Intrigen, Machtkämpfe und Skandale: Die vier umstrittensten Päpste des Mittelalters
Das Papsttum ließ in seiner fast 2000-jährigen Geschichte nur wenige Eklats aus. Besonders das Mittelalter ist voll von Skandalen um den Heiligen Stuhl.
Die Leiche des Papst Formosus wurde von einem seiner Nachfolger exhumiert und vor Gericht gestellt. Gemälde von Jean Paul Laurens, 1870.
Das Papsttum beginnt schon mit einem Mythos: Die Ankunft des Apostel Petrus in Rom hat es wohl nie gegeben. Der Erzählung nach hatte ihm Jesus den Aufbau der Kirche anvertraut. Auch die Konstantinische Schenkung, mit der Kaiser Konstantin in den Jahren 315/317 n. Chr. angeblich Papst Silvester die Oberherrschaft über Westrom übertrug, stellte sich als Fälschung aus dem 8. oder 9. Jahrhundert heraus. Diese Legendenbildung diente dazu, die Macht des Papstes zu sichern, so Professor Volker Reinhardt, Historiker von der Universität Freiburg in der Schweiz: „Drei Jahrhunderte lang ist der Bischof von Rom eine Autorität unter vielen anderen. Es ist keineswegs ausgemacht, dass er eine Führungsposition in der christlichen Kirche des westlichen römischen Reiches einnehmen wird.“ Erst mit dem Untergang des römischen Reichs im Westen und durch geschickte Schachzüge und Bündnisse mit weltlichen Fürsten, kann das Papsttum im Laufe der Jahrhunderte seinen Einfluss ausbauen. Verbunden ist dieser Aufstieg mit einer ganzen Reihe von Intrigen, Machtkämpfen und Skandalen.
Stephan VI. und die Leichensynode
Eine der wohl bizarrsten Episoden stellte die kurze Amtszeit von Papst Stephan VI. der Jahre 896 bis 897 n. Chr. dar. Dieser ließ den bereits verwesenden Leichnam seines Vor-Vorgängers Papst Formosus exhumieren und vor Gericht stellen. Die Anklage lautete auf Meineid und widerrechtliche Aneignung des Papststuhls. Der bereits tote Formosus wurde verurteilt, seine Schwurhand abgeschlagen und die Leiche in den Tiber geworfen.
Hintergrund für das als „Leichensynode“ in die Geschichte eingegangene Verfahren waren Machtkämpfe zwischen verfeindeten römischen Adelsfamilien. Diese bestimmten über die Papstwahl, was oft mit „extremen Gewaltexzessen“ einherging, so Reinhardt. Indem Stephan VI. die Amtszeit des Formusus als unrechtmäßig erklärte, wollte er seinen eigenen Anspruch auf den Heiligen Stuhl formell rechtfertigen. Das half ihm aber wenig: Anhänger des Formosus waren derart empört, dass sie einen Aufstand anzettelten und Stephan stürzten, ihn einkerkerten und später strangulierten.
Marozia I. und ihr Sohn
Heute kennen wir aus Film und Buch die Legende der Päpstin Johanna, die im 9. Jahrhundert in Rom regiert haben soll. Diese Geschichte beruht zwar auf keinem realen historischen Vorbild, doch im darauffolgenden Jahrhundert machten durchaus eine Reihe von Frauen Karriere im Vatikan – indem sie ihre Söhne oder Liebhaber zu Päpsten machten, während sie selbst die politische Macht innehielten. Zu diesen Frauen zählen Theodoa I. und II., sowie Marozia I. und II.
In dieser Zeit sank das Papsttum, laut Volker Reinhardt, „zu einer lokalen Größe ab. Der Anspruch auf den Stuhl wird zwischen zwei bis drei Dutzend römischen Adelsfamilien ausgehandelt. Es ist ein Tiefpunkt für das Ansehen der Institution.“ Dafür sind nicht nur die blutigen Machtkämpfe zwischen den rivalisierenden Familien verantwortlich, sondern auch zahlreiche Skandale. Der Sohn von Marozia soll mit gerade mal 16 oder 18 Jahren Jahren zu Papst Johannes XI. (931 bis 935 n. Chr.) ernannt worden sein und amtierte als gefügiges Werkzug seiner Mutter. Noch skandalöser war der gleichfalls in sehr jungen Jahren vom römischen Adel zum Papst erhobene Johannes XII. (955 bis 964 n. Chr.). Es wird berichtet, dass er sich im Apostolischen Palast einen Harem gehalten haben soll und Glücksspiel mit den Opfergaben der Pilger betrieb. Den Tod fand Johannes XII. angeblich durch einen gehörnten Ehemann, der ihn im Zorn erschlug.
Gregor VII. ging als einer der mächtigsten Päpste in die Geschichte ein. Am Ende wurde er trotzdem zur Flucht gezwungen. Hier sein Grab im süditalienischen Salerno.
Gregor VII.: Der „heilige Satan“
Einer der wohl einflussreichsten, wie auch umstrittensten Päpste trat im 11. Jahrhundert auf die Bildfläche: Gregor VII. (1073 bis 1085 n.Chr.). Bis heute ist er bekannt durch den Investiturstreit mit Kaiser Heinrich IV. Der Konflikt entzündete sich an der Frage, wer das Recht haben sollte, im Heiligen Römischen Reich Äbte und Bischöfe einzusetzen. Papst und Kaiser erklärten sich gegenseitig für abgesetzt. Es entwickelte sich ein Machtkampf, der zwischenzeitlich mit dem „Gang nach Canossa“ beigelegt wurde. Dabei harrte Heinrich angeblich drei Tage und Nächte im Winter vor der Burg des Papstes aus, um um Vergebung zu bitten. Zwar hat das Ereignis wohl nie in dieser Form stattgefunden, sicher ist jedoch, dass der Papst dem Kaiser eine beispiellose Demütigung zufügte.
Darauf baute Gregor VII. in den kommenden Jahre weitere Ansprüche auf: Der Papst sollte nicht nur geistiges Oberhaupt der westlichen Christenheit sein, sondern auch die Oberaufsicht über die weltliche Macht in seiner Person vereinen. Dieses Ziel setzte er mit brachialer Gewalt um und führte zahlreiche Kämpfe gegen seine Gegner. Ein Mitstreiter von Gregor, der Kardinal Petrus Damiani, nannte ihn ehrfürchtig „Zuchtrute Gottes“, „Höllenbrand“ und den „heiligen Satan“. Dabei überspannte Gregor allerdings den Bogen: Kaiser Heinrich IV. sehnte sich nach Revanche – zusammen mit abtrünnigen Bischöfen marschierte er samt seinen Truppen nach Rom, wo er Gregor zur Flucht zwang.
Auch wenn Gregor mit seinem absoluten Machtanspruch scheiterte, so baute er den Einfluss des Vatikans massiv aus, hin zur geistlichen und moralischen Führung des westlichen Christentums. Es sollte weitere vier Jahrhunderte dauern, bis dieser Alleinvertretungsanspruch des Papstes aus der Kirche heraus durch Martin Luther und die Reformationsbewegung erfolgreich in Frage gestellt wurde. Auslöser dafür waren erneut die als skandalös empfundenen Praktiken der katholischen Kirche, wie der Ablasshandel und die Prunksucht der Priester.
Volker Reinhardt lehrt Geschichte an der Universität Freiburg (Schweiz). Er forschte mehr als 30 Jahre lang zum Papsttum und schrieb dazu mehrere Bücher, u.a. „Pontifex – Die Geschichte der Päpste. Von Petrus bis Franziskus“, München 2. Auflage 2018