5 Mythen über Gladiatoren – und die Wahrheit dahinter

Ein Gladiator war ein muskelbepackter Mann, der in einer Arena erbarmungslos um Leben und Tod kämpfte? Dieses Bild aus vielen Filmen entspricht nicht ganz der Wahrheit. Von Schiedsrichtern in der Arena und weiblichen Gladiatoren.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 13. Nov. 2024, 10:02 MEZ
Darstellung eines Kampfes zwischen Gladiatoren in dem Mosaik der Römischen Villa Nennig im Saarland.

Darstellung eines Kampfes zwischen Gladiatoren in dem Mosaik der Römischen Villa Nennig im Saarland.

Foto von Wikimedia Commons / TimeTravelRome / CC BY-SA 2.0

Russell Crow in Gladiator (2000) oder Brad Pitt in Troja (2004) – Gladiatoren aus dem Alten Rom sind bis heute ein beliebter Gegenstand von Hollywood-Geschichten. Meist werden die römischen Kämpfer als (Anti-)Helden gefeiert und als besonders starke, muskulöse Männer inszeniert. 

Doch wie viel Wahrheit steckt in diesen Geschichten? Wir gehen den fünf bekanntesten Mythen auf den Grund.

1. Gladiatoren waren immer Sklaven und Verbrecher

Entwickelt haben sich die Gladiatorenspiele wohl aus Leichenspielen – Vorführungen, die bereits im 4. Jahrhundert vor Christus zu Ehren des Todes von wichtigen Persönlichkeiten abgehalten wurden. Die Gladiatorenspiele selbst wurden in den darauffolgenden Jahrhunderten zunächst vor allem von Privatpersonen ausgetragen. Fester Bestandteil des römischen Lebens wurden sie erst durch Kaiser Augustus gegen Ende des ersten Jahrhunderts. In dieser Zeit machte der Brauch einige Wandel durch, nicht zuletzt in Bezug darauf, wer an den Kämpfen teilnahm.

Die Geschichte vom Sklaven oder verurteilten Verbrecher, der durch sein Dasein als Gladiator Ruhm, Ehre und Reichtum erlangt, ist eine beliebte Erzählung aus dem Alten Rom. Tatsächlich ist das oft vorgekommen. Am Anfang aber, als die Popularität der Kämpfe gerade erst zunahm, waren Gladiatoren ausschließlich Kriegsgefangene. Erst später, als der Bedarf an guten Kämpfern stieg, wurden auch Sklaven in den Gladiatorendienst aufgenommen. Diese konnten sich sogar ihre Freiheit erkämpfen – und ein hohes Ansehen noch dazu. „Es gab auch regelrechte Fangruppierungen für einzelne Kämpfer“, sagt Frank Hildebrandt vom Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) in Hamburg.

Mit steigender Beliebtheit meldeten sich schließlich auch normale Bürger freiwillig für den Dienst. „Dabei handelte es sich meist um verarmte Römer oder Bewohner der römischen Provinzen“, so Hildebrandt. Die Kriegsgefangenen und Sklaven, die in die Arena stiegen, hatten dagegen oft keine andere Wahl – der Dienst galt als Teil ihrer Bestrafung.

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    In Stein eingeritztes Bild von zwei kämpfenden Gladiatoren.

    Informationen über die Abläufe der Kämpfe findet man heute vor allem in den Reliefs und Bildern, die die Römer auf Wänden verewigten. Die Gladiatoren wurden dabei sogar namentlich erwähnt und immer wieder wurden auch die Ergebnisse der Kämpfe vermerkt. Auf diesem Bild sind die Gladiatoren Albanus und Severus zu sehen.

