Imagewandel für Haie: Liebeserklärung eines Fotografen
Jedes Jahr werden mehr als 100 Millionen Haie getötet. Brian Skerry scheut keine noch so großen Mühen, um uns zu zeigen, wie wichtig die Tiere für den Planeten sind – und wie schön.
Wer Tiere im Meer fotografieren will, muss mit einer Menge Herausforderungen zurechtkommen, die Fotografen an Land meist nicht belasten. Unter Wasser kann man keine Teleobjektive benutzen, um Tiere in weiter Entfernung abzulichten. Selbst im klarsten Wasser ist die Sichtbarkeit begrenzt. Außerdem fungiert das Wasser wie ein gigantischer Filter, der Farben schluckt und das Licht streut.
Ich kann nicht wochenlang in einem abgetarnten Versteck sitzen und darauf warten, dass mir ein scheues Tier vor das Objektiv wandert. Auch so wundervolle Werkzeuge wie Kamerafallen kann ich nicht einsetzen. Stattdessen tauche ich ins Wasser ab, wo ich nur so lange bleibe, wie es mir der Sauerstoffvorrat auf meinem Rücken erlaubt – oft nicht mal eine Stunde. Ich muss nah an meine Subjekte heran, meist auf ein paar Meter.
Wenn man sich vorstellt, dass dieses Subjekt ein Spitzenräuber ist, wird diese Vorstellung gleich viel einschüchternder.
Aber während es verrückt wäre, mit einer Kamera so nah an einen Grizzlybären oder einen Löwen heranzugehen, habe ich das bei Haien zahllose Male getan. Und meiner Erfahrung nach sind die meisten Haie dabei recht schüchtern und vorsichtig. Es ist schwierig, einen direkt vor die Linse zu kriegen, und meist schwimmen sie eher vor mir weg als auf mich zu. Im Vergleich zu Landraubtieren wirken Haie fast schon … höflich.
Natürlich vermeide ich nach Möglichkeit viele Risiken und treffe Vorkehrungen, damit ich die besten Chancen habe, qualitativ hochwertige Bilder zu produzieren, ohne mich dabei in Gefahr zu begeben.
Bei der Arbeit mit bestimmten Haiarten sehe ich wie ein mittelalterlicher Ritter aus in meinem Kettenanzug, der mich vor Haibissen schützen soll. Bisher habe ich ihn zwar nie gebraucht, aber er gibt mir die nötige Ruhe, damit ich mich aufs Fotografieren konzentrieren kann. Außerdem habe ich mir eine Kamera mit Fernauslöser gebaut, die ich an einer langen Stange befestigt habe. So kann ich die Haie unter Wasser auch von einem Boot aus fotografieren. An manchen Orten, an denen es viele aggressive Haiarten gibt – beispielsweise Südaustralien –, sind auch Tauchkäfige ein gutes Mittel. Aber auch das hat Nachteile: Viele Haiarten nähern sich einem Käfig nicht, und wenn doch, sind die Möglichkeiten des Fotografen hinsichtlich der Bildkomposition begrenzt.
Aber um die Weißen Haie im Meer vor Cape Cod in Massachusetts zu fotografieren, musste ich mir etwas völlig Anderes einfallen lassen.
Die großen Fische kommen seit 2009 in immer größerer Zahl nach Cape Cod, wo sie im Sommer Jagd auf die wachsende Robbenpopulation Jagd machen. Die Kegelrobben wurden in der Region schon im 17. Jahrhundert von Robbenjägern ausgerottet. Seit dem Erlass des Marine Mammal Protection Act 1972 haben sich die Tiere aber wieder dort angesiedelt.
Die Haie vor Cape Cod sind an Menschen nicht gewöhnt und scheinen sich selbst dann nicht für Boote zu interessieren, wenn Fleischköder ins Wasser gelassen werden. Außerdem ist die Sichtbarkeit eher schlecht – das Wasser ist zumeist grünlich und trüb.
Wie sollte ich unter diesen Bedingungen ein gutes Foto eines Hais machen?
Nachdem ich eine Reihe von Techniken durchprobiert hatte, platzierte ich schließlich eine Kamera in einer Robbenattrappe. Dabei gab es vieles zu beachten: Ich musste die beste Position für die Kamera finden, weil ich sie später nicht würde bewegen können. Außerdem brauchte ich eine Echtzeit-Videoübertragung, um zu sehen, wann sich ein Hai näherte und ich den Auslöser drücken muss. Außerdem sollte sich der Hai für die Attrappe interessieren – aber nicht so sehr, dass er hineinbiss und mein Equipment zerstörte.
Zusammen mit einem talentierten Team von Assistenten und Forschern bauten wir das passende Setup, fanden die Haie und schossen eine Reihe von brauchbaren Bildern.
Für den Künstler in mir sind Haie ein endloser Quell der Inspiration – eine Kombination aus Eleganz und Kraft, die mich jedes Mal wieder ins Meer lockt in der Hoffnung, ihre Essenz in meiner Darstellung einfangen zu können. Als Journalist bin ich dabei aber auch von dem Gefühl der Verantwortung getrieben. Ich will aufzeigen, dass diese Tiere in Not sind und unsere Hilfe brauchen.
Was am Ende bleibt, ist eine Fotografie, die einen Blick in eine Welt dieser komplexen, missverstandenen Tiere bietet, die für die Gesundheit unseres Planeten sehr wichtig sind. Und die Hoffnung, dass die Leser die Haie dadurch schätzen lernen und sich von ihrem Schicksal berühren lassen.
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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