei der ersten noch bei der zweiten Versuchsgruppe einen Einfluss auf die Fettzellaktivität. 

Welche meteorologischen Faktoren beeinflussen die BAT-Aktivität?

Durch einen Abgleich mit Wetterdaten am Wohnort der Eltern erkannten die Forschenden: Niedrige Außentemperaturen und große Temperaturschwankungen zum Zeitpunkt der Zeugung sind essentiell für eine hohe BAT-Aktivität. Keine Rolle spielten dagegen die Luftfeuchtigkeit, die Anzahl der Sonnenstunden oder die Tageslänge. Auch die Temperatur während der Schwangerschaft hatte keinen Einfluss auf die Fettzellaktivität. 

Auslöser sind laut der Studie die Väter: Die jahreszeitliche Außentemperatur beeinflusse das Epigenom der Spermien. Epigenetische Veränderungen sind reversible chemische Veränderungen der DNA, die beeinflussen können, welche Gene zum Ausdruck kommen und welche nicht. Bei Menschen, die in der kalten Jahreszeit gezeugt wurden, prägt sich also, wie die Studie zeigt, eher der Stoffwechseltyp mit hoher BAT-Aktivität aus. 

Wärmeproduzierender Stoffwechseltyp könnte aussterben

BELIEBT

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    “Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die globale Erwärmung das Risiko für Übergewicht erhöhen könnte.”

    von Professor Hisashi Nakamura
    University of Tokyo

    ‚Wärmeproduzierende Stoffwechseltypen‘ mit hoher BAT-Aktivität könnten dem Forschungsteam zufolge eine evolutionäre Anpassung an kalte Lebensräume gewesen sein – mit dem Zweck, Nachkommen bessere Überlebenschancen zu sichern. Heute wirkt die Fettzellaktivität eher als Schutz vor Fettleibigkeit oder Krankheiten. Der Klimawandel und damit einhergehende höhere Temperaturen könnten allerdings dazu führen, dass der Stoffwechseltyp künftig nicht mehr weitergegeben wird. 

    „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die globale Erwärmung das Risiko für Übergewicht erhöhen könnte“, sagt Studienautor Professor Hisashi Nakamura von der University of Tokyo. Die Forschenden schlagen deshalb vor, nach Möglichkeiten zur gezielten Reaktivierung dieses speziellen Stoffwechseltyps zu forschen. Dies könnte neue Wege zur Prävention von Adipositas und Zivilisationskrankheiten eröffnen. 

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