Wie wir uns mit Licht und Farbe das Weltall schufen

1939 stellte sich Charles Bittinger fremde Welten vor, die wir erst Jahrzehnte später aus der Nähe sahen.

Von Catherine Zuckerman
Veröffentlicht am 9. Jan. 2019, 18:09 MEZ
Die leitende Fotoarchivistin Sara Manco hält eines von Charles Bittingers Bildern des Saturn, gesehen von der ...
Die leitende Fotoarchivistin Sara Manco hält eines von Charles Bittingers Bildern des Saturn, gesehen von der Oberfläche eines Asteroiden. Die Zeichnung erschien 1939 in einer Ausgabe der National Geographic.
Foto von Mark Thiessen, National Geographic

Als vor Kurzem die NASA-Sonde New Horizons in mehr als 6,5 Milliarden Kilometern Entfernung an einem uralten Gesteinsbrocken vorbeiflog, feierten die Forscher diesen wissenschaftlichen Meilenstein ausgelassen – immerhin war es der fernste Besuch eines Himmelskörpers, den Menschen mit Hilfe ihrer Technologie je vollbracht haben. Die Sonde machte mehrere Fotos des Objekts, die sich nun auf dem langen Rückweg zur Erde befinden.

Natürlich waren keine Menschen vor Ort, die den großen Moment der Sonde dokumentieren konnten. Wie sah diese Begegnung in weiter Ferne von Nahem wohl aus? Solche Fragen sind es, die sich Astronomen seit dem Beginn der Erforschung unseres Weltalls stellen. Und seit Jahrhunderten versuchen Künstler – mithilfe ihrer Pinsel, Farben, wissenschaftlichen Erkenntnisse und Vorstellungskraft –, Antworten zu liefern.

Laut dem Bildtext dieser Illustration, die 1939 abgedruckt wurde, könnte „das einzige Leben jenseits der Erde in den grünen Bereichen des Mars existieren. Viele Astronomen glauben, dass es sich dabei um Vegetation handelt, da sie im Rhythmus der Jahreszeiten des Mars erscheinen und wieder verschwinden.“ Jahrzehnte später offenbarten Marsmissionen, dass die Oberfläche des Roten Planeten steril ist. Wenn dort überhaupt Leben existiert, dann vermutlich in Form unterirdischer Mikroben.
Foto von Painting by Charles Bittinger
Im Gegensatz dazu weist dieses Bild der Erde vom Mond aus gesehen, das ebenfalls 1939 entstand, eine auffällige Ähnlichkeit zu tatsächlichen Fotos auf, die Jahrzehnte später von Apollo-Astronauten gemacht wurden. Die erhöhten Ränder an den Mondkratern sind „technisch sehr korrekt“, kommentierte eine NASA-Wissenschaftlerin.
Foto von Gemälde von Charles Bittinger

Im Juli 1939 veröffentlichte National Geographic einen Artikel namens „News of the Universe“ (dt.: Neuigkeiten aus dem Universum). Der Künstler Charles Bittinger sollte eine Reihe von Bildern malen, die den Lesern dabei helfen sollten, sich den Weltraum vorzustellen. Damals waren Teleskope zwar schon fortschrittlich genug, um Details der Mondoberfläche zu offenbaren, aber es sollte noch 30 Jahre dauern, bis der erste Mensch einen Fuß darauf setzte. Als der Artikel veröffentlicht wurde, gab es noch nicht einmal einen einzigen Satelliten in der Erdumlaufbahn.

Obwohl die Menschheit noch nicht begonnen hatte, den Weltraum zu erforschen, verdeutlichen die Bilder, wie viel die Wissenschaftler schon damals wussten. In einem Bild der Erde, wie sie von der Mondoberfläche aus zu sehen wäre, sind die Ränder der Mondkrater beispielsweise erhöht, was „technisch sehr korrekt“ ist, wie die Planetenwissenschaftlerin Bethany Ehlmann erklärt. In einem anderen Bild zeigt Bittinger, wie Licht in einem Prisma gebrochen wird und dadurch seine Spektralfarben erkennbar werden. Das scheint zunächst nicht ganz in den Kontext der Bildreihe zu passen, aber „Bittinger fand es wichtig, das zu zeigen, damit die Leser begriffen, wie wichtig dieses Prinzip ist und welche Bedeutung es für die anderen Bilder hat“, sagt Jason Treat, der Chefgrafiker für National Geographic.

BELIEBT

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    „Das Licht, das hier in seine Spektralfarben gebrochen gezeigt wird, hat uns fast alles beigebracht, was wir über das Universum wissen“, lautet der Bildtext für diese Zeichnung.
    Foto von Painting by Charles Bittinger

    Bittinger „kombinierte ein feines Gespür für Farbwerte und künstlerische Kompositionen mit einem akribischen Streben nach wissenschaftlicher Korrektheit“, heißt es in einem Kommentar innerhalb des Artikels.

    Damit kann sich auch die wissenschaftliche Illustratorin Dana Berry identifizieren. Obwohl Berry für ihre astronomischen Illustrationen 3D-Software und Photoshop anstelle von Pinseln und Farben benutzt, ist nach wie vor die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kreativität der Schlüssel.

    „Ich frage mich, inwieweit sich auch Bittinger mit dem dreiköpfigen Ungeheuer herumschlagen musste, dem jeder gegenübertreten muss, der wissenschaftliche Illustrationen anfertigt“, so Berry. „Jedes Bild ist die Auflösung eines Konflikts zwischen Pädagogik, Glaubwürdigkeit und Dramatik.“

    Im kalifornischen Jet Propulsion Lab der NASA arbeitet die Künstlerin Julia Christensen an einem Projekt, bei dem Kunstwerke an Bord eines Raumfahrzeugs nach Proxima b geschickt werden sollen, ein Exoplanet in 4,2 Lichtjahren Entfernung. Ihr zufolge verdeutlichen Bittingers Zeichnungen den entscheidenden Dialog zwischen wissenschaftlicher Forschung und Kunst.

    Bilder wie diese, die 1939 veröffentlicht wurden – am Beginn des Zweiten Weltkriegs und nur weniger Jahre, bevor die USA zum ersten Mal die Kármán-Linie überquerte und in den Weltraum vordrang – inspirierten zweifelsfrei die Wissenschaftler, die später den großen Traum der Weltraumreisen verwirklichten.“

    Und was hatte der 1970 verstorbene Bittinger zu seinen Zeichnungen zu sagen? „Durch die Planung und Arbeit an den Bildern, die mit diesem Artikel erschienen, begriff ich mehr denn je, dass die Astronomie das größte Denkmal für die menschliche Intelligenz ist, welche die unvorstellbaren Weiten des Weltalls mit kaum mehr als den schwachen Wellen des Lichts erkundet hat.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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