Menschheit und Magie: Über kuriose Zauberbücher von der Antike bis zur Moderne

Zaubertexte und Zauberbücher, sogenannte Grimoires, wurden im Laufe der Geschichte von fast jeder Kultur erschaffen. In ihnen finden sich Anleitungen zur Herstellung von magischen Amuletten, Rezepte für Liebestränke – und Rituale zur Geisterbeschwörung.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 23. Feb. 2024, 08:36 MEZ
Doppelseite eines Buches mit Zeichnungen und handgeschriebenem Text.

Auszug aus dem Zauberbuch Liber de septem Stellis dr. Philippi Theophrasti Paracelsi ab Hohenheim eigener hand abgeschrieben zu Saltzburg anno 1570.

Foto von Universitätsbibliothek Leipzig, Cod.mag.27 / CC0 1.0 DEED

Sich mit einem Zauberspruch gesund zaubern oder mit der Beschwörung eines Geistes drohendes Unheil abwehren – der Wunsch nach magischen Lösungen für Probleme begleitet die Menschheit schon seit Jahrtausenden. Dass Magie nicht erst seit Harry Potter ein Bestseller ist, belegt die Existenz von alten Zaubertexten und -büchern: Seit jeher haben Gelehrte darin Methoden festgehalten, die menschliche Probleme mit übermenschlichen Kräften lösen sollen.

Zauberkräfte und Magie von der Antike bis zur Neuzeit

Zaubertexte gab es schon in der Antike, sowohl in Buchform als auch auf Papyrus. Sie beinhalteten magische Rituale und Beschwörungen, die bei der Erreichung einer ganzen Reihe von Wünschen helfen sollten. Die sogenannte Papyri Graecae Magicae, eine Sammlung von griechisch-ägyptischen Zauberpapyri aus dem 2. bis 5. Jahrhundert n. Chr., enthielt beispielsweise Beschwörungsformeln und Anleitungen zur Herstellung von magischen Amuletten. Die Magie sollte für reiche Ernten, gesteigerte Fruchtbarkeit, eine glückliche Partnerschaft oder Schutz vor Feinden und Krankheiten sorgen. 

Ähnliche Bedürfnisse lassen sich aus Zaubertexten aus dem Mittelalter oder den Zauberbüchern der Neuzeit herauslesen. Während in den antiken Zaubertexten griechische oder ägyptische Götter eine Rolle spielten, sind die Zauberbücher, die in Europa seit dem Mittelalter und vermehrt in der Neuzeit zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert entstanden sind, eng mit dem christlichen Glauben verbunden. 

„Darin wird sich auf die Trinität berufen, Heilige werden beschworen oder Bibelstellen verwendet. Viele der Texte beschwören Engel zu magischen Zwecken – manche auch Dämonen“, erklärt Marco Frenschkowski von der Universität Leipzig. Der Religionswissenschaftler und Alteritätsforscher hat bereits mehrere Ausstellungen zum Thema Zaubertexte kuratiert, darunter die Sonderausstellung Zauberbücher: Die Leipziger Magica-Sammlung im Schatten der Frühaufklärung.

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Auszug aus dem Grimoire „Clavicula Salomonis expurgata oder des Königs Salomonis Schlüssel wunderbahrlicher Geheimnüsse“ aus dem 18. Jahrhundert. Darin enthalten: Zauber „wieder die Zauberinnen und Übeltäter“.

Foto von Universitätsbibliothek Leipzig, Cod.mag.27 / CC0 1.0 DEED
Rechts: Unten:

Titelseite des Zauberbuchs „Die Teuffels Peitsche, dass ist Mächtige und kräftige Beschwerungen, die bösen Geister aus denen besessenen Menschen zu vertreiben, von den Schützen zu verjagen und die unheimlichen Örter von ihnen zu befreien, auch dieselben an einen gewissen Orth auf eine gewisse Zeit zu bannen“, erschienen um das 1750.

Foto von Universitätsbibliothek Leipzig, Cod.mag.7 / CC0 1.0 DEED

Derartige Bücher mit magischen Inhalten werden als Grimoires bezeichnet. Dieser Name kam laut Frenschkowski höchstwahrscheinlich auf der Grundlage des französischen Worts für Grammatik, also grammaire, zustande. „Damit waren zunächst einfach gelehrt aussehende Bücher gemeint, nicht nur Zaubertexte“, sagt Frenschkowski. Heute wird der Begriff Grimoire dennoch oft synonym mit dem Wort „Zauberbuch“ verwendet. Auch in ihnen finden sich magische Sprüche, Rituale und Beschwörungen oder Rezepte für Tränke und Anleitungen zur Herstellung magischer Gegenstände. Sie versprechen Glück, Liebe, Erfolg oder Hilfe bei Rachebedürfnissen.

