In Transsylvanien tobt ein Kampf um Gold und römische Geschichte

Die Region Roșia Montană sollte eigentlich Welterbe werden. Nun könnte dort ein Tagebau entstehen.

Von Douglas Main
Veröffentlicht am 23. Juli 2018, 16:04 MESZ
In der transsylvanischen Region Roșia Montană schlummern unter der Erde zahlreiche einzigartige archäologische Stätten. Das kanadische ...
In der transsylvanischen Region Roșia Montană schlummern unter der Erde zahlreiche einzigartige archäologische Stätten. Das kanadische Unternehmen Gabriel Resources will dort Gold und Silber abbauen (Bild: ehemaliger Tagebau).
Foto von David Vogt, Visum, via Redux

In den Bergen Transsylvaniens lauern vielleicht keine Vampire, dafür verbergen sich dort große Goldvorkommen, die nicht nur ungewollte Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sondern auch Gegenstand eines erbitterten Streits sind, der sich einfach nicht beilegen lässt. Der Mittelpunkt des Konflikts ist der Plan eines ausländischen Unternehmens, an einer historischen Stätte namens Roșia Montană den größten Goldtagebau Europas zu errichten.

Schon seit mehr als 2.000 Jahren graben Menschen im malerischen Apuseni-Gebirge mit seinen Wäldern und Schlössern nach Gold und Silber. In Roșia Montană befinden sich die größten und wichtigsten erhaltenen Stollen aus der Römerzeit – inklusive Raritäten wie Schreibtafeln und Wasserrädern, die einst den Wasserfluss in den unterirdischen Galerien regulierten, erklärt Andrew Wilson. Der Oxford-Professor für Archäologie schrieb an einer Studie über die Funde in der Region mit. Bewaldete Berggipfel, uralte Gräber, Kirchen und andere archäologische Stätten machen die Gemeinde zu einem wahren Schatz der Natur und Geschichte.

Umso überraschender wirkt daher der Beschluss der rumänischen Regierung, die Bewerbung der Region als UNESCO-Welterbestätte temporär auf Eis zu legen.

Der Kernpunkt der Debatte ist ein Streit mit dem Bergbauunternehmen, welches die Vorkommen erschließen will. Nach Massenprotesten, die 2013 begannen, entschied sich die Regierung Rumäniens dagegen, dem kanadischen Unternehmen Gabriel Resources Genehmigungen für den Bau des Tagebaus zu erteilen. Darüber hinaus wurde Roșia Montană durch diverse Maßnahmen unter rechtlichen Schutz gestellt. Als Reaktion darauf verklagte das Unternehmen das Land vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) – einer Unterorganisation der Weltbank – auf 4,4 Milliarden Dollar Schadensersatz. Diese gewaltige Summe entspricht mehr als zwei Prozent des rumänischen Bruttoinlandsproduktes.

GESCHICHTE IN GEFAHR?

Die Pläne für den Tagebau sehen vor, das Gold mit Hilfe von zehntausenden Tonnen Zyanid vom Gestein zu trennen. Das Resultat wäre ein riesiges Becken mit zyanidverseuchtem Wasser. Die umfangreiche Erschließung würde „den Großteil der einzigartigen Archäologie der Region vernichten“, sagt Wilson. Dazu würden auch die größtenteils noch unerforschten Tunnel zählen, in denen sich Belege früher Bergbauarbeiten Österreich-Ungarns sowie ausgedehnte Galerien aus der kommunistischen Ära befinden, wie er hinzufügt.

Zudem müssten viele Einwohner, die ihr Zuhause nicht verlassen wollen, zwangsumgesiedelt werden.  

