Bad Ems: Wie die Römer auf einem Silberschatz saßen, ohne ihn zu finden
Vor etwa 2.000 Jahren errichteten die Römer in Bad Ems zwei Militärlager, die sie nur kurze Zeit später abrupt verließen. Archäologen vermuten nun, dass den Römern durch ihre frühe Aufgabe der Lager ein wahrer Schatz entging.

Dieser Abdruck auf einem Feld nahe Bad Ems ließ Archäologen aufmerksam werden. Unter der Erde verbargen sich die Überreste eines großen römischen Militärlagers, der Abdruck stellte sich als Rückstand des ehemaligen Doppelgrabens um das Lager heraus.
Erst war es nur eine dunkle Spur auf einem Feld, die ein Jäger im Jahr 2016 von seinem Hochsitz aus entdeckte. Doch bei Ausgrabungen in den darauffolgenden Jahren offenbarten sich darunter nach und nach die Überreste eines großen römischen Militärlagers, das im ersten Jahrhundert n. Chr. nahe Bad Ems errichtet wurde – und noch vor seiner Fertigstellung niedergebrannt worden war. Auch ein nahe gelegenes zweites Lager wurde nicht lange bewohnt.
Ein Team unter der Leitung des Archäologen Frederic Auth hat nun eine Vermutung aufgestellt, warum die Römer die Region so plötzlich verlassen haben könnten: Sie waren in der Region auf der Suche nach Silber und gaben auf, als sich das Vorhaben nicht zu lohnen schien. Ein Fehler, durch den ihnen der Schatz, der sich die ganze Zeit unter ihnen befunden hatte, verborgen blieb.
Zwei Militärlager an der Lahn
Während den mehrjährigen Grabungen zeigte sich zunächst der Aufbau des größeren der beiden Lager. Geomagnetische Untersuchungen des Bodens offenbarten einen doppelten Graben, der eine acht Hektar große Fläche – das entspricht circa elf Fußballfeldern – mit etwa 40 Holztürmen umgab. Bei Grabungen vor Ort kamen dann zusätzlich erste Bauten zum Vorschein. Doch dabei blieb es: Noch bevor Unterkünfte und weitere Gebäude gebaut werden konnten, schienen die Römer das Lager offenbar wieder verlassen zu haben. Die 3.000 Soldaten, die damals vor Ort gewesen sein mussten, schliefen während ihrer Zeit im Lager in Zelten.
Das zweite, kleinere Lager entdeckte das Team um Frederic Auth. Dieses war zwar vermutlich fertiggestellt worden, wurde aber – ähnlich wie das erste Lager – nach wenigen Jahren wieder verlassen. Obwohl es im Gegensatz zu der ersten Niederlassung wahrscheinlich nur um die 40 Mann beherbergte, handelte es sich wohl ebenfalls um ein Militärlager. Das zeigen ein Wachturm und eine Abwehrkonstruktion aus angespitzten Holzpfählen, die um das Lager gebaut wurden. Vor allem letztere war für das Team eine kleine Sensation: Derartige Anlagen kannte man zwar aus der Literatur, es wurden bisher aber keine gefunden.

Ein Teil der Befestigungsanlage, deren Funktion die Archäologen mit Stacheldraht vergleichen. Die angespitzten Holzpfähle sollten das kleinere der beiden Militärlager schützen.
Römer gruben am Silber vorbei
Doch warum haben die Römer erst die Notwendigkeit zweier Militärlager gesehen und die Pläne dann frühzeitig wieder gekippt? Das Team um Frederic Auth vermutet, dass die Römer glaubten, an dieser Stelle Silbererz abbauen zu können – welches sie dann hätten verteidigen müssen.
Diese Theorie stützt ein Schacht-Stollen-System, das auf römische Herkunft schließen lässt, und das die Archäologen unweit der Lager identifizierten. Zusätzlich berichten Aufzeichnungen des Geschichtsschreibers Tacitus aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. von Versuchen des römischen Statthalters Curtius Rufus, in der Gegend Silbererz abzubauen.
Allerdings befand sich der Stollen in Gesteinsschichten, in denen Silbererz kaum vorkommt. Nur wenige Meter darunter wären die Römer auf einen wahren Schatz gestoßen: Der Bad Emser Gangzug hätte ihnen um die 200 Tonnen Silbererz beschert – doch daran hatten sie vorbei gegraben. Um die Intentionen der Römer konkret zu verifizieren, sind laut den Archäologen allerdings weitere Studien notwendig. Klar ist, dass der Silbererzabbau nur Jahrhunderte später in der Region boomte – und die Römer dort leer ausgingen.
