Werwölfe, Vampire, Zombies: Die Ursprünge unserer Horrorgestalten

Es gibt Gruselwesen, die kennt jedes Kind. Wie aber kamen die Menschen auf diese Mythen? Eine historische Geisterbahnfahrt.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 26. Okt. 2022, 09:30 MESZ
Ein Werwolf sitzt auf den Schultern eines Mannes, der ängstlich wegrennt.

Gemälde von Maurice Sand aus dem Jahr 1857. Werwölfe spielen bereits seit Jahrtausenden in verschiedenen Legenden und Sagen eine Rolle.

Foto von Archivist / Adobe Stock

Die Tage werden kürzer, Nebel schwebt über den Feldern und der heulende Wind bildet die gruselige Geräuschkulisse: Der November, im Volksmund auch Totenmonat genannt, steht vor der Tür. 

Allerheiligen und Allerseelen

Bereits im Jahr 835 n. Chr. legte Papst Gregor IV. fest, dass jedes Jahr am 1. November den Heiligen gedacht werden solle, deren ewige Welt an diesem Tag durch die sterbende Natur sichtbar sei. Allerseelen am 2. November ist der Tag des Gedenkens an alle verstorbenen Gläubigen. Lange Zeit – und in manchen Kulturen nach wie vor – herrschte die Vorstellung, dass die Seelen Verstorbener an diesem Tag auf die Erde zurückkehren und unter den Lebenden wandeln würden. Besonders abergläubische Menschen fürchteten sich deswegen davor, sich in der Nacht auf Allerheiligen im Freien aufzuhalten.

In einer Zeit im Jahr, zu der die Angst vor dem Unheimlichen Tradition hat, blicken wir auf die Ursprünge der bekanntesten Schreckgestalten, die in langen Nächten ihr Unwesen treiben.  

Geisterstunde und ruhelose Seelen

Um Mitternacht beginnt mit der Geisterstunde die Zeit der Gespenster. Dabei handelt es sich um Manifestierungen von Seelen, die nach dem Tod keine Ruhe gefunden haben. Dass der Körper stirbt, die Seele jedoch unsterblich ist, ist eine sehr alte Idee. Prähistorische Bestattungsformen und Grabbeigaben, die den Toten für ihre Reise ins und ihr Dasein im Jenseits in ihre letzten irdischen Ruhestätten gelegt wurden, zeigen: Der Glaube an Totengeister begleitet die Menschen schon seit Urzeiten.

Bereits vor Tausenden von Jahren nahmen Schamanen Kontakt mit der Geisterwelt auf. Die wohl bekannteste verwandte Tradition ist der mexikanische Día de los Muertos, an dem die Seelen der Verstorbenen für einen Tag zu ihren Familien zurückkehren. Der Tag der Toten ist ein buntes, fröhliches Volksfest, bei dem die Seelen mit Speisen, Getränken und Blumen willkommen geheißen werden.

Sehr viel negativer geprägt ist das Verhältnis der westlichen Kultur zu ihren Totengeistern. Schon die Menschen der Antike hatten Angst vor ihnen. Sie glaubten, dass rastlose Seelen aus der Unterwelt, dem Hades, aufsteigen würden, um die Lebenden zu erschrecken. In Europa wird das Auftauchen von Gespenstern – vom Althochdeutschen kispanst für Eingebung – bis heute vorwiegend mit tragischen oder grausamen Geschichten verknüpft. Die ruhelosen Seelen, die ihr Unwesen treiben, sind in den meisten Fällen die von Verbrechern und ihren Opfern, von Selbstmördern oder Menschen, die nicht korrekt bestattet wurden.

Spiritismus und Okkultismus

Als Mitte des 19. Jahrhunderts Spiritismus und Okkultismus in Mode kamen, wich die Angst vor Geistern der Faszination. Bei spiritistischen Sitzungen, sogenannten Séancen, versetzte sich ein Medium in Trance und erweckte den Anschein, mit Verstorbenen im Jenseits zu kommunizieren. Durch genaueres Hinsehen konnten die Geisterbeschwörungen jedoch schnell als Betrug entlarvt werden.

Geister werden nach wie vor als schwebend und neblig durchsichtig beschrieben, manche sind mit einem Leichentuch bedeckt. Der Poltergeist, der sich in Häusern einnistet, ist hingegen unsichtbar und manifestiert sich zum Beispiel durch Klopfgeräusche oder das Verrücken von Gegenständen. Gespenster sind meist an einen Ort oder einen Menschen gebunden, zu dem die Seele eine Verbindung hat. Um dem Spuk ein Ende zu setzen, muss sie erlöst werden, indem zum Abschluss gebracht wird, was sie nicht ruhen lässt – zum Beispiel durch die Aufklärung einer Tat oder die ordentliche Beisetzung der Leiche.

Tatsächlich fehlt für die Existenz von Gespenstern jeder empirische Beleg. Neurowissenschaftler erklären Geistererscheinungen mit dem peripheren Sichtfeld und dem Wunsch des Gehirns, Interpretationslücken zu schließen. Das heißt: Nehmen wir etwas nur flüchtig im Augenwinkel wahr, versucht das Gehirn, das Unbekannte durch visuelle Substitution einzuordnen. Auf diese Weise lässt sich zumindest das „Gespenster sehen“ erklären.

