Wer waren die Reiter der Apokalypse?

Krieg, Tod, Hungersnot: Vielen Menschen sind die apokalyptischen Reiter aus der Bibel ein Begriff. Woher die Boten des nahenden Weltuntergangs kommen, wer sind sie und wofür sie stehen.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 18. März 2022, 09:14 MEZ
Das Gemälde zeigt  zeigt die Boten des Weltuntergangs, die in der Johannesoffenbarung das Jüngste Gericht ...

Das Gemälde „Die vier apokalyptischen Reiter“ des russischen Malers Viktor Michailowitsch Wasnezow aus dem Jahr 1887 zeigt die Boten des Weltuntergangs, die in der Johannesoffenbarung das Jüngste Gericht einläuten.

Foto von Michailowitsch Wasnezow

In Bezug auf schreckliche, unkontrollierbare Ereignisse wird oft von Katastrophen biblischen Ausmaßes gesprochen. Kommt es zu einer Häufung solcher Katastrophen, dauert es nicht lange, bis das Bild der apokalyptischen Reiter bemüht wird, um die hohe Schlagzahl zu verdeutlichen, mit der die Welt scheinbar aus den Fugen gerät.

„Es ist letztlich nur ein klitzekleiner Textabschnitt von wenigen Versen aus der dicken Bibel, in dem die bekannte Darstellung der apokalyptischen Reiter vorkommt“, sagt Prof. Dr. Nils Neumann vom Institut für Theologie an der Leibniz-Universität in Hannover. Obwohl der Text so kurz sei, habe er aber eine große Wirkungsgeschichte. „Ich erinnere nur an Albrecht Dürers Holzschnitt oder an den Song ‘The Four Horsemen‘ der Band Metallica.“

Wer waren die apokalyptischen Reiter, woher kamen sie und welchen Hintergrund hat die biblische Erscheinung?

Wo tauchen die apokalyptischen Reiter in der Bibel auf?

Die apokalyptischen Reiter werden im letzten Buch der Bibel, der Johannesoffenbarung im Neuen Testament (Offb 6,1–8) beschrieben. Darin berichtet der Seher Johannes von einer ausgedehnten Vision, die er von Gott und Jesus Christus empfangen hat. Da der Name Johannes – Jochanan im Aramäischen – im antiken Judentum ein weitverbreiteter Name war, ist nicht sicher, ob es sich bei ihm um den Jünger Jesus mit demselben Namen handelte.

In seiner Vision wird Johannes in den Himmel hineinversetzt und kann dort Gott auf seinem Thron sitzen sehen. Sieben Siegel einer Buchrolle werden geöffnet. Das Öffnen der ersten vier Siegel wird dadurch begleitet, dass ein himmlisches Wesen „Komm!“ spricht, wodurch jedes Mal ein apokalyptischer Reiter herbeigerufen wird. Das Öffnen der letzten drei Siegel löst verschiedene Naturkatastrophen aus – die Erde bebt, der Mond färbt sich blutrot, Sterne fallen vom Himmel –, die schließlich im Jüngsten Gericht gipfeln. Am Ende der Vision richtet Gott seine endgültige Herrschaft auf, die Trennung zwischen Himmel und Erde wird aufgehoben und alles Böse und alles Leid vernichtet. 

„Die dahinterstehende Botschaft lautet: Nichts, was auf der Erde geschieht, geschieht gegen Gottes Willen“, erklärt Nils Neumann. „Auch die schlimmen Entwicklungen, die dem Ende vorausgehen, führt der Text auf himmlische Aktivität zurück.“ 

Wer sind die Reiter und woher kommen sie?

Nils Neumann zufolge sind die Reiter der Apokalypse nicht mit Gott identisch, doch sie können nur deswegen auf der Erde wirken, weil er es ihnen erlaubt und ihre Ankunft initiiert hat. Sie haben ihren Ursprung weder im Himmel noch in der Hölle, sondern sind Personifikationen irdischer Mächte, die das Leben der Menschen bedrohen. 

Aus dem Gesamtkontext der Bibelstelle könne man schließen, „dass diese Bedrohung nach Einschätzung des Verfassers vor allem vom römischen Weltreich ausgeht“, erklärt Nils Neumann. Trotzdem handele es sich bei den vier Reitern eher um kosmische Mächte als konkrete politische Akteure.

BELIEBT

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    Der Holzschnitt „Die vier Apokalyptischen Reiter“ von Albrecht Dürer entstand um 1497 und ist eines der frühen Werke des deutschen Malers.