BELIEBT

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    Die Titelseite eines Zauberbuchs, das vermutlich erstmals im 16 Jahrhundert. veröffentlicht wurde. Der Verfasser des Buchs behauptet, Papst Honorius III zu sein. Dieser aber lebte ganze 400 Jahre bevor eine erste Version des Buches auftauchte – und ist laut Wissenschaftler*innen höchstwahrscheinlich nicht für die Schrift verantwortlich.

    Foto von Public Domain

    Neuzeitliche Grimoires: Zwischen Naturwissenschaft und Magie

    Gleichzeitig gibt es in vielen neuzeitlichen Grimoires eine Vermischung mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. „Anstelle von Beschwörungen geht es dann um angebliche Geheimnisse der Natur und der Nutzung von Naturkräften“, sagt Frenschkowski. In diesen Texten spielen beispielsweise „magische“ Eigenschaften von Kräutern und Steinen eine Rolle, aber auch Astrologie oder Phänomene wie Magnetismus, die sich die Menschen damals noch nicht erklären konnten.

    Ein Beispiel dafür ist die mehrbändige Grimoire-Buchreihe des preußischen Toxikologen Johann Samuel Halle aus dem späten 18. Jahrhundert, genannt Fortgesetzte Magie, oder die Zauberkräfte der Natur, so auf den Nutzen und die Belustigung angewandt worden. In den Büchern finden sich unter anderem Informationen über die verschiedenen Eigenschaften von Bernstein oder Kräutern und Pflanzen und deren „wundersame“ und „magische“ Einsatzgebiete.

    Wer hat die neuzeitlichen Grimoires geschrieben?

    Heute weiß man, dass die Zauberbücher des Mittelalters und der Neuzeit mehrheitlich von Gelehrten geschrieben wurden. „Die Verfasser der Texte waren Mediziner, Juristen, Theologen oder Lehrer“, so Frenschkowski. Das könne man zum Beispiel an den oft sehr guten Lateinkenntnissen erkennen, die in den Büchern zum Einsatz kamen. Als Autor solcher Texte wollte sich allerdings niemand offenbaren. Die Bücher und ihre Inhalte wurden stattdessen biblischen Schlüsselfiguren wie König Salomon, der gleich mehrere Grimoires verfasst haben soll, oder gar Päpsten zugeschrieben. Oft wird in den Titeln oder im Buch selbst suggeriert, dass die Inhalte bereits aus alten Zeiten stammen, beispielsweise aus dem Alten Ägypten.

    In einem Grimoire aus dem 18. Jahrhundert, das später immer wieder neu aufgelegt wurde, wird sich beispielsweise bereits auf der Titelseite auf die „Geisterkunst“ des biblischen Moses berufen, der diese am Hofe eines Pharaos gelehrt haben soll. In Das sechste und siebente Buch Mosis oder der magisch-sympathische Hausschatz werden laut Verfasser die „Geheimnisse aller Geheimnisse“ preisgegeben. Eines davon ist das Rezept für unendliche Weisheit, das unter anderem Grünspan, Rosenwasser, Eichenrinde und Arsen enthält.

    Moderne Zauberbücher

    Seit dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert sind Grimoires mehrheitlich nicht mehr vom Christentum geprägt, sondern von Esoterik, Astrologie und neopaganen Gruppierungen. Auch bei ihnen spielen spirituelle Zufriedenheit sowie der Wunsch nach Glück und Erfolg eine Rolle, aber auch das Bestreben, seine Bestimmung in der Welt zu finden. So beispielsweise in der vom britischen Okkultisten Aleister Crowley ins Leben gerufenen Thelema-Bewegung. 

    In dem Zauberbuch Grimoire of Aleister Crowley: Group Magick Rituals, das 2019 erschienen ist, sind anhand von Illustrationen und genauen Anleitungen für Beschwörungsformeln beispielsweise verschiedene magische Gruppenrituale beschrieben. Mit den Ritualen können laut Buch thelemische Götter und Göttinnen wie Babalon oder Therion angerufen werden, die den Beschwörer*innen sexuelle und spirituelle Zufriedenheit oder Glück und Weisheit verschaffen sollen. Anklang findet das in Deutschland laut einer Studie aus dem Jahr 2022 bei mehr als einer von zehn Personen: Ganze 13 Prozent der Deutschen gaben an, an Hexerei und Magie zu glauben. 

    Studien zeigen, dass der Glaube an Magie und magische Rituale für Menschen ein Bedürfnis nach Sicherheit, Berechenbarkeit und Ordnung erfüllen kann. Am Ende steht vor allem ein Gedanke hinter all dem „Zauber”: Einfluss auf den Verlauf seines Lebens nehmen zu können. 

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