    Foto von Public Domain

    2. Gladiatorenkämpfe waren brutal und blutrünstig

    Doch wie erging es diesen Menschen dann in der Arena? Heute sehen wir Gladiatoren häufig als todgeweihte Kämpfer an, die in blutigen Kämpfen früher oder später ihr Leben lassen mussten. Neuesten Erkenntnissen zufolge starben Gladiatoren aber weitaus seltener, als lange geglaubt. „Das blutrünstige Spektakel ist eine Erfindung von Hollywood“, sagt Hildebrandt. Laut Rainer-Maria Weiss, Direktor des Archäologischen Museums Hamburg, gab es sogar ein komplexes Regelwerk, dem die Kämpfe folgten, und einen Schiedsrichter, der auf die Fairness achtete. „Das ist etwas, das in unserer kollektiven Vorstellung überhaupt nicht vorkommt“, sagt Weiss gegenüber der Deutschen Welle.

    Hildebrandt betont, dass es bei den Spektakeln in der Arena zudem nicht immer um Schwertkämpfe ging. „Zumeist wurden bei den einzelnen Gladiatorenspielen mythische oder historische Ereignisse nachgespielt“, so der Leiter der Antikensammlung im MK&G. Die Shows sollten also ein Spektakel sein; es ging nicht in erster Linie ums Töten. Außerdem, so Hildebrandt, müsse immer im Hinterkopf behalten, dass die Gladiatoren für ihre Besitzer ein Investment waren. „Die Sklaven kosteten Geld, mussten ernährt, ausgebildet und ausgerüstet werden. Sie einfach im ersten Kampf umbringen zu lassen, wäre unrentabel gewesen“, sagt Hildebrandt. Das Relief eines Grabbaus in Pompeji zeige beispielsweise, dass die Kämpfer sogar medizinisch versorgt wurden. 

    Brutal waren die Kämpfe teilweise dennoch – und ums Leben kamen Gladiatoren in der Arena durchaus. Wie viele der Kämpfer tatsächlich starben, kann man heute nur schwer rekonstruieren: Seit den ersten Gladiatorenkämpfen im dritten Jahrhundert vor Christus wandelte sich die Praxis je nach Region und sozialen Gegebenheiten. Schätzungen gehen allerdings davon aus, dass etwa einer von fünf bis einer von zehn Gladiatoren in der Arena starb.

    Ein dem anderen überlegener Gladiator blickt in die Menge, die die Daumengeste nach unten macht.

    Dieses Gemälde des Malers Jean-Léon Gérôme aus dem Jahr 1872 zeigt die berühmte Daumen-Geste, mit der Publikum und Herrscher über den Ausgang eines Kampfes und gar über Leben und Tod der Kämpfer entschieden haben sollen – je nachdem, ob der Daumen nach oben oder nach unten gerichtet war. Tatsächlich gibt es für diese konkrete Geste keine historischen Belege, vermutlich hat das Publikum durch Zeichen oder Rufe aber tatsächlich seine Meinung zum Kampf kundgetan – und möglicherweise sogar beeinflusst, ob Gladiatoren am Ende hingerichtet wurden oder nicht.

    Foto von Jean-Léon Gérôme, 1824-1904

    3. Gladiatoren waren Einzelkämpfer

    Außerhalb der Arena verbrachten Gladiatoren ihre Zeit in sogenannten Ludi. In diesen Gladiatorenschulen wurden sie ausgebildet und vor und nach den Kämpfen versorgt. Disziplin hatte dabei oberste Priorität. Da die Gladiatoren oft Privatleuten gehörten, die sie zum Kampf schickten, erwarteten diese von ihnen auch Erfolg. Durch das harte Training brachen die sozialen Kontakte der Gladiatoren in die Außenwelt oft schnell ab – sofern sie als Verurteilte oder Kriegsgefangene überhaupt welche hatten.

