Bohnen und Asche: Die Ernährung der Gladiatoren

Das Bild vom muskulösen antiken Kämpfer entspricht laut forensischer Analysen wohl nicht der Wahrheit. Der Grund dafür findet sich auf den Tellern der Gladiatoren.

Von Rebecca Rupp
Veröffentlicht am 29. Juli 2021, 10:37 MESZ
Gladiatorenkämpfe und das Leben im Römischen Reich faszinieren die Menschen, hier im Kolosseum in Rom, bis ...

Gladiatorenkämpfe und das Leben im Römischen Reich faszinieren die Menschen, hier im Kolosseum in Rom, bis heute.

Foto von Darrel Ronald, Creative Commons 2.0

Der kämpfende Gladiator, über dessen Leben nicht nur sein Können, sondern auch die Gunst und Gnade des Kaisers oder Publikums entschied, gehört zum Bild des alten Roms wie Togas und Streitwagen. Und es waren nicht nur Sklaven, Kriegsgefangene und Kriminelle, die zur Ausübung dieses Berufs gezwungen und in Gladiatorenschulen ausgebildet wurden. Auch gewöhnliche Bürger des Römischen Reichs meldeten sich freiwillig als Kämpfer und nahmen für die Rundumversorgung als Gladiatoren das Risiko, in der Arena zu sterben, in Kauf.

Durch den Schwur eines Eids verzichteten sie auf all ihre bürgerlichen Privilegien und akzeptierten einen sozialen Status, der unter dem eines Sklaven lag. „Ich werde es hinnehmen, verbrannt, gefesselt, geschlagen und mit dem Schwert getötet zu werden“, lautete dieser. Der Redner Calpurnius Flaccus sagte im 2. Jahrhundert: „Niemand hat ein schwereres Los als der Gladiator.“

Der Gladiator – totgeweihtes Idol

Die Lebenserwartung der Gladiatoren war gering und ihr Tod fast unter Garantie brutal und blutig. Doch die wenigen Kämpfer, die überlebten, konnten auf eine rosige Zukunft hoffen: Ein siegreicher Gladiator erhielt neben einem krönenden Ölzweig auch ein Preisgeld. Siegte er oft genug, war er vielleicht sogar in der Lage, nach einigen Jahren die Arena hinter sich zu lassen und in den Ruhestand zu gehen – mit einem komfortablen finanziellen Polster in der Hinterhand. Manche Gladiatoren begannen nach ihrer aktiven Karriere eine Trainerlaufbahn.

Der Ruhm, den erfolgreiche Gladiatoren durch ihre Siege erlangten, war ein nicht zu unterschätzender Faktor im Überlebenskampf. Ein bekannter Gladiator hatte, getragen von der Unterstützung seiner Fans, bessere Chancen auf einen Sieg – spätestens dann, wenn das Publikum über Leben oder Tod entscheiden sollte. Die besten Gladiatoren wurden von den römischen Bürgern wie Popstars verehrt – manche hatten sogar eigene Fanclubs. Kinder spielten Kämpfe in den Rollen ihrer Idole nach. Der zeitgenössische Historiker Tacitus beschwerte sich über seine Gladiator-verrückten Studenten: „Wenn man das Auditorium betritt, hört man die jungen Männer über nichts anderes reden.“ Gladiatoren waren in dieser Hinsicht die Profifußballer der Antike.

Wissen kompakt: Das Alte Rom
Mehr als ein Jahrtausend lang behauptete sich das Alte Rom als eine Zivilisation, die sich konstant weiterentwickelte. Das gewaltige Reich blühte unter diversen Innovationen auf und integrierte seine vielfältigen eroberten Kulturen. Denn viele Dinge, die heute als typisch römisch gelten, stammen von Völkern, die Rom erobert hat, darunter auch Latein und Gladiatorenkämpfe.

Doch nicht nur Sportfans waren ihnen zugetan: Der Gladiator galt als Sexsymbol. Es ist wohl kein Zufall, dass das lateinische Wort gladius nicht nur der Name des kurzen Stoßschwerts ist, mit dem Gladiatoren kämpften, sondern zu der damaligen Zeit auch eine umgangssprachliche Bezeichnung für den Penis war. Der römische Satiriker Juvenal machte sich in einem Gedicht über Eppia, die Frau eines Senators lustig, die Mann und Kinder verlassen haben soll, um dem Gladiator Sergiolus nach Ägypten zu folgen. Graffiti auf den Wänden der Ruinen von Pompeji künden von der sexuellen Tüchtigkeit der Gladiatoren – mit Sprüchen wie „Celadus der Thraker: dreimal gesiegt, dreimal gekrönt, Liebling der Mädchen“ oder „Crescens fängt nachts junge Mädchen in seinem Netz“. Weniger angenehm dürfte sich hingegen der Volksglaube ausgewirkt haben, Gladiatorenblut könne Impotenz heilen.

