Deutsches Militärlazarett aus dem 19. Jahrhundert ausgegraben

Archäologen haben in Paderborn die Überreste eines alten Lazaretts ausgegraben. Für Soldaten stellte das Gebäude einen hygienischen Fortschritt dar – bis es im Zweiten Weltkrieg einer Bombe zum Opfer fiel.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 22. Sept. 2022, 08:54 MESZ
Karte des Standortlazaretts Paderborn aus dem Jahr 1929.

Karte des Standortlazaretts Paderborn aus dem Jahr 1929: Wie viele Garnisonsstädte hatte auch Paderborn eine ausgebaute militärische Infrastruktur. Im Rahmen einer aktuellen Ausgrabung wurden nun die Überreste des Standortlazaretts Paderborn freigelegt.

Foto von Stadt- und Kreisarchiv Paderborn, S – M1, AK-Nr. 9429 / Walter Müller

Im 18. und 19. Jahrhundert war die Versorgung der Soldaten in Deutschland weit entfernt von heutigen Medizin- und Hygienestandards. Ausbrüche von Krankheiten wie Typhus oder Cholera sowie Überbelegung machten den Spitälern und Lazaretten zu schaffen. Ab 1813 hatte auch die Stadt Paderborn mit der Versorgung von Soldaten zu kämpfen, nachdem sie in jenem Jahr zur preußischen Garnison erklärt wurden – zu einem Standort, an dem militärische Ausrüstung und Soldaten untergebracht sind.

Nun berichtet der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) vom Fund eines alten Militärlazaretts, das im Laufe des 19. Jahrhunderts in Paderborn erbaut wurde, um verwundete und kranke Soldaten unterzubringen – und im März 1945 schließlich durch Bombardements zerstört wurde. Der Fund belegt die damaligen Versuche, die hygienischen Umstände der Soldaten zu verbessern und bildet ein Puzzleteil in der Geschichte der ehemaligen Garnisonsstadt.

Ein Teil der neuzeitlichen Mauer, die damals zum Fundament des Militärlazaretts gehörte.

Foto von LWL

Alte Mauern mit Geschichte

Entdeckt wurden die Überreste des Militärlazaretts bei Bauarbeiten im Rahmen der Erweiterung des Bildungscampus des St. Johannisstifts. Beim Aufreißen eines Parkplatzes offenbarten sich nach und nach Teile des Fundaments des ehemaligen Lazaretts, darunter ein Stück Mauer, das teilweise noch eine Höhe von etwa einem Meter aufweist. Die gefundenen Überreste verglichen die hinzugezogenen Archäologinnen und Archäologen schließlich mit Archivalien. Laut dem Archäologen Robert Süße konnten die Überreste so einem dreiflügeligen Lazarettbau aus den Jahren 1868 und 1869 zugeordnet werden. In Stadtplänen erscheint das Gebäude erstmals 1877.

Der Bau diente damals vor allem der Verbesserung der hygienischen Versorgung der Soldaten. „Seit den 1820er-Jahren wurden verwundete Soldaten im sogenannten Pesthaus – ursprünglich klösterlicher Wirtschaftsbau, danach fürstbischöfliche Kornmühle – an der Spitalmauer behandelt“, so Süße. Der Bau des nun aufgetauchten Militärlazaretts habe die Situation der Kranken und Verwundeten verbessert. „Der Neubau gestattete eine medizinische Versorgung der Soldaten außerhalb des baulich bereits stark verdichteten mittelalterlichen Altstadtringes.“ Verschont von Krankheitsausbrüchen, vor allem hervorgerufen durch die unzureichende innerstädtische Versorgung, blieben die Soldaten jedoch auch in dieser Unterkunft nicht.

Zerstört wurde das Militärlazarett schließlich während des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945. Bis 1960 stand es als Ruine leer – dann wurde der Parkplatz gebaut, unter dem die Überreste des Lazaretts nun wieder zum Vorschein kamen.

BELIEBT

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    Baugeschichte der Neuzeit

    Laut Süße kann die Entstehungs- und Baugeschichte des Lazaretts beispielsweise aus Grundrisszeichnungen nach dem Umbau um 1902/1903 sowie aus Fotografien und Zeichnungen des frühen 20. Jahrhunderts nachvollzogen werden. Anhand archäologischer Untersuchungen aus den Jahren 2018 und 2021 konnten ganz in der Nähe des Militärlazaretts zusätzlich Überreste von neun kaiserzeitlichen Baubaracken gefunden werden. „Vorbehaltlich einer eingehenderen militärgeschichtlichen Untersuchung deutet dies darauf hin, dass die Soldaten selbst bei der Errichtung der dringend benötigten militärischen Infrastruktur mithalfen“, sagt er.

    Auch um solche Entstehungsgeschichten konkret nachvollziehen zu können, ist die archäologische Dokumentation neuzeitlicher Funde laut Sveva Gai, der Stadt-Archäologin von Paderborn, besonders wichtig. „Die ehemaligen Grundrisse von heute nicht mehr existierenden Bauten sind entweder gar nicht oder nur zufällig und damit unzureichend in Plänen festgehalten“, sagt sie. Genaue Daten oder Maße würden oftmals fehlen und bei Ausgrabungen wie der aktuellen dann nachgetragen werden können. 

    Weitere Untersuchungen, auch unterhalb des Fundaments des Lazaretts, wo zusätzlich noch Überreste eines mittelalterlichen Hofs gefunden wurden, sollen nun die Baugeschichte des historischen Ortes vervollständigen.

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