    „Gladiatoren waren vielen Einschränkungen unter­worfen, auch diejenigen, die sich freiwillig für Geld zum Kampf in der Arena verpflichtet hatten: Sie mussten bei Tag und bei Nacht im ludus bleiben, sie durften nicht heiraten und deshalb auch keine legitimen Kinder zeugen“, schreibt Christian Mann, Professor für Alte Geschichte an der Universität Mannheim, in einem Beitrag. Innerhalb der Gladiatorenschule verbrachten die Kämpfer hingegen teilweise so viel Zeit miteinander, dass sich durchaus Gruppen bildeten. Jedoch immer in dem Wissen, dass jeder in der Arena auf sich allein gestellt war.

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    4. Spartacus startete einen erfolgreichen Gladiatorenaufstand

    Wie weit der Zusammenhalt in den Kasernen ging, zeigt die Geschichte des ehemaligen Sklaven Spartacus, einem der heute wohl bekanntesten Gladiatoren. Seine Geschichte wurde bereits in mehreren Büchern und Filmen erzählt – und dramatisch inszeniert. Tatsächlich gab es den römischen Kämpfer und seinen erfolgreichen Sklavenaufstand wirklich.

    Über das frühe Leben von Spartacus ist nicht viel bekannt, allerdings war er vermutlich ein Thraker aus Nordgriechenland, der auf Seiten der Römer als Soldat kämpfte. Im Rahmen eines Krieges wurde er in den Sklavendienst verkauft und kam im Jahr 73 v. Chr. in eine Gladiatorenschule in Capua in Italien. Aus dieser floh er kurz darauf mit etwa 70 weiteren Gladiatoren. Den Sklavenaufstand, den er damit in Gang setzte, entwickelte sich zum sogenannten Dritten Sklavenkrieg – der letzte einer ganzen Reihe von Aufständen von Gladiatoren und Sklaven.

    Spartacus ist bis heute beliebt und wurde vor allem in der Neuzeit zum Helden stilisiert – auch, weil er als Kämpfer für die Freiheit, gegen Sklaverei und Unterdrückung stand und Erfolg hatte. Im Laufe des Krieges hatten sich ihm Zehntausende Kämpfer angeschlossen. „Gerade das Vorgehen mit Gewalt diente Revolutionären wie unter Rosa Luxemburg dazu, die Anwendung von Gewalt gegen Gewalt als gerechtfertigt anzusehen“, so Hildebrandt. Auch andere Strömungen, beispielsweise während der Aufklärung, nahmen sich Spartacus zum Vorbild.

    5. Gladiatoren waren immer Männer

    Unzählige Darstellungen und schriftliche Quellen aus dem Alten Rom erzählen die Geschichten der ausgebildeten Kämpfer, die einander in der Arena gegenüberstanden. In diesen Quellen geht es meist um männliche Kämpfer – allerdings nicht immer. Eine der bekanntesten Darstellungen von weiblichen Gladiatoren mit Schwert und Schild ist ein Relief und stammt aus der antiken griechischen Stadt Halikarnassos aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert nach Christus. Das konnten Forschende anhand der Inschrift auf dem Stein bestätigen.

    Zwei Kämpferinnen auf einem Steinrelief.

    Das Relief aus Halikarnassos zeigt die Entlassung aus dem Dienst, möglicherweise nach einem unentschiedenen Kampf, der beiden Gladiatorinnen Amazon und Achillia.

    Foto von Carole Raddato / CC BY-SA 2.0

    Auch Frauen nahmen also an den Spektakeln in den Arenen Roms teil. Das belegen auch schriftliche Quellen. Sie sollen beispielsweise mythische Kämpfe nachgespielt haben und auf Geheiß von Herrschern in die Arena gekommen sein. Dennoch: Viele Frauen waren es vermutlich nicht, die als Gladiatorinnen um ihr Leben kämpften.

    Auf den Rängen hat es Frauen aber in jedem Fall gegeben. Allerdings mussten sie – je nach Kaiser und Region – in einem gesonderten Areal der Tribünen Platz nehmen. Kaiser Augustus beispielsweise soll Frauen auf die hinteren Ränge in der Arena verbannt haben.

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