Mumifizierung im Alten Ägypten: War die Konservierung der Leiche nur ein Nebeneffekt?
Die Mumifizierung der Alten Ägypter diente dem Erhalt ihrer Körper – so die weit verbreitete Annahme. Doch die Praxis verfolgte möglicherweise einen ganz anderen Zweck.
Masken und Umhüllungen sollten die Toten im Alten Ägypten unsterblich machen. Dabei ging es weniger darum, dem Abbild der verstorbenen Person treu zu bleiben, sondern sie möglichst idealisiert und gottähnlich darzustellen.
Mumien bieten uns einen einzigartigen Einblick in die Vergangenheit der Menschheit. Seit Jahrhunderten sind Forschende und Laien von den konservierten Leichnamen fasziniert. Bislang konzentrierte sich die Wissenschaft bei der Erforschung von Mumien deshalb vor allem auf die Art und Weise, auf die es den Menschen damals gelang, die Körper der Toten durch Mumifizierung der Nachwelt zu erhalten.
Golden Mummies of Egypt, eine neue Ausstellung des Manchester Museum, will diesen Fokus nun ändern: Sie lenkt den Blick vom Inhalt der Särge auf ihr Äußeres. Die Theorie, die Campbell Price, Ägyptologe und Kurator der Ausstellung, in Golden Mummies of Egypt präsentiert: Die Erhaltung des Körpers unter den Tüchern und Masken war ein Nebenprodukt der Mumifizierung, nicht ihr hauptsächlicher Zweck. „Bei der Mumifizierung ging es in Wirklichkeit darum, den Leichnam in ein ewiges Abbild zu verwandeln, wie das eines Gottes, das der Person zu Lebzeiten überhaupt nicht ähnlich gewesen sein muss”, sagt Price.
In der Ausstellung wird der Fokus auf die Masken und Umhüllungen der Mumien gelegt, nicht auf die Rekonstruktionen oder den Körper an sich.
Warum wurden Menschen mumifiziert?
Die Ausstellung, die bereits seit drei Jahren durch verschiedene Museen der Welt reist, konzentriert sich auf Mumien aus Ägypten, die zur griechisch-römischen Zeit entstanden sind. Sie unterscheiden sich vor allem durch ihren Erhaltungszustand von den weitaus bekannteren Mumien aus dem Neuen Reich. Laut Campbell sind Erstere weniger gut konserviert – und eignen sich somit dazu, den Blick auf die Verzierungen der Mumien und Särge zu werfen.
„Anstatt sich auf CT-Scans und Röntgenaufnahmen zu konzentrieren und zu versuchen, den Gesundheitszustand der mumifizierten Personen zu analysieren, ist die Ausstellung mehr auf den Zweck des Gesamtpakets bedacht”, so Price. Denn das sei auch die Intention der Menschen gewesen, die die Mumien vor langer Zeit erschufen. Ziel der Mumifizierung sei nicht gewesen, die Leichname der Nachwelt möglichst unversehrt zu erhalten, sondern die Toten durch die Verzierungen so zu idealisieren, dass sie auf das Leben nach dem Tod vorbereitet waren.
Die Faszination für den konservierten Körper
Populär wurde die Idee, dass die Mumifizierung zur möglichst perfekten Konservierung des Leichnams diente, laut Price im Viktorianischen Zeitalter. „Ich denke, dass viele allgemeine Auffassungen von Mumifizierung von den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts über die christliche Auferstehung und die Unversehrtheit des Körpers herrühren”, so Price. Zusätzlich habe damals auch die morbide Faszination für Verfall und Verwesung begonnen.
Seither haben sich westliche Forschende oftmals vor allem mit dem Inhalt der Särge beschäftigt. Das will Price ändern. Er bezieht sich dabei auch auf die Forschung von Christina Riggs: Sie zeigt in ihrem Buch Unwrapping Ancient Egypt, dass der Großteil der kulturellen Bedeutung eigentlich in den kunstvollen Umhüllungen der Mumien steckt.
Dabei gehörte zu den Reinigungsritualen zwar auch die Dehydrierung der Leichname. Für das Leben nach dem Tod standen aber hauptsächlich die Verzierungen und die kunstvollen Särge und Masken im Mittelpunkt – und nicht der Leichnam an sich.