Das Geschlecht des Babys beeinflussen: Studie stellt neue, treffsichere Methode vor

Wird es ein Mädchen oder ein Junge? Egal, welche Tricks zum Einsatz kommen: Am Ende entscheidet bei der Zeugung der Zufall. Jetzt gibt es eine neue, einfache und vor allem sichere Form der Geschlechtsselektion – allerdings nicht auf natürlichem Wege.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 27. Apr. 2023, 08:47 MESZ
Zwei Babies liegen nebeneinander in Betten.

Wunschkind mit Wunschgeschlecht? Für die meisten Eltern spielt es keine Rolle, ob ihr Baby ein Mädchen oder ein Junge ist. Denjenigen, die eine Präferenz haben, könnte eine neue Methode helfen, die amerikanische Forschende entwickelt haben.

Foto von Midkhat Izmaylov / adobe Stock

Hauptsache gesund – das ist der Leitsatz aller Eltern, die ein Kind erwarten oder sich eines wünschen. Bei vielen schwingt aber insgeheim oder ganz offen noch eine andere Hoffnung mit: dass das Kind ein bestimmtes Geschlecht hat.

Forschende des Weill Medicine College der Cornell University in New York könnten helfen. Sie haben in einer klinischen Studie, deren Ergebnisse in der Zeitschrift PLOS ONE erschienen sind, eine neue Methode für die Geschlechtselektion von Spermien entwickelt, die ihnen zufolge nicht nur sicherer als bisherige Techniken ist, sondern auch besonders treffsicher.  

Männlich oder weiblich? Die Spermien entscheiden

Versuche, auf das Geschlecht des Nachwuchses Einfluss zu nehmen, haben eine lange Geschichte: Im Frankreich der Neuzeit wurde zum Beispiel Männern, die einen Sohn zeugen wollten, empfohlen, sich während des Geschlechtsakts den linken Hoden abzubinden. Heute drehen angehende Eltern an Stellschrauben wie dem Gewicht, der Ernährungsweise, der Scheidenflora und dem Alltagsstress der Mutter sowie der Sexstellung oder dem Zeugungszeitpunkt. Doch keine dieser Methoden führt zuverlässig zum Ziel.

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Die in den Siebzigerjahren aufkommende In-vitro-Fertilisation (IVF) ermöglichte es, in den bisher natürlichen Lauf der Dinge einzugreifen. In den folgenden Jahrzehnten wurden verschiedene Techniken zur künstlichen Geschlechtsselektion entwickelt. Diese sind jedoch zeitaufwendig, teuer und der Erfolg der Ergebnisse nicht garantiert. Außerdem besteht das Risiko, dass es bei der für sie nötigen, physikalischen Spermaaufbereitung zu einer Schädigung der DNA kommt.

Ob im Mutterleib ein Junge oder ein Mädchen heranwächst, entscheidet sich im Moment der Zeugung. Bestimmend ist, welches Chromosom das Spermium, das die mütterliche Eizelle befruchtet, im Zellkern trägt: Ist es ein X-Chromosom, ist der Embryo weiblich, bei einem Y-Chromosom männlich. Spermien mit Y-Chromosom sind bekanntermaßen etwas leichter als solche mit X-Chromosom.

Einfaches Konzept mit großem Erfolg

Genau diesen Gewichtsunterschied macht sich die neue Methode zunutze, für die das Ejakulat in ein mehrschichtiges, flüssiges Medium gegeben wird. Weil die Schichten unterschiedliche Dichten haben, trennen sich die leichteren „männlichen“ von den schwereren „weiblichen“ Zellen, ohne dass es eines weiteren Eingreifens bedarf. „Es ist ein sehr einfaches Konzept“, sagt Studienautor Gianpiero Palermo, Embryologe am Weill Medicine College. „Die leichteren Spermien sammeln sich oben, die schwereren sinken nach unten.“

Nachdem die Samenzellen auf diese Weise sortiert wurden, injizierten die Forschenden sie mithilfe der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) direkt in die Eizelle. In der New Yorker Kinderwunschklinik, in der die Studie zwischen 2016 und 2020 durchgeführt wurde, fanden sich in diesem Zeitraum insgesamt 1.317 Paare ein, die sich für das In-vitro-Verfahren eigneten. 105 von ihnen hatten bezüglich des Geschlechts ihres Kindes genaue Vorstellungen – in diesen Fällen kam mit ihrer Einwilligung die neue Methode zum Einsatz. Paare, denen das Geschlecht ihres Kindes egal war, bildeten die Kontrollgruppe.

Bevor sie den Müttern eingepflanzt wurden, unterzogen die Forschenden die künstlich gezeugten Embryonen genetischen Tests, um Chromosomenanomalien und das Geschlecht festzustellen. In der Kontrollgruppe, in der das Geschlecht dem Zufall überlassen wurde, waren 45,3 Prozent der Embryonen weiblich und 54,7 Prozent männlich. Bei den Paaren, bei denen die neue Methode angewandt wurde, war sie überwältigend erfolgreich: 59 von ihnen hatten sich eine Tochter gewünscht, was in 79 Prozent der Fälle erreicht wurde. 46 Paare wollten einen Sohn – das klappte in 80 Prozent der Fälle.

BELIEBT

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    Die Kinder, die im Rahmen der Studie gezeugt wurden, sind heute drei Jahre oder älter. Bisher wurde bei keinem eine Entwicklungsverzögerung festgestellt. „Die Kinder sind völlig gesund“, sagt Palermo. „Das ist alles sehr beruhigend.“

    Ethisch fragwürdig?

    Die Studienautoren räumen ein, dass es ethisch durchaus diskussionswürdig sei, einen Wunsch bezüglich des Kindsgeschlechts zu haben – und diesen durch Manipulation umzusetzen. „Obwohl eine Präferenz für Nachkommen eines bestimmten Geschlechts weit verbreitet ist, kann die Embryonenselektion ethische Bedenken aufwerfen“, heißt es in der Studie. 

    Doch die Forschenden geben auch zu bedenken, dass viele Paare legitime Gründe haben, sich für das eine und gegen das andere Geschlecht zu entscheiden – etwa, wenn in der Familie geschlechtsgebundene Erbkrankheiten wie zum Beispiel Hämophilie existieren, die hauptsächlich Männer betrifft. Zudem ist es längst so, dass das Geschlecht ihres zukünftigen Kindes für Paare, die sich einer Fruchtbarkeitsbehandlung unterziehen, oft schon vor der Einpflanzung des Embryos kein Geheimnis mehr ist, so Palermo.

    Die neue Methode könne nicht zu hundert Prozent gewährleisten, dass der Nachwuchs das Wunschgeschlecht hat. Sie sei jedoch günstiger, einfacher und sicherer als alle bisherigen und könnte auch auf Paare angewandt werden, die keine Fruchtbarkeitsbehandlung benötigen.

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