Kennedy-Attentat: Drei hartnäckige Verschwörungsmythen

Bis heute sind viele Menschen davon überzeugt, dass der 1963 ermordete US-Präsident John F. Kennedy einer Verschwörung zum Opfer fiel.

Von National Geographic
Veröffentlicht am 5. Nov. 2023, 16:54 MEZ
John F. Kennedy Junior salutiert vor dem Sarg seines Vaters, US-Präsident John F. Kennedy.

John F. Kennedy Junior salutiert vor dem Sarg seines Vaters, US-Präsident John F. Kennedy.

Foto von JFK Library

Am 22. November 1963 wurde US-Präsident John F. Kennedy gegen 12.30 Uhr in Dallas in seiner offenen Limousine erschossen. Zwei Kugeln hatten ihn am Hals und in den Kopf getroffen. Wenig später nahmen die Ermittler den mutmaßlichen Todesschützen Lee Harvey Oswald gefangen. Oswald selbst wurde zwei Tage später in Polizeigewahrsam von dem Nachtclubbesitzer Jack Ruby erschossen. Ruby hatte das Polizeigebäude ungehindert betreten können.

Diese Tatsache sowie unterschlagene Beweise, widersprüchliche Aussagen und Fehler bei den Ermittlungen ließen Zweifel an der offiziellen Darstellung aufkommen, wonach Oswald der alleinige Täter gewesen sei. Bald schon kursierten die ersten Verschwörungstheorien. Steckte die Mafia hinter dem JFK-Attentat? Handelte Oswald im Auftrag der Kommunisten? Hatten die US-Geheimdienste ihre Hände im Spiel? Drei besonders verbreitete Theorien im Überblick

1. Die CIA-Verschwörung: War der Geheimdienst involviert?

Einer beliebten Verschwörungserzählung zufolge war der US-Geheimdienst in das JFK-Attentat verwickelt. Anhänger dieser Theorie verweisen darauf, dass Kennedy und CIA sich spinnefeind gewesen seien. Als Auslöser sehen sie die gescheiterte Invasion in der Schweinebucht auf Kuba im Jahr 1961. Mit verdeckter Unterstützung der CIA sollten Exilkubaner hierbei Fidel Castro stürzen. Doch die Operation schlug fehl und geriet zum außenpolitischen Fiasko für die USA. Kennedy habe gedroht, er werde die CIA „in tausend Stücke zersplittern und in alle Winde zerstreuen“. Es gilt als gesichert, dass es tatsächlich Pläne gab, die CIA durch Stärkung der NSA zurückzudrängen. Ließ die Agency also JFK ermorden, weil sie ihre Auflösung fürchtete? 

Allerdings: Wären die Drahtzieher der CIA erwischt worden, hätte das wohl tatsächlich die Auflösung der Behörde bedeutet – und ihre Verantwortlichen schnurstracks auf den elektrischen Stuhl befördert. Überdies stellt sich die Frage: Wieso sollte der Geheimdienst des mächtigsten Landes der Welt mit Top-Agenten in den eigenen Reihen ausgerechnet einen psychisch labilen Amateur wie Lee Harvey Oswald für eine solch brisante Operation einsetzen?

Lee Harvey Oswald nach seiner Festnahme

Lee Harvey Oswald nach seiner Festnahme

Foto von Gemeinfrei

2. Die Kommunisten und der Kalte Krieg: Ein Attentat als geopolitischer Schachzug?

Im Kontext des Kalten Krieges gab es Spekulationen darüber, ob die Sowjetunion in das JFK-Attentat verwickelt war. Diese Theorie beruht auf der Vorstellung, dass die Sowjets Kennedy aus dem Weg räumen wollten, um geopolitische Vorteile zu erlangen. Ein kolportiertes Motiv: Rache für die 1962 in der Kubakrise erlittene Demütigung, als die Sowjets ihre dort stationierten Raketen abziehen mussten. Anhänger der These berufen sich auf die Tatsache, dass Oswald bekennender Marxist war, zeitweise in der Sowjetunion lebte und eine Russin heiratete. Ein Doppelgänger Oswalds habe das Attentat im Auftrag des KGB begangen. Auch Oswald-Mörder Jack Ruby sei ein russischer Agent gewesen. 

