Das Streben nach allem, das Geld kaufen kann

Reich, arm und alles dazwischen. Lauren Greenfield fängt das diffuse und ewig unerfüllte Verlangen ein, mehr haben zu wollen.

Von Daniel Stone
bilder von Lauren Greenfield
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:32 MEZ
Hochzeit
Christina, 21, ist eine pharmazeutisch-technische Assistentin bei Walmart. Sie ist auf dem Weg zu ihrer Hochzeit und fährt dabei in Cinderellas gläserner Kutsche, die von vier weißen Ponys gezogen und von einem Kutscher mit Perücke gelenkt wird. Walt Disney World, Orlando, Florida, 2013
Foto von Lauren Greenfield, Institute

Man sagt, wer in LA groß wird, wird schnell groß. Das stimmte in den 90ern, als Lauren Greenfield damit begann, mithilfe ihrer Kamera das Konzept des Reichtums zu erfassen. Für so ein Unterfangen gab es keinen besseren Ort als Los Angeles – eine Industriestadt, in der man seit Langem entsprechend aussehen und auftreten musste, um dazuzugehören. Greenfield richtete ihre Linse auf Kinder, Erwachsene und überhaupt jeden, der mehr zu wollen schien, als er hatte – was, wie sich herausstellte, jeder war. Sehr wenige Menschen schienen zufrieden.

Aber die 90er waren eine andere Zeit. Los Angeles heutzutage als außergewöhnlich imagebewusst zu betrachten, wäre bizarr. Wir leben in einer Ära, in der Image überall und zu jeder Zeit eine Rolle spielt, in der Fotos von ausgefallenen Urlaubsreisen und gut gekleideten Babys in Sekundenschnelle in die Welt geschickt werden können. Wenn man sich selbst mit seinen Nachbarn vergleichen will in einer Zeit, in der die eigenen Nachbarn praktisch jeder auf der Welt ist, scheint der globale Anspruch nachvollziehbar, mit den Kardashians mithalten zu wollen.

Es gibt kaum jemanden, der die Bedeutung des Reichtums im 21. Jahrhundert besser erklären kann als Greenfield; den Stress und die Leere, die das Streben danach mit sich bringen kann. Es gibt auch Anzeichen, dass Geld echten Komfort bringen kann – ein gutes Leben: Golfnachmittage, exotische Reisen. Aber wahre Freude ist nicht den Reichen vorbehalten, denn sie neigen ebenso zu Unzufriedenheit. Wenn man Geld hat, zieht das nicht selten auch den Wunsch nach sich, noch mehr davon zu haben.

Wenn Reichtum die Geschichte von Ambition verkörpert, dann tut das auch Greenfields neues Buch, „Generation Wealth“, welches drei Dekaden von Sehnsucht, Luxus und Überfluss abdeckt. Es sind gut und gern die drei erschütterndsten Dekaden in Hinblick auf die Trends des Reichtums: Wachsende Ungleichheit, zunehmende Globalisierung und die fieberhafte Nutzung von Social Media verändern, wie Leute sich selbst und ihre Nachbarn wahrnehmen. Greenfield verurteilt die wenig schmeichelhaften Auswirkungen dieser Veränderungen nicht, aber sie hinterfragt sie. Auf einem Bild einer 12-jährigen, die sich gerade von einer Schönheitsoperation an ihrer Nase erholt, befragt Greenfield nicht das Mädchen, sondern hinterfragt ihre Umstände. „Ich habe einen kritischen Blick auf eine Kultur geworfen, die dafür sorgt, dass sich 12-jährige ihres eigenen Aussehens so bewusst sind, dass sie dafür finanzielle und körperliche Opfer bringen“, sagt sie.

Die Frage, ob es etwas gibt, das Geld nicht kaufen kann, hatte schon immer eine offensichtliche Antwort: Gemeinschaft, Gesundheit, Freude. In Greenfields Film „The Queen of Versailles“ von 2012 witzelt der Milliardär und Villenbauer David Siegel, dass es einen nicht glücklich macht, reich zu sein – es gibt einem nur die Möglichkeit, in einem hübscheren Stadtteil unglücklich zu sein.

Es gibt aber auch Anzeichen dafür, dass sich Menschen ändern können und das Streben nach Reichtum seine Grenzen kennt. Nach dem Finanz-Crash 2008 beobachtete Greenfield, wie Island – dessen aufgepumpter Bankensektor das Land quasi in Schutt und Asche gelegt hat – eine Kehrtwende machte und sich wieder auf seine heimischen Industrien besann: Fischerei und Textilien. Man glaubte, dass ein Land, das mit seinem ganz normalen Selbst zufrieden war, Touristen anziehen würde (und das tat es auch).

Ob die USA dieselbe Fähigkeit haben, sich zu wandeln und ihre Auffassung von Erfolg zu ändern, ist eine Frage für Ökonomen. Aber die Antwort lautet: vermutlich nicht. Eine Kultur und eine Wirtschaft, die auf Wachstum aufbauen, lassen nicht viel Raum für Zufriedenheit. Es gibt immer noch mehr, das man haben könnte.

Man kann einen Großteil von Lauren Greenfields Arbeit auf der Institute Website ansehen.

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