Römische Infrastruktur: Wohlstand entlang antiker Straßen hält bis heute an
Die Römer erschufen einst ein Straßennetz von gigantischem Ausmaß. Eine schwedische Studie zeigt nun: Die Städte entlang dieser Wege sind bis heute überdurchschnittlich reich.
Einst wurden die Straßen zur einfacheren und schnelleren Verteilung und Versorgung römischer Truppen errichtet. Bis heute floriert die Wirtschaft an ehemaligen Verkehrsknotenpunkten wie Paris, London oder Mailand.
Vor mehr als 2.000 Jahren begannen die Römer damit, ein weitreichendes Straßennetz zu errichten. Einst für den schnellen Transport ihrer Truppen zu Legionsstützpunkten erbaut, dauerte es nicht lange, bis die Straßen auch als Handelswege genutzt wurden.
Über Jahrhunderte hinweg und bis in die heutige Zeit stehen diese ehemals 80.000 Kilometer umfassenden Verkehrswege in direkter Verbindung mit wachsendem oder schwindendem Wohlstand.
Diesen Zusammenhang beweist eine neue Studie aus Schweden. Die Forschenden der Universitäten Kopenhagen und Göteborg sowie des Dänischen Wirtschaftsrats veröffentlichten ihre Ergebnisse nun im Journal of Comparative Economics.
Nächtliche Satellitenbilder und antike Verkehrsrouten
Um ihrer These nachzugehen, verglichen die Forschenden zunächst die alten Römerstraßen mit dem heutigen Straßennetz. Dazu nutzten sie aktuelle nächtliche Satellitenbilder und Kartierungen des antiken Straßennetzes des Römischen Reiches und fanden heraus: die Verläufe ähneln sich. Dort, wo heutzutage besonders viele Straßen ausgeleuchtet sind, befanden sich in vielen Fällen auch alte Wegstrecken der Römer.
Aber damit nicht genug: Für präzisere Erkenntnisse nutzten die Forschenden ein Raster, mit dem sie das ehemalige Römische Reich auf den Karten in gleich große Quadrate aufteilten. Bei genauer Betrachtung der einzelnen Kästchen fällt auf: Heutzutage befinden sich größere Straßennetze, Verkehrsknotenpunkte und Städte hauptsächlich entlang der ehemaligen Truppen- und Handelswege.
„Es ist bemerkenswert, [...] dass die Römerstraßen zur Konzentration von Städten und wirtschaftlichen Aktivitäten beigetragen haben, obwohl sie verschwunden und von neuen Straßen bedeckt sind“, sagt Ola Olsson, Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Göteborg.
Was war zuerst da – die Straßen oder der Wohlstand?
Dieser Fakt führt zu einer der Hauptfragestellungen der Studie: Haben die Römer ihre Wegstrecken entlang besonders wirtschaftsstarker Regionen geplant – oder brachten erst ihre ausgebauten Straßen ein dementsprechendes wirtschaftliches Wachstum in diesen Gebieten hervor?
Laut Ola Olsson zählt diese Frage weiterhin zu den großen Herausforderungen des Forschungsgebiets: „Was diese Studie besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass die Straßen selbst verschwunden sind.“ Dennoch seien die Verkehrsnetze größtenteils immer noch in ihrer ursprünglichen Form erhalten. Zwar wäre das Chaos in Westeuropa nach dem Untergang des Römischen Reiches eine Gelegenheit gewesen, die wirtschaftlichen Strukturen neu auszurichten – doch „trotzdem ist das urbane Muster geblieben“, so Olsson.
Als Beispiel für die Grundsatzfrage nennt die Studie die Stadt Lugdunum – das heutige Lyon. Lugdunum wurde aufgrund mehrerer Aspekte zum wichtigen Knotenpunkt für die Römer. Neben dem geografisch nützlichen Standort nahe den Flüssen Rhone und Saône war vor allem die Römerfeindlichkeit der eigentlich viel bedeutenderen Stadt Vienne ein Grund, weshalb sich die Römer auf die Gründung einer neuen Schlüsselstadt fokussierten.
Während das römische Lugdunum zur drittgrößten und nach wie vor bedeutenden Großstadt heranwuchs, verblieb Vienne im Schatten der einst neu erschlossenen Kolonie. Daraus schloss das Team, dass der römische Straßenbau nicht auf dem „bereits bestehenden Netzwerk wohlhabender Städte in der Gegend basierte“.
Kamele statt Straßen: Transport beeinflusste Wirtschaftsentwicklung
Doch die römischen Straßen erzählen nicht nur Geschichten des Wohlstands: Im Süden und Osten des ehemaligen Römischen Reiches verschwanden sie – und sorgten für eine gegenteilige Entwicklung. Zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert wurde das Straßennetz aufgrund des Transports mit Kamelkarawanen immer seltener genutzt, bis es schließlich verfiel. Laut Olsson hatte dies Auswirkungen auf die unterschiedliche Entwicklung und Kontinuität des Wohlstandes.
„Man kann sagen, dass das Gebiet von einer sogenannten Umkehrung des Schicksals betroffen war“, so Olsson. Länder, die früh zivilisiert wurden – wie Irak, Iran und die Türkei – seien heute autokratisch und verzeichnen eine deutlich schlechtere wirtschaftliche Entwicklung als die Länder, die damals im Umfeld des wirtschaftlichen Wachstums standen.
Römische Investitionen mit jahrhundertelangem Profit
Auch in Deutschland sorgten die römischen Straßen für unterschiedliche ökonomische Entwicklungen: Aus Vergleichsdaten vorheriger Studien geht hervor, dass die wirtschaftliche Entwicklung südlich des römischen Grenzwalls Limes weiter fortgeschritten war als nördlich und außerhalb davon.
Laut Olsson und ihren Kollegen sei es für eine Siedlung nahe einer römischen Straße um 0,3 Prozent wahrscheinlicher, zu einer wirtschaftlich wichtigen Marktgemeinde heranzuwachsen. Eine scheinbar kleine Zahl, die laut der Studie jedoch einen wirtschaftlich recht großen Effekt aufweist.
Wirtschaftsstandorte, die an ehemals bedeutenden Römerstraßen liegen, profitieren also auch heute von den historischen Handelsknoten. Ein Verständnis über die weitreichenden Folgen von Investitionen in die Infrastruktur kann laut der Studie auch für moderne politische Entscheidungen wichtig sein.