Kennedy-Attentat: Wer war der rätselhafte „Umbrella Man“?

Selbst 60 Jahre danach sorgt der Mord an US-Präsident John F. Kennedy für Diskussionen. Was hat es mit dem „Umbrella Man“ auf sich, der kurz vor den tödlichen Schüssen bei sonnigem Wetter seinen Regenschirm aufspannte?

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 31. Okt. 2023, 10:18 MEZ
Ein Foto kurz vor dem Attentat auf John F. Kennedy. Rechts am Straßenrand sitzend: der "Umbrella ...

Kurz vor dem Attentat. Rechts am Straßenrand sitzend: der "Umbrella Man".

Foto von Gemeinfrei

Dealey Plaza in Dallas am 22. November 1963: Am Straßenrand sitzt ein junger Mann. Er trägt ein helles Hemd und eine dunkle Jacke. Vor ihm liegt ein schwarzer Regenschirm. Der Himmel hat sich aufgehellt, die Sonne kommt zum Vorschein. Doch als sich gegen 12.30 Uhr die Limousine des US-Präsidenten nähert, öffnet der Unbekannte seinen Schirm und schwenkt ihn über seinem Kopf. Kurz darauf fallen drei Schüsse. Die erste Kugel durchschlägt Kennedys Hals, die zweite trifft ihn in den Kopf. Hat der Mann mit dem Schirm das Signal zum Abfeuern der tödlichen Schüsse gegeben? 

Bis heute ranken sich zahlreiche Mordtheorien um das Attentat auf John F. Kennedy. Viele Spekulationen stützen sich auf den sogenannten Zapruder-Film. Ein Passant namens Abraham Zapruder hatte das Attentat zufällig mit seiner Schmalfilmkamera aufgenommen. Die mit der Tat befassten Untersuchungskommissionen verwendeten den rund 26 Sekunden langen Film als wichtiges Beweismittel. Auch der Mann mit dem Schirm ist darauf zu sehen.

Ein Regenschirmträger an einem sonnigen Mittag am Ort eines unfassbaren Verbrechens? Das beflügelte nicht nur die Phantasie von Hobbyermittlern, Verschwörungsgläubigen und der Filmindustrie. Auch die Ermittler fahndeten nach dem „Umbrella Man“. Doch der blieb spurlos verschwunden. Erst 15 Jahre später meldete sich ein Mann, der behauptete, das Phantom zu sein. Sein Name: Louie Steven Witt. Er habe nicht gewusst, dass man nach ihm suchte. Seinen Schirm habe er immer noch. 

Ein Schirm als Zeichen des Protests

Witt gab an, seinen Schirm als Zeichen des Protests gezückt zu haben. Nicht wegen seines Unmuts gegen den US-Präsidenten, sondern gegen dessen Vater. Als US-Botschafter in London hatte Kennedy Senior in den 1930er-Jahren die Beschwichtigungspolitik („Appeasement“) des britischen Premierministers Neville Chamberlain unterstützt, mit der Hitler gezähmt werden sollte. Eine fatale Fehleinschätzung, wie der weitere Geschichtsverlauf zeigen sollte.

Kritiker verspotteten Chamberlain seinerzeit als „Umbrella Man“, weil er häufig einen Regenschirm mit sich trug. Wann immer sich der Premier in der Öffentlichkeit zeigte, spannten die Protestler ihre eigenen Schirme auf, um ihm den Spiegel vorzuhalten. Der Regenschirm wurde zum Symbol für politische Weichheit und Schwäche – auch in den USA.

BELIEBT

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    Auch hier mit Schirm: Chamberlain (Mitte) und Hitler (links) am 15. September 1938

    Foto von Bundesarchiv, Bild 183-H12478 / Autor/-in unbekannt / CC-BY-SA 3.0

    Witt erzählte den Ermittlern seine Geschichte. Sie glaubten ihm. Bei seinen Befragungen sagte er: „Ich denke, wenn das Guinness-Buch der Rekorde eine Kategorie für Leute hätte, die am falschen Ort zur falschen Zeit waren und das Falsche taten, dann wäre ich auf Platz 1.“ Witt starb im Jahr 2014 im Alter von 90 Jahren.

    Schicksalhafte Ereignisse wie das Kennedy-Attentat erschüttern immer wieder das Vertrauen der Menschen in die Weltordnung und ihre Institutionen. Einige suchen in solchen Momenten nach einem tieferen Sinn, um das Unfassbare zu begreifen. Verschwörungserzählungen versprechen Ordnung in einer Welt des Chaos. Oft genug ist die Wahrheit aber ganz simpel – und viel banaler, als wir manchmal glauben möchten. 

     

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