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    Zombies und ihr Ursprung im Voodoo

    Während Gespenster körperlose Seelen sind, handelt es sich beim Zombie um das genaue Gegenteil: einen seelenlosen Körper. Dieser erwacht nach seinem Tod wieder zum Leben und wandert willenlos umher. In der Populärkultur haben Zombies, die sich von Menschenfleisch ernähren, ihren festen Platz: Es gibt unzählige Filme, Serien und Computerspiele mit Zombies – meist in einem apokalyptischen Rahmen, in dem ein ansteckendes Virus zu ihrem Entstehen geführt hat.

    Das Wort Zombie leitet sich von dem Wort nzùmbe ab. Es stammt aus der Bantusprache Kimbundu, die im afrikanischen Nord-Angola gesprochen wird, und bezeichnete ursprünglich einen Totengeist. Menschen, die ab dem 15. Jahrhundert aus Westafrika nach Haiti verschleppt wurden, um dort als Sklaven auf Zuckerrohrplantagen zu arbeiten, brachten ihre Glaubensvorstellungen mit. Aus diesen ging die synkretistische Religion Voodoo hervor, in der vermutlich der Ursprung des Zombie-Mythos liegt. Schwarzmagier und Priesterinnen – sogenannte Bocors und Mambos – sind demnach dazu in der Lage, den Scheintod einer Person herbeizuführen und sie nach ihrer Bestattung wieder zum Leben zu erwecken. Der dadurch geschaffenen Zombie cadavre ist nach seiner Auferstehung zur ewigen Arbeit für seinen Meister oder seine Meisterin verdammt.

    Auch die Menschen in Europa fürchteten sich vor Untoten und versuchten, sie daran zu hindern, ihren Gräbern zu entsteigen. Davon zeugt zum Beispiel ein etwa 5.000 Jahre altes Grab auf Zypern, in dem Gebeine entdeckt wurden, die gefesselt und mit einem Stein beschwert waren. Eine andere Form der Zombie-Prophylaxe war die bis ins 18. Jahrhundert verbreitete Totenwache. Aufgabe der Wächter war es, den Wiederkehrer zu erschlagen, sollte er sich aus dem Grab oder von seinem Totenbett erheben. Rückblickend eine tragische Praxis, denn die Methoden zur Feststellung des Todes waren in früheren Zeiten eher unzuverlässig und dass ein vermeintlich Verstorbener eigentlich noch lebte, war nicht unwahrscheinlich.

    Im Jahr 1997 veröffentlichten der Londoner Psychiater Roland Littlewood und der in Haiti arbeitende Mediziner Chavannes Douyon in der Zeitschrift The Lancet eine Studie, für die sie drei Fälle von mutmaßlicher Zombiefizierung klinisch untersuchten. Einer der untersuchten Patienten litt unter katatonischer Schizophrenie, ein anderer war Epileptiker und wies außerdem eine Hirnschädigung auf, der dritte hatte eine extreme Lernstörung – vermutlich in Folge von mütterlichem Alkoholkonsum während der Schwangerschaft. Der Glaube an die Existenz von Zombies hätte sich, so die Studie, möglicherweise in der Kultur Haitis entwickelt, um derartige Erkrankungen zu erklären.

    Vampire und Nachzehrer

    Eine andere Form des Untoten oder Wiedergängers ist der Vampir, der jedoch im Gegensatz zum Zombie alles andere als willenlos ist. Der in der Popkultur bekannte Vampir hat scharfe Eckzähne, blasse Haut, zerfällt bei Kontakt mit Sonnenlicht zu Staub und ernährt sich vom Blut der Lebenden. In den südosteuropäischen Ursprüngen des Mythos werden all diese Merkmale zunächst jedoch nicht erwähnt.

    Er ist der wohl bekannteste Vampir aller Zeiten: Dracula. Nach dem Buch von Bram Stoker aus dem Jahr 1897 erschien 1931 die wohl bekannteste Verfilmung der berühmten Erzählung.

    Foto von Dracula, 1931

    Ihnen zufolge ist der Vampir schlicht ein Untoter. Schlimme Umstände wie Krankheiten oder Missernten wurden damit erklärt, dass er sein Unwesen trieb. Um ihn davon abzuhalten, weiteren Schaden anzurichten, wurde das Grab des mutmaßlichen Übeltäters geöffnet. Fand sich darin ein unverwester Leichnam, wurde dieser erneut „getötet“ – meist mit dem berühmten Pflock durch das Herz – und anschließend verbrannt.