Das Stadtzentrum von Roșia Montană am 23. November 2006. Rumänien hatte sich um den UNESCO-Welterbestatus für die Region beworben, dann aber im letzten Moment darum gebeten, die Entscheidung des UNESCO-Komitees zu vertagen.
Foto von Cristian Movila, T​he New York Times, via Redux

Im Jahr 2017 reichte Rumänien eine Bewerbung für den Welterbestatus von Roșia Montană ein. Der prestigeträchtige Titel wird von der UNESCO vergeben und bringt nicht nur weltweite Anerkennung, sondern auch einen besonderen Rechtsschutz mit sich, der in diesem Fall jegliche Debatten um einen möglichen Bergbau auf einen Schlag beenden würde. Zudem würde er den Tourismus in der verarmten Region ankurbeln.

Doch der Fall ist nicht totzukriegen. In einer fast beispiellosen Aktion hat die Regierung Anfang Juli 2018 beim jährlichen Treffen des Welterbekomitees in Bahrain eine Abstimmung über die Bewerbung von Roșia Montană vertagt. Seit 2017 wird das Land wieder von den Sozialdemokraten angeführt, von denen viele den Tagebau unterstützt haben.

„Das ist extrem unüblich“, sagt Sneška Quaedvlieg-Mihailović, die Generalsekretärin von Europa Nostra. Der Denkmalschutzverbund setzt sich für den Schutz des europäischen Natur- und Kulturerbes ein. „Meistens kämpfen die Regierungen für ihre Stätten.“ Ihr zufolge sei es vorher nur ein einziges Mal vorgekommen, dass ein Land eine Bewerbung für eine Stätte eingereicht und dann temporär zurückgezogen hätte.

Das Komitee könnte innerhalb der nächsten drei Jahre über die Bewerbung abstimmen, sofern Rumänien sie wieder einreicht. Nach diesem Zeitraum müsste das Land den Prozess jedoch von vorn beginnen, was im Falle von Roșia Montană mehr als ein Jahr gedauert hat.

SCHWIERIGER FALL

Die sozialdemokratische Partei erklärte, dass eine Fortführung des Bewerbungsprozesses den gerichtlichen Fall des Landes mit dem kanadischen Bergbauunternehmen beeinflussen könnte. Verfechter der Welterbebewerbung sehen das aber anders und verweisen darauf, dass die Region bereits durch diverse rumänische Gesetze geschützt ist. Laut Nicolae Rațiu, einem Vorstandsmitglied der Pro Patrimonio Foundation – einer großen rumänischen Organisation, die zusammen mit einer Gruppe namens Alburnus Maior gegen den Tagebau kämpft –, könnte der Schachzug ein Schritt in Richtung Eröffnung des Tagebaus sein.

„Das ist der schändlichste Moment Rumäniens seit seinem UNESCO-Beitritt“, erzählte Vlad Alexandrescu, ein Senator der Oppositionspartei USR, in einem Interview mit „Business Review“. Er war bei der Debatte des UNESCO-Welterbekomitees anwesend. „Die Interessen eines Unternehmens und einer politischen Klasse [...] waren wichtiger als das nationale Interesse.“ Diverse Mitglieder der rumänischen Regierung sowie Gabriel Resources beantworteten Interviewanfragen nicht oder wollten sich zu dem Thema nicht äußern.

Einige Gegner des Tagebaus verweisen darauf, dass die Entscheidung in ein eher neues Muster passt, das sich abzeichnet: Sie beobachten eine Abkehr von der Bekämpfung der Korruption in ihrem Land, das eines der ärmsten der EU ist. Die „New York Times“ berichtete am 5. Juli, dass das rumänische Parlament ein Gesetz verabschiedet hatte, welches die Strafen für Machtmissbrauch mindert. Die Öffentlichkeit reagierte empört.

BELIEBT

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    Am 21. September 2013 bildeten Protestierende eine Menschenkette um das rumänische Parlamentsgebäude. Sie protestierten gegen den Bergbau in Roșia Montană, bei dem Tausende Tonnen Zynid zum Einsatz kämen.
    Foto von Daniel Mihailescu, AFP, Getty Images

    Der Plan für den Tagebau sieht auch das Anlegen eines Sammelbeckens mit zyanidbelasteten Abfallprodukten (sogenannten Abgängen) vor. Ein solches Becken würde nicht nur die historischen Bauten und Tunnel der Region teilweise zerstören, sondern könnte auch für die umliegende Gemeinde eine Bedrohung darstellen.

