Wie sah Shakespeare wirklich aus?

Seine Werke sind bis heute weltbekannt, doch um William Shakespeare selbst ranken sich unzählige Geheimnisse. Unter anderem ist bis heute unklar, wie der berühmte Autor tatsächlich aussah – und welche Darstellungen des Barden die Realität abbilden.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 18. Sept. 2023, 10:43 MESZ
Porträt Shakespeares, in dem er eine Halbglatze und einen Schurr- sowie Kinnbart trägt.

Das sogenannte Flower-Portät eines unbekannten Malers ist im 19. Jahrhundert entstanden und eines von vielen, die Shakespeare darstellen sollen. 

Foto von Wikimedia Commons

Wenn man die Augen schließt und versucht, sich vorzustellen, wie William Shakespeare ausgesehen hat, hat man schnell ein recht konkretes Bild vor Augen: ein weißer Mann mittleren Alters mit Spitzbart, Halbglatze und tiefen Augenhöhlen. Manchmal trägt er einen Ohrring. Diese spezifischen Merkmale lassen uns den Barden aus dem 16. Jahrhundert sogar in Karikaturen und vereinfachten Darstellungen erkennen. 

Obwohl Abbildungen von Shakespeare heute unverkennbar scheinen, haben sie doch alle einen wesentlichen Haken: Es ist möglich, dass keine einzige von ihnen zeigt, wie der weltberühmte Autor tatsächlich aussah. Die meisten der Gemälde, Statuen und Büsten entstanden nach seinem Tod – und nur ein verschwindend kleiner Teil von ihnen wurde von Personen erschaffen, die Shakespeare tatsächlich gekannt haben könnten. 

Das Chandos-Porträt

Seit Jahrhunderten wird über Shakespeares Äußeres gerätselt. Literaturwissenschaftler*innen und Historiker*innen haben inzwischen drei Darstellungen ausgemacht, auf deren Basis vermutlich alle anderen existierenden entstanden sind. Doch auch sie unterscheiden sich voneinander – und zeigen Shakespeare mal in gutem und mal in schlechterem Licht.

Das sogenannte Chandos-Porträt ist das einzige, von dem bislang angenommen wird, dass es in Shakespeares Anwesenheit angefertigt wurde. Ob es wirklich den Barden abbildet, ist bisher jedoch nicht vollständig geklärt.

Foto von Wikimedia / CC BY 1.0

Die wohl bekannteste dieser drei Darstellungen ist ein Gemälde, von dem Forschende vermuten, dass es als einziges in Shakespeares Anwesenheit angefertigt wurde: das Chandos-Porträt. Vermutlich hat der Maler John Taylor es zwischen 1600 und 1616 gemalt – also kurz vor dem Tod Shakespeares, der von 1564 bis 1616 lebte. Benannt ist das Gemälde nach einem seiner ersten Besitzer, dem Duke of Chandos, der das Bild vermutlich um 1747 in seinen Besitz brachte. 

Sicher herauszufinden, woher das Gemälde stammt, wer es wirklich gemalt hat und wie alt es ist, ist allerdings bis heute nicht gelungen. Darum ist auch nicht klar, ob das Bild tatsächlich mit konkreter Vorlage entstanden ist. „Ohne eine genaue Dokumentation über die Herkunft des Bildes werden wir das wohl nie erfahren“, zitiert Bill Bryson die Kunsthistorikerin Tarnya Cooper in seinem Buch Shakespeare aus dem Jahr 2017. 

Der Droeshout-Kupferstich und die Janssen-Statue

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    Die Titelseite des ersten Gesamtwerks Shakespeares mit einem vermeintlichen Kupferstich des Barden.

    Foto von Martin Droeshout, 1601–1650
    Rechts: Unten:

    Die Statue des Steinmetz Gheerart Janssen ist die Darstellung Shakespeares, die im Vergleich mit anderen Abbildern Shakespeares am stärksten aus der Reihe fällt. Liegen könnte das an der Bemalung der Statue, die nicht mehr im Original vorhanden ist.

    Foto von Wikimedia / CC BY 4.0

    Neben dem Chandos-Porträt gibt es noch zwei weitere Darstellungen, die den Barden lebensecht zeigen könnten. Die erste ist die sogenannte First Folio, das Titelblatt der ersten Gesamtausgabe von Shakespeares Werken, die im Jahr 1623 erschienen ist. Auf diesem prangt ein Kupferstich des niederländischen Künstlers Martin Droeshout, der möglicherweise den Barden abbildet. Mindestens eine Person, die Shakespeare vor seinem Tod kannte, hat die Darstellung als akkurat beschrieben. 

    Forschende zweifeln allerdings an der Glaubhaftigkeit dieser Aussage – unter anderem aufgrund der mangelnden künstlerischen Fähigkeiten Droeshouts. Außerdem starb Shakespeare sieben Jahre vor der Entstehung des Kupferstichs. Droeshout muss also auf Basis von Beschreibungen gearbeitet haben. Vielleicht nutzte er sogar das Chandos-Porträt als Vorlage.

    Als dritter Kandidat ist eine lebensgroße Statue des Autoren im Rennen. Sie befindet sich in der Holy Trinity Church in Stratford-upon-Avon, in der Shakespeare nach seinem Tod beigesetzt wurde. Angefertigt wurde sie im Jahr 1623 von dem Steinmetz Gheerart Janssen, der Shakespeare möglicherweise zu Lebzeiten im Theater sah. Allerdings wurde die Bemalung der Statue, ohne die die Gesichtszüge nur schwer erkennbar sind, in den folgenden Jahrhunderten mehrmals abgewaschen und übermalt. Ob die Statue das Gesicht und die Statur Shakespeare also tatsächlich lebensecht wiedergibt, ist zu bezweifeln.

    Shakespeare oder nicht Shakespeare

    Es gibt noch wenige weitere Bilder – darunter das Cobbe-Porträt –, die Forschenden zufolge zu Shakespeares Lebzeiten und von Personen, die ihn kannten, gemalt worden sein könnten. Konkrete Beweise fehlen allerdings in allen Fällen. „Die paradoxe Folge davon ist, dass wir alle ein Abbild von Shakespeare erkennen, sobald wir eines sehen, und doch nicht wirklich wissen, wie er aussah“, so Bill Bryson in seinem Buch. 

    Ebenso spannend sei, dass sich die Ungewissheit über Shakespeares Aussehen auch auf andere Bereiche seines Lebens ausweite. Beispielsweise wurde bislang keines der originalen Manuskripte von Shakespeares Werken gefunden und seine Handschrift ist lediglich durch sechs Unterschriften, die er auf seinem Testament machte, bekannt. In genau diesem schrieb er auch seinen Namen auf gleich mehrere Weisen, darunter „William Shakspere”, „Willm Shaksp” und „William Shakspeare“, nicht jedoch die heute bekannte Version „William Shakespeare“. Auch über sein Familienleben, seine Sexualität und den Verlauf seiner Karriere ranken sich unzählige Theorien.

    Laut Bryson sind all diese ungeklärten Fragen aber wohl ein weiterer Grund, warum Shakespeare bis heute so viele Menschen in seinen Bann zieht – neben seinen Werken, deren Thematiken und Geschichten die Jahrhunderte überdauert haben.

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