    Foto von Albrecht Dürer

    Welche Bedrohung jeder Reiter symbolisiert, wird durch die Farbe seines Pferdes und einen Gegenstand verdeutlicht, den er bei sich trägt: Der erste Reiter sitzt auf einem weißen Pferd und trägt Bogen und Krone. Er symbolisiert Kampf und Sieg. Das Pferd des zweiten Reiters ist feuerrot, er hat ein Schwert bei sich und steht für den Krieg. Der dritte Reiter symbolisiert Lebensmittelknappheit und die damit verbundene Verteuerung von Waren – zu erkennen an der schwarzen Farbe des Pferds und der Waage in seiner Hand. Die Ankunft des vierten Reiters ist in der Offenbarung so beschrieben: „Und ich sah, und siehe, ein fahles Pferd. Und der darauf saß, dessen Name war: der Tod, und die Hölle zog mit ihm einher.“ (Offb. 6,8)

    Apokalyptik: Das Ende ist nah

    Aufgrund der Art der Gedankenführung und der Inhalte der Johannesoffenbarung kann man seinen Verfasser laut Nils Neumann einer religiösen Strömung namens „Apokalyptik“ – vom griechischen apokalyptô, „offenbaren“ – zuordnen. Sie arbeitet stark mit eindrücklichen Bildern und hatte vor allem im antiken Judentum und frühen Christentum viele Anhänger, die davon überzeugt waren, dass die Welt kurz vor ihrem Ende steht.

    Die Schriften, auf denen die Apokalyptik beruht, folgen einem wiederkehrenden Muster: Gott offenbart bestimmten prophetisch begabten Personen, wie das Ende sein wird: Auf schlimme endzeitliche Ereignisse folgt das Gericht Gottes, am Ende setzt Gottes Herrschaft sich gegen alles Böse durch. Schreckliche Dinge, die auf der Welt passieren, sind demnach Vorzeichen für ihr Ende, außerhalb der Kontrolle Gottes sind sie aber nicht: Er ist nicht machtlos gegen Katastrophen, sondern entscheidet sich lediglich dagegen, die Menschen vor ihnen zu schützen.

    „Die apokalyptische Literatur denkt sehr stark in schwarz-weißen Kontrasten“, erklärt Nils Neumann. „Sie unterteilt die Menschheit in Gut und Böse. Wir nennen dies ein ‚dualistisches Weltbild‘.“ In diesem Weltbild hätten sich die meisten Menschen von Gott abgewandt und verhielten sich destruktiv und undankbar. „So gesehen ist es nur konsequent, wenn Gott sich seinerseits abwendet und nicht mehr schützend eingreift, sodass die destruktiven Kräfte ihre Wirkung voll entfalten können.“ Dass die Bösen sich mit ihrem Tun also letztlich selbst schaden, kann man als eine Form von göttlicher Strafe interpretieren.

    Wissen kompakt: Christentum
    Als größte Weltreligion hat das Christentum etwa zwei Milliarden Gläubige, die den Lehren Jesus Christus folgen. Erfahrt mehr über die Ursprünge des Christentums als jüdische Sekte und jene Personen, die zur Verbreitung des Glaubens beitrugen.

    In der Johannesoffenbarung zeigen die Qualen der Endzeit jedoch keine pädagogische Wirkung: Zwar wird an späterer Stelle (Offb. 9 & 16) die Möglichkeit zur Besserung der Menschheit in Betracht gezogen, doch in der Erzählung bleibt die Option ungenutzt. „Da haben wir wohl einen reichlich fatalistischen Text vor uns“, sagt Nils Neumann.

    Antiker Text in einer modernen Welt

    Parallelen zwischen der Ankunft der apokalyptischen Reiter in der Bibel und den heutigen Ereignissen zu sehen, liegt nahe. Nils Neumann zufolge ist es aber problematisch, die Aussage des Texts aus dem antiken Zusammenhang zu reißen und sie eins zu eins auf die Gegenwart zu übertragen. „Eine tragfähige Interpretation des Texts sollte meines Erachtens anerkennen, dass die Schrift mit antiken Mitteln auf antike Herausforderungen reagiert“, sagt er. „Den Text als antiken Text anzuerkennen, befreit uns von dem Druck, heutige Personen als Akteure des Bösen oder Ereignisse als apokalyptische Geschehnisse deuten zu müssen.“

    Die Botschaft der Johannesoffenbarung, sich nicht auf die Seite des Bösen ziehen zu lassen, könne jedoch auch heute dazu anregen, sich selbst zu fragen, inwiefern man inkonsequent ist und von bösen Strukturen profitiert. „Sollten wir das an uns bemerken, kann die Johannesoffenbarung uns einen dringenden Anlass geben, uns zu ändern.“

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