Luxus vor 1.400 Jahren: Klappstuhl in frühmittelalterlichem Grab gefunden

Archäologen konnten im mittelfränkischen Endsee einen Klappstuhl aus Eisen aus einem Frauengrab bergen. Was die ungewöhnliche Grabbeigabe über die Verstorbene und ihren sozialen Status verrät.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 1. Sept. 2022, 08:52 MESZ
Der Klappstuhl liegt am Boden des Graben zu den Füßen des Skeletts.

Vor etwa 1.400 Jahren wurde dieser Klappstuhl zu Füßen einer Frau zusammen mit ihr bestattet. 


 

Foto von BLfD

Ein Frauenskelett mit Halskette und Gürtel, daneben ein Tierknochen – und ein eiserner Klappstuhl. Dieses Bild offenbarte sich den Archäologen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (BLfD), als sie zwei Gräber im mittelfränkischen Endsee im Rahmen von Baumaßnahmen im Gewerbepark Rothenburg-Endsee freilegten. Dabei fiel den Archäologen vor allem das Frauengrab mit den reichen Grabbeigaben auf.

Das Möbelstück aus dem frühmittelalterlichen Grab ist laut Mathias Pfeil, Leiter des BLfD, erst der zweite Fund eines eisernen Klappstuhls in Deutschland aus dieser Zeit. „Dieser auf den ersten Blick so neuzeitlich wirkende Fund ist eine absolute Seltenheit“, sagt er. Vor allem der Erhaltungszustand des Stuhls sei dabei beeindruckend: Weil der Stuhl aus Eisen besteht, ist er noch intakt und konnte im Block geborgen werden.

Weil der Stuhl aus Eisen besteht, ist er nicht nur eine Seltenheit – sondern auch noch besonders gut erhalten.

Foto von BLfD

Hoher sozialer Status

Die freigelegten Gräber der beiden Personen stammen aus der Merowingerzeit, die von etwa 500 bis 751 n. Chr. reicht und nach dem ältesten Königsgeschlecht der Franken benannt ist. Die Gräber selbst sind circa 1.400 Jahre alt und weisen beide auffällig reiche Grabbeigaben auf. So wurde der Mann, der ein Krieger gewesen sein muss, mit seiner gesamten Waffenausrüstung und einem edlen Kamm begraben.

Im parallel zum Männergrab liegenden Grab der Frau fand man neben ihrer Halskette und ihrem Gürtel noch weiteren Schmuck, darunter eine sogenannte Scheibenfibel – eine Art Spange, die die Kleidung zusammenhält – mit Almandineinlagen und einer Millefiori-Perle. Dazu ein Knochen, vermutlich die Rippe eines Rindes, der als Fleischbeilage gedient haben muss. 

Bereits diese Grabbeigaben zeigen laut BLfD, dass zumindest die Familie oder die Familien der beiden Personen – wahrscheinlich aber gar die gesamte Bevölkerungsgruppe, aus der sie stammten – wohlhabend gewesen sein muss. Die Grabbeigabe des Klappstuhls zementiert diesen Eindruck. „Solche eisernen Klappstühle, die nach derzeitigem Forschungsstand sehr selten sind, kommen überwiegend in überdurchschnittlich reich ausgestatteten Gräbern zum Vorschein“, so der BLfD.

Ein Klappstuhl für eine Amtsträgerin?

Laut BLfD sind derartige Grabbeigaben insgesamt extrem selten – vor allem aber in diesem Fall, in dem der Stuhl sogar aus Eisen besteht. „Bislang sind europaweit 29 Fundstellen von frühmittelalterlichen Gräbern mit Faltstühlen überliefert, davon nur sechs aus Eisen”, so der BLfD. Diese seien wegen ihrer Beschaffenheit auch die am besten erhaltenen Stühle, während von den anderen, meist aus Holz oder Elfenbein gebauten Stühlen oft nur Einzelteile wie Nägel gefunden werden.

BELIEBT

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    Doch welche Bedeutung könnte dieses für uns so alltäglich wirkende Möbelstück damals gehabt haben? Eine These ist, dass der Klappstuhl im Sinne eines sella curulis ein zu Lebzeiten ausgeführtes Amt repräsentiert. Ein solcher, sogenannter Kurulischer Stuhl stellte im antiken Rom eines der bedeutendsten Amtszeichen dar und war Menschen mit viel Macht und Ansehen vorbehalten. Allerdings stammen die meisten Klappstühle des Frühmittelalters aus Frauengräbern – und gerade aus der Merowingerzeit sind laut BLfD bislang keine weiblichen Amtsträgerinnen überliefert.

    Um die konkrete Bedeutung solcher Stühle feststellen zu können, sind also weitere Untersuchungen notwendig. Der Fund des Klappstuhls aus Bayern könnte hier aber eine wichtige Rolle spielen. Das betont auch Pfeil: „Der Fund ist von höchstem kulturhistorischen Interesse, denn er gibt Einblick in die Grabausstattung herausgehobener Bevölkerungsschichten und in den frühen Gebrauch von Möbeln.“

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