Prähistorischer Schmuck: Piercings aus der Steinzeit gefunden

Ein Forschungsteam aus der Türkei hat in einer Grabstätte 11.000 Jahre alten Körperschmuck entdeckt. Er zeigt, an welchen Stellen Piercings im Holozän beliebt waren.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 18. März 2024, 10:15 MEZ
Darstellung der aufgereihten, trichterförmigen Piercings aus Stein.

Einige der Labret-Piercings, die in der Ausgrabungsstätte Boncuklu Tarla in der Türkei gefunden wurden.

Foto von Kodaş, E. et al. / doi:10.15184/aqy.2024.28

Bei einer Grabung in Boncuklu Tarla, einer steinzeitlichen Grabungsstätte im Südosten der Türkei, haben Forschende einige der wohl frühesten Piercings der Welt entdeckt. Die neuen Funde, die 85 konkret identifizierbare Stecker umfassen, lassen laut den Archäolog*innen erstmals Schlüsse auf die Körperstellen zu, an denen der Schmuck im Neolithikum getragen wurde.

Durch die Platzierung nahe den Gesichtern der Toten ist klar: Vor 11.000 Jahren waren Ohren- und Lippenpiercings im heutigen Südwestasien anscheinend beliebt. Die Studie des Teams um den Archäologen Ergül Kodaş von der Mardin Artuklu University in der Türkei ist in der Fachzeitschrift Antiquity erschienen.

Konkreter Nachweis für das Tragen von Lippenpiercings

Laut den Forschenden haben bereits frühere Grabungen in Südwestasien gezeigt, dass Körperschmuck dort schon vor 12.000 Jahren beliebt war. Allerdings, so das Team, habe man bisher nicht nachweisen können, dass diese tatsächlich auch durch die Haut gestochen wurden – und an welchen Stellen sie genau getragen wurden.

Zeichnerische Darstellung der möglichen Stellen, an denen der Körperschmuck getragen wurde.

Die Forschenden konnten bei der Untersuchung der 85 Piercings mehrere Arten ausmachen: Getragen wurden die Piercings in den Ohren und der Unterlippe.

Foto von Kodaş, E. et al. / doi:10.15184/aqy.2024.28

Konkrete Nachweise gab es in diesem Fall dadurch, dass die Piercings in Gräbern mit skelettalen Überresten gefunden wurden. Die Schmuckstücke waren nahe den Stellen, an denen sie zu Lebzeiten auch getragen wurden, platziert. Abnutzungsspuren an den unteren Vorderzähnen der Toten bestätigen zusätzlich, dass die Menschen die Piercings durch die Unterlippe gestochen trugen, als sogenannte Labret-Piercings. Gefertigt wurden die Stecker den Untersuchungen zufolge aus Kalkstein, Chlorit, Feuerstein, Obsidian, Kupfer und Serpentin, einem grün schimmernden Naturstein.

Piercings als Schwellenritual?

Insgesamt, so das Team, wurden seit dem Beginn der Ausgrabungen in Boncuklu Tarla im Jahr 2012 mehr als 100.000 Schmuckstücke entdeckt. Obwohl bislang mit den 85 Steckern nur ein kleiner Teil davon als Piercings identifiziert werden konnte, zeigt der aktuelle Fund laut der Studie erstmals, dass die Menschen zur damaligen Zeit „eine dauerhafte Anpassung des menschlichen Körpers an mindestens zwei Bereichen vornahmen: Ohr und Unterlippe.“

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    Darüber hinaus besteht laut den Forschenden die Möglichkeit, dass der Schmuck neben einer ästhetischen auch eine rituelle Funktion gehabt haben könnte. Obwohl in Boncuklu Tarla Menschen allen Alters begraben wurden, hat man Piercings nur in Gräbern erwachsener Menschen nachweisen können. Ein Hinweis darauf, dass die Piercings den Eintritt in das Erwachsenenalter gekennzeichnet haben könnten.

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