Eisenzeitliche Stuhlprobe: Schon in der Antike gab es Durchfall

In den über 2.700 Jahre alten Fäkalien einer eisenzeitlichen Latrine aus Jerusalem entdeckten Forschende einen Erreger der Diarrhoe. Er ist der älteste jemals gefundene Nachweis für Darmerkrankungen.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 6. Juni 2023, 09:27 MESZ
Latrine aus der Eisenzeit in Jerusalem.

Eine der beiden untersuchten Latrinen aus einer archäologischen Stätte aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. im Süden von Jerusalem. Das Loch in der Mitte war für Fäkalien gedacht, während das kleinere vordere Loch für das männliche Urinieren dienen sollte. 

Foto von F. Vukasavovic

Magenkrämpfe und flüssiger Stuhlgang: Von den Symptomen einer Durchfallerkrankung werden Menschen schon seit Tausenden von Jahren geplagt. In antiken Texten aus Mesopotamien aus dem 1. und 2. Jahrtausend v. Chr. findet man bereits erste Hinweise auf die Erkrankung: „Wenn eine Person Brot isst und Bier trinkt und daraufhin plötzlich eine Magenkolik, Magenkrämpfe und Darmfluss bekommt, hat setu ihn erwischt.“

Auch im eisenzeitlichen Jerusalem blieb die Bevölkerung offensichtlich nicht von der Diarrhoe verschont. Das konnte ein Forschungsteam der University of Cambridge nun im Rahmen einer Studie, die in der Zeitschrift Parasitology erschien, zeigen. In einer eisenzeitlichen Latrine in Jerusalem fanden die Archäolog*innen Spuren eines Diarrhoe-Erregers in antiken Fäkalien. Er kann auf das 7. Jahrhundert v. Chr. datiert werden – und ist damit der älteste Beweis für Durchfallerkrankungen, der je gefunden wurde.

Fäkalienproben aus jahrtausendealten Toiletten

Die Fäkalienproben entnahmen die Forschenden aus dem Sediment unterhalb von zwei eisenzeitlichen Toiletten, sogenannten Latrinen. Sie stammen aus zwei verschiedenen archäologischen Ausgrabungsstätten im Süden der Old City – aus dem 7. Jahrhundert und 8. Jahrhundert v. Chr., als Jerusalem Hauptstadt des eisenzeitlichen Königtums Juda war. 

Die beiden vorchristlichen Toiletten sahen fast identisch aus: Sie hatten Sitze aus Stein mit einer flachen, gewölbten Sitzfläche sowie ein großes Loch in der Mitte für Fäkalien und ein kleineres Loch davor, das für das männliche Urinieren gedacht war. „Toiletten mit Senkgruben aus dieser Zeit sind relativ selten und waren normalerweise für die Elite gedacht“, erklärt Studienleiter Piers Mitchell, Archäologe an der University of Cambridge. 

Mithilfe einer biomolekularen Technik namens „ELISA“ untersuchten die Forschenden die Fäkalienproben aus den Latrinen schließlich auf die drei häufigsten Diarrhoe-Erreger beim Menschen: die Einzeller EntamoebaGiardia und Cryptosporidium

Das erstaunliche Ergebnis: Während die Tests auf Entamoeba und Cryptosporidium negativ ausfielen, waren die Tests auf Giardia wiederholt positiv. Es ist der älteste Fund dieses einzelligen Parasiten – und damit auch der älteste Beweis für Durchfall beim Menschen. 

Darminfektionen: Verbreitetes Problem im Alten Orient

Doch Giardia verursacht nicht nur Durchfallerkrankungen, sondern auch Ausbrüche von Ruhr – so werden Infektionskrankheiten des Dickdarms genannt. Mit ihren Symptomen Durchfall, Bauchkrämpfe, Fieber und Austrocknung kann die Ruhr tödlich verlaufen, „insbesondere bei Kleinkindern“, so Mitchell. 

„Wir vermuten, dass die Erkrankung in den frühen Städten des Alten Orients ein großes Problem darstellte“, sagt der Archäologe. Denn die Ruhr werde durch von Fäkalien verunreinigtes Trinkwasser oder Essen verbreitet und hätte sich aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte, der Hitze, Fliegen und einer limitierten Trinkwasserzufuhr im Sommer im eisenzeitlichen Jerusalem rasch ausbreiten können. 

„Die Tatsache, dass diese Parasiten im Sediment von zwei eisenzeitlichen Jerusalemer Senkgruben gefunden wurden, deutet darauf hin, dass die Ruhr im Königreich Juda endemisch war“, so Mitchell. 

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