Kulturtausch: Cowboys in Schweden, Bayern in den USA

Von einem Wild-West-Themenpark in Schweden bis zum Oktoberfest in den Staaten feiern etliche Länder fremde Kulturen.

Von Becky Harlan
bilder von Naomi Harris
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:45 MEZ

Bauchtaschen, Kameras und Karten – Touristen scheinen über viele Länder hinweg ihre ganz eigene universelle Kultur zu haben, an deren äußeren Merkmalen man sie oft sofort erkennen kann. Aber wie sieht es aus, wenn neugierige Menschen fremde Kulturen in ihr eigenes Land bringen, anstatt durch die Welt zu reisen? Die Fotografin Naomi Harris ist über eben jenes sonderbare Phänomen gestoßen. Spoilerwarnung: Lederhosen-Shirts und Waschbärmützen.

Im Januar 2008 arbeitete Harris an einem Artikel über die Berge in Georgia, als man ihr nahelegte, die nicht weit entfernte Stadt Helen zu besuchen. Niemand nannte ihr dafür einen Grund, aber als sie ankam, war der ganz offensichtlich. „Als ich dort hinkam, entdeckte ich ein idyllisches kleines Dörfchen mit Fachwerkhäusern, das an Bayern erinnerte. Aber in den Souvenirläden konnte man T-Shirts mit der Konföderierten-Flagge und dem Aufdruck ‚It‘s a southern thing‘ (dt. Das ist ein Südstaaten-Ding) kaufen.“ Diese merkwürdige Begegnung war der Anlass für Harris‘ nächstes Projekt, das für sie schließlich zu einem dauerhaften Faible wurde.

„Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Wenn es diese Stadt gab, wie viele andere gab es dann noch in den USA? Und wenn wir schon dabei sind, gab es auch Orte in Europa, die Amerika nachahmten? Nach ein paar Stunden auf Google begriff ich: ‚Tadaa! Ich habe ein Projekt!‘“

Noch im selben Sommer trat sie ihre erste Reise über den Atlantik nach Schweden an, wo sie einen Wild-West-Themenpark fotografierte. „Ich habe entdeckt, dass die Europäer ganz verrückt nach der Kultur der amerikanischen Ureinwohner und den Pelzhändlern und dem amerikanischen Bürgerkrieg sind. Ich hätte nie erwartet, dass es an dieser Periode der amerikanischen Geschichte so ein Interesse gibt.“

Seitdem hat Harris von Kalifornien bis nach Tschechien zahlreiche Länder und Gegenden besucht und diese Parks fotografiert. Obwohl der Gedanke hinter den Parks in den USA und Europa identisch ist – nämlich die Kultur und Geschichte eines fremden Landes zu simulieren –, sind die Ausprägungen sehr unterschiedlich. „In Amerika sind [die Parks] eher in Städten, deren Einwohner Nachfahren der Einwanderer aus bestimmten Gebieten sind, wie die Niederländer, die nach Orange City, Iowa oder Holland in Michigan gezogen sind. Sie feiern ihre Kultur während Veranstaltungen wie dem Tulip Fest oder dem Oktoberfest. In Europa wirken sie auf mich eher wie Familienurlaubsziele und scheinen sich nicht so sehr auf die kulturelle Identität zu konzentrieren. Es gibt ganze Vergnügungsparks, die sich dem Leben zur Zeit der Pioniere verschrieben haben, inklusive Wild West Shows und Duellen. Es gibt auch ein paar Themenparks, wie Sioux City, die ursprünglich als Sets für Filme gebaut wurden, als in den 60ern und 70ern Spaghettiwestern beliebt waren.“

Viele der Besucher waren nie an den Orten, die in den Parks oder Städten nachgeahmt werden. „Oft sind es wenige bis keine. Ich war wirklich erstaunt, wie viele Menschen noch nie in Amerika gewesen sind, dort keine Familie hatten und noch nicht einmal die Sprache sprachen, aber zum Beispiel alles über den Bürgerkrieg wussten. Das gleiche gilt auch für Amerikaner“, sagt Harris.

Einige der heutigen Parks, so erzählt sie, „haben schon bessere Tage gesehen, [sie] haben sehr veraltete Fahrgeschäfte und sind für die heutigen Gäste vielleicht ein bisschen zahm. Andere wurden modernisiert und ziehen auch weiterhin Besucher an.“ Sie fragt sich, ob diese Parks auch in Zukunft das Interesse der folgenden Generationen wecken können, ist aber optimistisch.

„In einer Zeit, in der unsere Gesellschaften durch leichtere Reisemöglichkeiten und einfacheren Zugang zu Informationen homogener werden, finde ich es erstaunlich, dass sich die Leute noch für diese vergangenen Tage interessieren. Aber vielleicht ist das der Grund, weshalb wir an der Vergangenheit interessiert sind und eine Notwendigkeit verspüren, sie zu erhalten. Diese Orte haben so ein fantastisches Flair an sich, eine mythologische Atmosphäre, die nicht immer in der Realität verwurzelt ist. Das ist meiner Meinung nach das Besondere daran – dass die Darstellung nicht zu hundert Prozent korrekt sein muss. Unsere Neugier auf das Fremde ist ja der Grund dafür, dass es diese Orte überhaupt gibt.“

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