Speiseplan der Champions

Das meiste, was wir heute über das Leben der Gladiatoren wissen, ist aus den Überlieferungen des Galenos von Pergamon, auch Galen genannt, bekannt. Der berühmte griechische Arzt und Anatom arbeitete im 2. Jahrhundert als Sportarzt und behandelte sowohl die Athleten der Olympischen Spiele als auch Gladiatoren. Ihm zufolge bestand die Ernährung der Kämpfer hauptsächlich aus Bohnen und Getreide, wobei die Bohnen oft als Mus mit geschälter Gerste, manchmal aber auch als Suppe serviert wurden. Die Mahlzeiten der Gladiatoren waren also nicht sonderlich aufregend, dafür aber günstig und sättigend. Galenos hielt trotzdem nicht viel von dem Speiseplan. Er befürchtete, die Körper der Kämpfer würden durch diese Ernährungsweise weich und schlaff statt stark und muskulös. Heutige Forschungen zeigen, dass seine Sorge nicht nur berechtigt war: Die Verfettung der Gladiatoren hatte offensichtlich System.

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Belege dafür fanden sich auf einem Gladiatoren-Friedhof, der 1993 in der Türkei in der Nähe der antiken römischen Stadt Ephesos entdeckt wurde. Sie war damals die Hauptstadt Kleinasiens, Heimat von 200.000 Bewohnern und Standort des sagenumwobenen Tempels der Artemis, einem der sieben Weltwunder der antiken Welt. Auf dem Friedhof fanden Wissenschaftler die sterblichen Überreste von 68 Männern im Alter von 20 bis 30 Jahren, die einer Frau (einer Sklavin) und die eines mittelalten Mannes, der aufgrund der Kampfspuren an seinem Skelett als ehemaliger Gladiator identifiziert wurde, der vermutlich eine Trainerlaufbahn eingeschlagen hatte.

Eine chemische Analyse der antiken Knochen lieferte Hinweise darauf, dass die Gladiatoren wohl tatsächlich die pummeligen Vegetarier waren, über die Galenos sein Missfallen geäußert hatte. Die Anthropologen Fabian Kanz und Karl Großschmidt von der Universität in Wien stellten fest, dass die Menge an Strontium, die in den Gladiatorenknochen gefunden wurde, doppelt so hoch war wie in den Knochen der gewöhnlichen Bewohner Ephesos. Sie schlossen daraus, dass die Gladiatoren sich fast ausschließlich pflanzlich ernährt haben.

Wegen ihrer hauptsächlich aus Getreide, Bohnen und getrockneten Früchten bestehenden Mahlzeiten trugen die Kämpfer den Spitznamen Getreide- oder Körnerfresser.

Foto von Roger Smith, Creative Commons 2.0

Von dem römischen Gelehrten und Offizier Plinius der Ältere ist überliefert, dass die Gladiatoren den Spitznamen hordearii trugen: Getreide- oder Körnerfresser. Die hauptsächlich aus Getreide, Bohnen und getrockneten Früchten bestehenden Mahlzeiten der Kämpfer dürften zu einem Kalziummangel geführt haben. Dieser wurde aber laut Fabian Kanz und Karl Großschmidt wohl durch den Konsum einer zusätzlichen strontiumhaltigen Kalziumquelle ausgeglichen: dem sogenannten Aschetrunk. Das Gebräu aus Essig, Holz- und Knochenasche, das auch in der zeitgenössischen römischen Literatur erwähnt wird, nahmen die Gladiatoren vermutlich nach dem Training oder nach einem Kampf als isotonisches Getränk zu sich.

Überleben durch Übergewicht

Den beiden Anthropologen zufolge musste eine solche Ernährungsweise zwangsläufig zu einer Gewichtszunahme führen. Diese war aber vermutlich gewollt, denn das zusätzliche Körperfett brachte einen Vorteil mit sich: Sie diente als Schutz vor inneren Verletzungen durch die Stich- und Schnittwunden, denen die Kämpfer bei der Ausübung ihres Berufs ständig ausgesetzt waren.

Auch wenn Gladiatoren äußerlich nicht die durchtrainierten Muskelpakete waren, die man sie sich lange vorgestellt hat: Fit waren sie trotzdem. Bei forensischen Untersuchungen zeigte sich, dass die Dichte der Knochen von Ephesos der professioneller Athleten, die intensiv und regelmäßig trainieren, entsprach.

Etwa zehnmal im Jahr wurden im Circus Maximus in Rom vor großem Publikum Gladiatorenkämpfe ausgetragen, in denen die Gladiatoren entweder in Teams oder einzeln gegeneinander oder gegen wilde Tiere kämpften. Am Tag vor dem großen Ereignis wurde ein ausschweifendes Fest gefeiert, die sogenannte cena libera, der die Idee der Henkersmalzeit zugrunde lag. Antike Mosaike zeigen Szenen, in denen die potenziell totgeweihten Kämpfer nach Lust und Laune essen, trinken, und es sich gut gehen lassen. Statt Bohnen und Asche konnten sie sich bei dieser seltenen Gelegenheit Köstlichkeiten wie Wildschweinbraten, Schweinswürste, Fisch, Feigen und Honigwein einverleiben – mit etwas Geschick und Glück war es nicht ihr letztes Festmahl.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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