Mustatil-Bauten: Waren die neolithischen Steinmonumente Opferstätten?

Die Mustatil-Bauten in der Wüste Saudi-Arabiens wurden lange vor den ägyptischen Pyramiden erbaut – doch zu welchem Zweck? Eine neue Studie legt nahe, dass sie Orte für Rituale und Opferzeremonien waren.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 28. März 2023, 10:06 MESZ
Luftaufnahme von drei Mustatil-Bauten in der arabischen Wüste.

Blick auf die Überreste dreier Mustatil-Bauten in Saudi-Arabien. Die Bauwerke sind bis zu 600 Meter lang und Jahrtausende alt.

Foto von AASKSA and The Royal Commission for AIUla

In der Wüste Saudi-Arabiens verteilen sich über weite Flächen unzählige rechteckige Steinmonumente: die Mustatil-Bauten. Über 1.600 dieser Bauwerke wurden bereits identifiziert, teilweise sind sie bis zu 600 Meter lang und können bis ins 5. Jahrtausend v. Chr. datiert werden. Somit sind sie älter als europäische Monumentalbauten wie Stonehenge oder die Cheops-Pyramide in Ägypten.

Zu welchem Zweck die neolithischen Erbauer die Steinmonumente damals errichteten, war bislang nicht eindeutig belegt. Ein internationales Forschungsteam ist dem nun nachgegangen und hat sich näher mit einem der Mustatil-Bauten nahe der saudi-arabischen Oase Al-ʿUla beschäftigt. Ihr Ergebnis: An der untersuchten Stätte gibt es klare Hinweise auf komplexe rituelle Handlungen und Opfergaben. Ihre Studie veröffentlichten die Forschenden im Fachmagazin PLOS one.

Mustatils: Riesige rechteckige Steinbauten

Erstmals systematisch untersucht wurden die Mustatil-Bauten im Jahr 2017 von dem Archäologen David Kennedy. Er fand heraus, dass die Monumente aus lokal verfügbaren Steinen wie Sandstein, Wüstenpflaster oder Basalt errichtet wurden und durch die rechteckigen Außenmauern eine Art Hof im Inneren bilden. Damals nannte er die Mustatil-Bauten noch „Gates“, weil sie aus der Luft wie riesige Tore aussahen. Mittlerweile hat sich der Name Mustatil, das arabische Wort für Rechteck, durchgesetzt.

Aufnahme des Mustatils, das im Zuge der aktuellen Studie ausgegraben und untersucht wurde. Dieses Bauwerk ist 140 Meter lang und befindet sich in der Wüste Nefud.

Foto von AASKSA and The Royal Commission for AIUla

Mittlerweile weiß man, dass in Nordarabien unzählige dieser Bauten errichtet wurden. Die kleinsten sind nur 20 Meter lang, die größten weisen eine Länge von 600 Metern auf. Das in der aktuellen Studie untersuchte Bauwerk begann das Forschungsteam 2019 auszugraben. Im Inneren des 140 Meter langen Rechtecks fanden sie dabei unzählige Überreste von Tieren – darunter hauptsächlich Schädelknochen von Rindern und Hörner von Ziegen.

Vor allem diese Funde sind es, die in den Mittelpunkt der Studie rückten. Denn sie zeigen erstmals den möglichen damaligen Zweck dieser Bauten: Sie könnten als Opferstätten gedient haben. „Aufgrund des außergewöhnlichen Erhaltungszustands liefern die in diesem Mustatil gefundenen Überreste erste Hinweise auf die rituellen Aktivitäten, die innerhalb dieser Monumente ausgeübt wurden“, heißt es in der Studie. 

Kultischer Glaube und rituelle Zeremonien

Auch die Anzahl und Vielfalt der Überreste spricht für eine rituelle Nutzung. „Es sieht so aus, als habe man damals Rinder, Ziegen und Gazellen zu der Stätte gebracht, diese dort möglicherweise geschlachtet und dann einer wahrscheinlich steinernen Darstellung einer unbekannten Gottheit dargeboten“, sagt Melissa Kennedy, Archäologin an der University of Western Australia und Hauptautorin der Studie. Dass die Bauten teilweise hunderte von Metern groß sind, lasse außerdem auf die Komplexität dieser rituellen Praxis schließen.

BELIEBT

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    Darüber hinaus betont Kennedy die weite Verbreitung der Mustatil-Bauten. „Das deutet darauf hin, dass ein großer Teil Nordarabiens von einem ähnlichen kultischen Glauben und rituellen Bau geprägt war“, sagt sie. Es habe also eine zu jener Zeit ungewöhnliche Verbundenheit zwischen den Mustatil-Erbauern gegeben. Rituelle Zeremonien könnten sich demnach durch Pilgeraktiviäten und eine ungewöhnliche Mobilität der Mustatil-Erbauer verbreitet haben. 

    Zusätzlich betont die Studie, dass die Überreste im Inneren des Bauwerks darauf schließen lassen, dass auch das Halten von Rindern und anderen Tieren in Herden in Nordarabien bereits verbreitet war. „Generell bedarf unser Verständnis des Neolithikums auf der Arabischen Halbinsel einer weiteren Überprüfung“, so Kennedy. Denn zwischen komplexen Opferzeremonien, einer breiten Vernetzung und etablierter Herdenhaltung zeigt sich, wie weit die Menschen damals bereits entwickelt waren. 

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