    Eine der bekanntesten Meldungen von Vampirismus soll sich zur Blütezeit der Vampirberichte im serbischen Dorf Kisolova zugetragen haben. Innerhalb von acht Tagen waren hier neun Personen nach eintägiger Krankheit verstorben. Sie alle beschuldigten auf dem Totenbett den Bauern Peter Plogojewitz, der zehn Wochen zuvor beerdigt worden war, sie im Schlaf aufgesucht und gewürgt zu haben. Als man daraufhin dessen Grab öffnete, lag darin eine kaum verweste Leiche, deren Haare und Nägel gewachsen zu sein schienen. Der Leichnam hatte zudem Blut an den Lippen, das man für das seiner Opfer hielt. Der tote Körper wurde gepfählt und verbrannt.

    Kurze Zeit später reiste der deutsche Geistliche Michael Ranft nach Kisolova, um sich selbst ein Bild zu machen. Er erklärte den guten Erhaltungszustand der Leiche Plogojewitzs mit konservierenden Umwelteinflüssen und der Beschaffenheit der Erde, in der er begraben lag. Bei dem Blut an den Lippen des Toten handele es sich um rötlich gefärbtes Wasser und Sekrete.

    Schon früh wurde vermutet, dass die wahre Todesursache der vermeintlichen Vampiropfer eine Seuche war. Doch Berichte wie der von den Vorgängen in Kisolova, gemischt mit Mythen von blutrünstigen orientalisch-antiken Dämonen und Ungeheuern, sorgten dafür, dass Blutdurst sich als Definitionsmerkmal des Vampirs verfestigte. Spätestens mit dem 1897 erschienenen Roman Dracula des irischen Autors Bram Stoker war es schließlich etabliert.

    Im deutschsprachigen Raum war der Vampirmythos nicht so weit verbreitet wie in Osteuropa. Mit dem sogenannten Nachzehrer hat der westeuropäische Volksglauben jedoch eine ähnliche Figur zu bieten. Dieser soll vom Grab aus den Hinterbliebenen die Lebenskraft ausgesaugt haben, um sie zu sich zu holen. 

    Der Werwolf und der Teufel

    Chimären, Mischwesen aus Mensch und Tier, haben ihren Ursprung in jahrtausendealten Sagen und Legenden. Die meisten, etwa Minotaurus, Zentaur, Pan und Meerjungfrau, sind in der griechischen Mythologie zu Hause. Auch der Werwolf findet hier Erwähnung: Nachdem König Lyakon Zeus Menschenfleisch vorsetzte, soll der Göttervater ihn in einen Wolf verwandelt haben. Dies ist jedoch nicht der erste Bericht über Lykanthropie, ein Begriff, der sich von den altgriechischen Wörtern lýkos für Wolf‘ und ánthrōpos für Mensch ableitet. Die älteste schriftliche Erwähnung findet sich im babylonischen Gilgamesch-Epos aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., in dem die Göttin Ištar einen Schäfer in einen Wolf verwandelt.

    Dieser Holzschnitt aus dem frühen 16. Jahrhundert zeigt den blutigen Angriff eines Werwolfs auf eine Familie.

    Foto von Lucas Cranach der Ältere, 1472-1553

    Was als göttliche Strafe begann, entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte im christlichen Glauben zu einem religiös motivierten Schauermärchen. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit glaubte man, dass Menschen die Gestalt von Wölfen annahmen, nachdem sie einen Pakt mit dem Teufel eingegangen waren und von ihm einen Gürtel aus Wolfsfell erhalten hatten. Durch das Anlegen des Gürtels konnten sie die Verwandlung vollziehen und ihr Unwesen treiben.

    Werwolfprozesse im Rheinland 

    Der bekannteste Fall eines Werwolfprozesses ist der des Peter Stumpfs, der im 16. Jahrhundert im Rheinland 16 Morde in Gestalt eines Werwolfs begangen haben soll. Er gab den Teufelspakt unter Folter zu und wurde am 31. Oktober 1589 brutal hingerichtet. Ob er wirklich schuldig war, ist nicht mehr festzustellen. Es war die Zeit der Hexenprozesse. Und wie die Frauen, die als verurteilte Hexen den Tod fanden, waren auch die Männer, die als Werwölfe hingerichtet wurden, meist Opfer übler Nachrede durch Neider oder lebten am Rande der Gesellschaft. Stübbe-Peter war Protestant, was seinen katholischen Richter zu einer Verurteilung motiviert haben könnte. 

    Der Mythos und das überlieferte Erscheinungsbild des Werwolfs könnten ihren Ursprung außerdem in zwei Krankheiten haben, die sich auf unheimliche und für Menschen früherer Zeiten unerklärliche Weise äußerten: Hypertrichose und Tollwut. Erstere wird auch als Werwolf-Syndrom bezeichnet und lässt die Haare von Betroffenen überall am Körper – auch im Gesicht – stark wachsen. Tollwut wird durch den Biss eines infizierten Tieres oder Menschen übertragen. Symptome wie starke Aggression und starker Speichelfluss decken sich mit Beschreibungen der Schreckensgestalt. 

    Wie genau die Zusammenhänge sind, lässt sich teilweise nur noch vermuten. Vollkommen klar hingegen ist: Die Legenden um die Horrorwesen halten sich seit Jahrhunderten – und werden die Menschen wohl begleiten, solange es die Menschheit gibt.

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