    Im Jahr 2010 setzte sich das Europäische Parlament für ein Nutzungsverbot von Zyanid im Bergbau ein. In der Begründung hieß es, dass es in den letzten 25 Jahren weltweit zu mehr als 30 großen Unfällen gekommen sei, in deren Rahmen die Chemikalie austrat, und dass sich insbesondere aufgrund der zunehmend extremen Wettererscheinungen nicht garantieren lasse, dass es nicht erneut zu derartigen Vorfällen kommen könnte. Die EU-Kommission entschied sich „aufgrund eines Mangels an alternativen Technologien“ jedoch gegen ein Verbot.

    In Rumänien sind solche Unfallszenarien mehr als bloße Theorie. Im Jahr 2000 entstand in einem Bergbau-Sammelbecken für Abgänge im Gebiet der rumänischen Stadt Baia Mare ein Leck. Neben diversen Schwermetallen wurden dadurch 10.000 Kubikmeter Wasser und bis zu 90 Tonnen Zyanid in einen nahegelegenen Fluss gespült. Der giftige Schwall ergoss sich in die Donau, vergiftete das Trinkwasser von Millionen von Menschen und tötete Tausende Tonnen Fische. Der Vorfall wurde von vielen Seiten als schwerste europäische Umweltkatastrophe seit Tschernobyl bezeichnet.

    TEURE SCHLICHTUNG

    Der Rückzug des Landes vor dem UNESCO-Komitee sei eine verständliche Reaktion auf den politischen Druck gewesen, der durch den Fall vor dem ICSID entsteht, erklärt Carla García Zendejas. Die lokale Expertin des Center for International Environmental Law berät lokale Gruppen, die gegen den Tagebau kämpfen. In diesem Fall behauptet das Unternehmen, Rumänien hätte Vereinbarungen verletzt, denen zufolge das kanadische Unternehmen die Stätte durch sein Tochterunternehmen hätte erschließen können, die Roșia Montană Gold Corporation.

    „Solche Fälle von privaten Unternehmen gegen Staaten haben enorme Auswirkungen, wenn man sich den teuren Schlichtungsverfahren gegenübersieht, die Milliarden von Dollar kosten können“, so Zendejas. „Aber es ist bedauerlich, dass die rumänische Regierung kapituliert und [bei der UNESCO] um die Vertagung des Prozesses gebeten hat.“

    Die Geschichte zeigt, dass in solchen Fällen oft das Unternehmen gewinnt und eine beträchtliche Abfindung erwirken kann. Ecuador verlor beispielsweise zwei Fälle dieser Art und musste 2,4 Milliarden Dollar zuzüglich Zinsen zahlen, was mehr als drei Prozent seines BIPs entspricht.

    Um den geplanten Tagebau zu verwirklichen, müsste die rumänische Regierung eine Umweltgenehmigung erteilen und diverse Gesetze ändern. Die Gegner des Projekts halten das mit der aktuellen Regierung durchaus für möglich.

    Der Widerstand ist jedoch ungebrochen, wie man an der Kampagne sieht, die den Bau des Tagebaus ursprünglich verhinderte, sagt Radu Delicote, ein Stratege der politischen Beratungsgruppe Smartlink Communications.

    „Die Menschen sind sehr unzufrieden mit den Politikern“, sagt er – und wenn die Regierung versucht, den Tagebau in Roșia Montană durchzuboxen, könnte das den Zorn nur noch weiter schüren.

    „Sie spielen ein sehr gefährliches Spiel“, so Ratiu. „Ich glaube, sie begreifen gar nicht, wie wichtig den Rumänen dieses Thema ist.“

     

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