Eine Exhumierung ergab jedoch, dass der echte Oswald im Grab lag. Außerdem: Wenn Ruby im Auftrag einer geheimen Macht gehandelt hätte, warum hatte er dann mehrere Tage gewartet? Er hätte Oswald direkt nach dem Attentat erschießen können, um ihn zum Schweigen zu bringen. Und: Wäre die Sowjetunion aufgeflogen, hätte dies unweigerlich den Dritten Weltkrieg zur Folge gehabt. 

Wenn nicht die Sowjets selbst hinter dem Anschlag steckten, dann womöglich ihre kommunistischen Verbündeten auf Kuba? Immerhin hatte Kennedy mehrfach vergeblich versucht, deren Anführer Fidel Castro zu beseitigen. Castro hatte wohl tatsächlich ein handfestes Motiv. Und er hätte eine atomare Katastrophe offenbar billigend in Kauf genommen. Schon während der Kubakrise 1962 hatte er die Sowjets dazu ermuntert, Atomraketen auf die USA abzufeuern und das kubanische Volk zu Märtyrern stilisiert. Doch wären Castro und die Sowjets tatsächlich das Wagnis eingegangen, auf unzuverlässige Leute mit zwielichtiger Vergangenheit wie Oswald und Ruby zu setzen?

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    3. Die Mafia-Verwicklung: Rache für Kennedys Kampagne gegen das organisierte Verbrechen?

    Eine andere populäre Theorie besagt, dass die Mafia für das Attentat verantwortlich war. Anhänger dieser Theorie führen ins Feld, dass Kennedy selbst Verbindungen zur Unterwelt gehabt habe. Im Präsidentschaftswahlkampf 1960 hatte ein Mafia-Boss für Kennedy gespendet. Außerdem hatte die CIA gemeinsame Sache mit dem organisierten Verbrechen gemacht, um Castro zu stürzen.

    Später aber startete die Kennedy-Regierung mit seinem Bruder Robert als Justizminister eine rigorose Kampagne gegen das organisierte Verbrechen. Fühlte die Mafia sich verraten? Ordnete sie deshalb die Ermordung von JFK an? Spekulierte sie darauf, das JFKs Nachfolger Lyndon B. Johnson einen neuen Justizminister installieren würde? Tatsächlich blieb Robert Kennedy nach der Ermordung seines Bruders zunächst im Amt. Und auch Johnson selbst galt nicht als Mafia-Freund. 

    Was außerdem gegen die These spricht: Wäre es für die geschäftstüchtige Mafia nicht viel lukrativer gewesen, JFK wegen seiner Verbindungen zur Unterwelt zu erpressen und ihm dabei Zugeständnisse abzuringen, anstatt in einfach kalt zu stellen? Und: Musste sie nicht damit rechnen, dass sie nur umso härter verfolgt werden würde, wenn der Mord aufgeflogen wäre?

    Vertreter der Mafia-Theorie weisen darauf hin, dass Oswald-Mörder Jack Ruby in Mafia-Kreisen verkehrte. Er habe den JFK-Attentäter erschossen, um ihn von einer Aussage abzuhalten. Doch auch muss man sich fragen: Warum erst Tage nach dem Attentat? Oswald hätte doch schon vorher auspacken können.

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    Neue Akten zum JFK-Attentat veröffentlicht

    Fast 60 Jahre nach dem Attentat hat US-Präsident Joe Biden im Dezember 2022 mehr als 13.000 bislang geheim gehaltene Dokumente veröffentlichen lassen. Damit seien jetzt 97 Prozent der Kennedy-Akten öffentlich zugänglich, sagte seine Regierungssprecherin. Trotzdem glaubt auch heute eine große Mehrheit der US-Amerikaner an ein Mord-Komplott.

    Für viele Menschen scheint es offenbar unvorstellbar, dass der mächtigste Mann der Welt einfach durch die Hand eines einfachen Mannes mit psychischen Problemen und einer Verkettung von Unfällen starb. Sie klammern sich an Verschwörungsmythen. Denn die versprechen Ordnung in einer unübersichtlichen Welt. 

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