Schicksal der Titanic-Artefakte ist ungewiss
Britische Museen und private Investoren bieten auf ein Stück Geschichte.
Seit einer bitterkalten Nacht im April 1912 ruht die RMS Titanic am Grund des Nordatlantiks. Das berühmte Schiff wurde für etwa 1.500 Menschen zu einem nassen Grab.
Seit dem Jahr 1987 ist ein US-amerikanisches Unternehmen jedoch mit der Bergung von Artefakten und Überresten der Titanic beschäftigt. Insgesamt hat es 5.500 Gegenstände des Unglücksdampfers geborgen, darunter Porzellangeschirr und Teile der Hülle.
2016 meldeten das Unternehmen – RMS Titanic, Inc. – und sein Inhaber Premier Exhibitions jedoch Insolvenz an. Das Schicksal der Artefakte ist nun ungewiss. Ein Zusammenschluss britischer Museen hat ein Gebot für den Kauf des Unternehmens abgegeben, um die Titanic „nach Hause“ zu holen.
Das National Maritime Museum des Vereinigten Königreichs und die National Museums Northern Ireland wollen insgesamt 19,2 Millionen Dollar aufbringen, um Premier Exhibitions samt der Titanic-Sammlung aufzukaufen.
Die Museen wären dann Miteigentümer der Titanic-Artefakte und würden sich um deren Pflege und Erhalt kümmern. Viele der Stücke würden im Titanic Belfast Museum ausgestellt werden, das sich direkt neben der Werft befindet, in der die Titanic gebaut wurde.
„Der Kern unseres Angebots ist, dass wir [die Artefakte] dauerhaft im öffentlichen Besitz halten wollen. Wir wollen sie der Welt zugänglich machen und wir wollen die Erinnerung an die Menschen bewahren, die bei dieser unseligen Tragödie ihr Leben verloren“, erzählt Conal Harvey, der stellvertretende Vorsitzende von Titanic Belfast. „Wir wollen nicht, dass die Artefakte von Menschen auf eine Art und Weise ausgenutzt werden, die wir für unangemessen halten.“
„Wenn es uns nicht gelingt, diese Sammlung für die Nachwelt zu retten, besteht eine große Chance, dass die Sammlung aufgeteilt wird“, merkt Kevin Fewster an, der Direktor des National Maritime Museum. „Wenn diese Katastrophe eintreten würde, ließe sich das nicht mehr rückgängig machen – die Sammlung wäre dann für immer verloren.“
Das Unbehagen der Museen rührt daher, dass sie nicht die einzigen Kaufinteressenten sind. Am 15. Juni bot eine Gruppe von Premiers Shareholdern (darunter eine Investmentfirma aus Hongkong und eine private US-Firma) mindestens 17,5 Millionen Dollar. Ein drittes Gebot wurde von einem Komitee abgegeben, welches die Anteilseigner von Premier repräsentiert. Das Komitee schlug vor, die Artefakte aufzuteilen und einige zu versteigern.
„Aufgrund dieser Bankrotterklärung könnte ein Stück der menschlichen Geschichte versteigert werden und aus dem öffentlichen Bereich verschwinden“, sagt Fredrik Hiebert, ein Archäologe der National Geographic Society.
Ein Gericht könnte schon am 25. Juli eine Entscheidung über den Fall treffen.
Der Ozeanograf und National Geographic Explorer Robert Ballard, der das Wrack der Titanic 1985 entdeckte, spricht sich eindeutig für das Angebot der Museen aus: “Ich leihe meine Stimme dem Unterfangen der britischen Regierung und Titanic Belfast“, sagt er. „Das ist einfach das Richtige.“
PLÜNDERUNG DER GESCHICHTE?
Die Ankündigung ist nur die jüngste Wendung in der Geschichte der RMS Titanic, Inc. (RMST). Das private Unternehmen hat die alleinigen Bergungsrechte an der Titanic.
Das Ziel des Unternehmens ist es laut eigener Aussage, das Erbe des Schiffs zu bewahren. Tatsächlich hat RMST die geborgenen Artefakte auch konserviert. Museen auf der ganzen Welt haben die Sammlung des Unternehmens ausgestellt und damit insgesamt mehr als 25 Millionen Besucher angelockt. Derzeit betreibt Premier vier Ausstellungen in den USA und Kanada.
Sowohl Museen als auch Akademiker haben RMST jedoch dafür kritisiert, die Artefakte überhaupt zu kommerziellen Zwecken geborgen zu haben. Das Unternehmen hat zudem für einen Aufschrei gesorgt, als es versuchte, das Recht zu erlangen, die Artefakte zu versteigern.
Der Anspruch von RMST auf die Titanic beruht auf jahrhundertealtem Seerecht. Generell fallen die Bergungsrechte an einem Schiffswrack in internationalen Gewässern der ersten Partei zu, die ein Objekt vom Wrack an die Oberfläche bringt. Als Ballards Team das Schiff entdeckte, brachte es aus Respekt für die Toten jedoch keinen Gegenstand davon mit. „Man läuft nicht mit einer Schaufel auf das Schlachtfeld von Gettysburg und sammelt auch keine Gürtelschnallen von der Arizona ein“, so Ballard.
Ballards Weigerung war die große Chance für Titanic Ventures, aus der später RMST wurde – und die Chance wurde genutzt. Neben den Bergungsmissionen fertigte das Unternehmen 2010 in Zusammenarbeit mit der Woods Hole Oceanographic Institution die detailliertesten Karten der Titanic an, die es gibt.
DAS ENDE EINER REISE
RMST hat seinen Anspruch auf die Bergungsrechte jahrelang vor dem Seegericht verteidigt. Im Jahr 2011 bestätigte ein US-Richter den Anspruch für die Bergungsaktionen, die zwischen 1993 und 2004 stattfinden – unter bestimmten Voraussetzungen. Dieser Vereinbarung zufolge müssen die Artefakte aus diesem Zeitraum, die auch als „Amerikanische Sammlung“ gelten, für immer zusammenbleiben, im Idealfall gemeinsam mit der „Französischen Sammlung“, die 1987 geborgen wurde. Außerdem muss der Inhaber der Artefakte diese pflegen und erhalten und sie für Forschungen und öffentliche Ausstellungen zur Verfügung stellen.
Die Museen sagen jedenfalls, dass sie mehr als bereit sind, sich der Herausforderung der Konservierung dieser alten Artefakte zu stellen: 2017 eröffnete das National Maritime Museum eine neue Einrichtung für die Lagerung und Konservierung von Ausstellungsstücken.
„Unsere Expertise und die einzigartige Ausstattung unseres neuen Gebäudes werden es uns ermöglichen, diese Sammlungen auf eine Art und Weise zugänglich zu machen, die allem, was derzeit sonst noch auf der Welt möglich ist, mindestens ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen wäre“, sagte Fewster.
Ballard jedenfalls sieht das ebenso.
„Die Titanic war von Anfang an dazu bestimmt, umzukehren und nach Hause zurückzukehren. Das tat sie aber nie“, sagt er. „Das wird dabei helfen, damit abzuschließen.“
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