Das Geheimnis der verschwundenen Dörfer im Harz

Im Unterharz liegen dutzende Dörfer aus dem Mittelalter unter der Erde begraben. Bei Harzgerode wird nun die Geschichte eines solchen Dorfes aufgerollt.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 7. Okt. 2022, 08:42 MESZ
Ein kleiner Waldweg im Harz.

Versteckt im Boden: Im Harz gibt es fast 200 verlassene Dörfer, die Archäologen durch Funde verschiedener Keramikreste nachweisen konnten.

Foto von Sven Lachmann / Pixabay

Die Besiedlung des Unterharzgebiets durch Rodung und Brandrodung hatte seine Hochzeit im Früh- und Hochmittelalter. Doch etliche der Dörfer dort wurden nur zwei bis drei Jahrhunderte nach ihrem Bau leer zurückgelassen und die Siedlungen fielen wüst. Im Harz gibt es nach bisherigen Schätzungen fast 200 solcher verlassenen Dörfer, die vor allem durch gefundene Keramiküberreste oder Laserscans des Erdbodens entdeckt wurden. Doch warum verließen die Menschen ihre Dörfer – und warum gibt es so viele der sogenannten Wüstungen?

Forschende des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und der Georg-August-Universität Göttingen wollen diesem mittelalterlichen Phänomen nun auf den Grund gehen – anhand eines im 16. Jahrhundert wüst gefallenen Reihendorfs bei Harzgerode. So wollen sie die mittelalterliche Besiedlungsgeschichte des Unterharzes untersuchen und die landwirtschaftliche Vernetzung der Dörfer nachvollziehen.

Das Dorf bei Harzgerode

Auf das Dorf, das nun im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen soll, stießen Archäologen und Archäologinnen erstmals in den 1950er-Jahren. Seither wurden laut einer Pressemitteilung von Anna Lux vom LDA und Felix Rösch von der Universität Göttingen „über 100 Scherben hoch- und spätmittelalterlicher Keramik, Dachziegel- und Dachschieferfragmente sowie einige Metallobjekte und Brandlehm geborgen“. Bei aktuellen archäologischen Voruntersuchungen förderten die Forschenden außerdem über 400 weitere Einzelfunde zutage. „Neben der typischen Siedlungskeramik des 13. und 14. Jahrhunderts auch zahlreiche Objekte aus herrschaftlichem Kontext“, heißt es in der Pressemitteilung.

Bei diesen Voruntersuchungen konnten die Archäologen bereits „Wall- und Hausstrukturen sowie Grundstücksgrenzen“ mit einzelnen Parzellierungen und einen kleinen Ringwall, der etwa 50 mal 40 Meter misst, verifizieren. Historisch wird die Wüstung bislang mit einem mittelalterlichen Dorf in Verbindung gebracht, das ab 1216 schriftlich überliefert ist und vermutlich zwischen 1488 und 1562 verlassen wurde.

Links: Oben:

Diese etwa 700 jähre alte Sichel ist nur einer der über 400 Gegenstände, die am Grabungsort bereits gefunden wurden.

Rechts: Unten:

An diesem Ort verbirgt sich der Wall und ein Graben, die einst zu der mittelalterlichen Siedlung gehörten.

bilder von © LDA Sachsen-Anhalt, A. Swieder

Mittelalterliche Siedlungsgeschichte im Unterharz

Erste Hinweise, wie das Leben im Dorf ausgesehen haben könnte, bieten neben bereits gefundenen Münzen vor allem Hufeisen unterschiedlicher Macharten. Diese lassen auf eine Nutzung des Standortes schließen, die über die Siedlungsgrenzen des Dorfes hinausging. Wüst fiel das Dorf wohl im Zuge einer Welle des Dorf-Verlassens, die im 15. und 16. Jahrhundert eine Vielzahl der Siedlungen im Unterharz betraf. Etwa 300 Jahre zuvor hatte es eine erste Welle gegeben, in der bereits eine Vielzahl der Siedlungen verlassen worden waren.

Gründe vermuten die Forschende vermuten vor allem in Konflikten und Seuchen wie der Pest. Aber auch Klimaveränderungen sind als Ursache möglich. Im Fall der Siedlung bei Harzgerode könnte diese Frage durch die nun anstehenden Untersuchungen vielleicht bald beantwortet werden.

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