Altes Ägypten: Die Geheimnisse der Tiersarkophage

Nicht nur Menschen wurden im Alten Ägypten mumifiziert, sondern auch unzählige Tiere. Forschende haben nun in sechs 2.500 Jahre alte Tiersarkophage geblickt – und ihre Geheimnisse gelüftet.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 2. Mai 2023, 09:38 MESZ
Votivkästchen mit Tierstatue.

Tiersarg, auf dem ein halb aus Aal, halb aus Kobra bestehendes Wesen mit Menschenkopf thront. 

Foto von British Museum

Menschliche Mumien aus dem Alten Ägypten sind schon lange Mittelpunkt der modernen Forschung. Ihre Untersuchung deckt Geheimnisse aus dem Alltag der damaligen Menschen auf, erzählt von ihrem gesellschaftlichen Stand und davon, wen sie verehrten. 

Doch nicht nur Menschen wurden damals mumifiziert – auch Tiermumien werden regelmäßig in altägyptischen Nekropolen und Gräbern entdeckt. So nahmen Pharaonen beispielsweise ihre geliebten Haustiere mit ins Jenseits. Aber auch Tieropfer, die für die Toten erbracht wurden, wurden als Grabbeigaben mumifiziert und den Toten beigelegt – darunter Reptilien, Katzen, Ibisse und größere Opfertiere wie Stiere.

Ein Teil dieser mumifizierten Tiere wurde in sogenannten Votivkästchen bestattet, auf denen Tiere oder Tier-Mensch-Hybriden abgebildet waren – oftmals in Form gegossener Statuen, die mit dem Kasten direkt verbunden waren. In solche erlangte ein Forschungsteam nun Einblick.

Massentierhaltung für Opfergaben?

Die Erstellung von Tiermumien zu religiösen oder zeremoniellen Zwecken war im Alten Ägypten ein richtiger Industriezweig. Vor allem kleinere Tiere wie Katzen und Ibisse wurden in großen Mengen eigens dafür gezüchtet, um als Opfergaben mumifiziert zu werden. Diese Tiere wurden teilweise bereits recht jung getötet.

Tiere spielten im Alten Ägypten eine große Rolle. Neben ihrem Dasein als Haustier, dienten sie auch als Opfergaben in rituellen Zeremonien oder als Symbol für verschiedene Gottheiten. Mumifiziert wurden sie in jeder dieser drei Funktionen.

Foto von CC BY 2.0 / Wikimedia

Es gab allerdings auch Tiere, die mumifiziert wurden, weil man glaubte, sie seien Wiedergeburten bestimmter altägytpischer Gottheiten. Diese Tiere wurden offiziell von Priestern ausgewählt und durften fortan in speziellen Gehegen ein besonders behütetes Leben führen, bis sie eines natürlichen Todes starben. Sie wurden nach ihrer Mumifizierung in eigens für sie errichteten Untergrundbauten bestattet. Laut den Forschenden enthalten einige solcher unterirdischen Komplexe Hunderte oder gar Tausende solcher Tiermumien.

Doch nur die wenigstens von ihnen landeten in einem der Tiersarkophage, von denen sechs nun im Rahmen der Studie eines Forschungsteam des British Museum in London und des Science and Technology Facilities Council (STFC) untersucht wurden. Das Team wollte herausfinden, ob die Kästen immer das Tier enthielten, was auf ihnen abgebildet war – und ob die Kisten somit Teil eines rituellen Opferbrauchs oder lediglich symbolischer Natur waren.

Geheimer Blick in verschlossene Särge

Für ihre Studie untersuchte das Team sechs versiegelte Tiersarkophage aus dem ersten Jahrtausend v. Chr., die zuvor in altägyptischen Stätten wie Naukratis und Tell el-Yehudiyeh im Nildelta ausgegraben wurden. Die Boxen sind jeweils mit Darstellungen von Eidechsen oder Aalen verziert, teilweise mit einer Mischung aus beiden oder mit einem zusätzlichen menschlichen Kopf. „Votivdosen mit Darstellungen von Aalen und Eidechsen wurden im alten Ägypten mit dem Sonnen- und Schöpfergott Atum in Verbindung gebracht“, so die Forschenden.

Ihre Untersuchungen der mehr als 2.500 Jahre alten Kästen zeigten: Einige von ihnen enthielten tatsächlich Überreste von Tieren und Stoffreste, die darauf schließen lassen, dass die Tiere vor ihrer Bestattung mumifiziert worden waren. Aufgrund der Größe der Tierüberreste glauben die Forschenden außerdem, dass zumindest in einem Teil der Kästen Eidechsen bestattet wurden. „Das zeigt, dass die gegossenen Tierfiguren auf den Kisten möglicherweise den darin enthaltenen Überresten entsprechen sollten“, heißt es in der Studie.

BELIEBT

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    An ihre Ergebnisse gelangten die Forschenden mithilfe einer neuen, nicht-invasiven Technologie, die ihnen erlaubte, die Außenwände der Sarkophage zu durchleuchten, um ihren Inhalt zu bestimmen. Bei der sogenannten Neutronentomografie durchdringen Neutronenstrahlen eine äußere Hülle und geben dadurch einen Einblick ins Innere – eine Art Röntgenblick. „Mithilfe dieser Methode haben wir die Möglichkeit, mehr über die rituellen Praktiken im Zusammenhang mit diesen einst undurchdringlichen Tiersärgen zu erfahren“, sagt Aurélia Masson-Berghoff, Mitaurotin der Studie und Ägyptologin am British Museum.

    Sie und ihre Kolleg*innen glauben, dass die Eidechsenmumien, die sie in den Sarkophagen vermuten, Teil einer Opferzeremonie waren und im Rahmen eines religiösen Festes bestattet wurden. Dennoch müssten weitere Studien zeigen, ob die Särge dabei einen großen symbolischen Wert hatten.

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