Die Sprache der Kattas: Entschlüsselung der Lemurenlaute

„Hmmm“- und Stöhnlaute könnten Einblicke in die frühe menschliche Entwicklung geben.

Von Joshua Rapp Learn
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:42 MEZ
Kattas
Kattas, eine auf Madagaskar heimische Lemurenart, kommunizieren im Dschungel mit einer Reihe spezifischer Laute.
Foto von Frans Lanting, National Geographic Creative

Rangniedrige männliche Kattas werden zu regelrechten Quasselstrippen, um ihren Stand in den von Weibchen beherrschten sozialen Gruppen zu verbessern.

Die männlichen Sonderlinge verlassen sich dabei laut einer Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift „Ethology“ veröffentlicht wurde, auf zwei Laute: eine Art wehklagendes Jammern oder Stöhnen, um mit der Gruppe in Kontakt zu bleiben, und einen „Hmmm“-Laut. Letzterer signalisiert den wenigen anderen Kattas, die ihre Anwesenheit dulden, Freundlichkeit.

Die Lemurenart, die fast ausschließlich auf Madagaskar lebt, hat ein Repertoire aus zwei Dutzend Ruflauten. Laut den Forschern ist ihre aktuelle Studie jedoch die erste, die versucht, den Einsatz des „Hmmm“-Lautes in der Wildnis zu entschlüsseln.

Die Ergebnisse zeigen, dass Kattas ein geselliges Sozialverhalten aufweisen, welches deutlich nuancierter ist, als viele Forscher annehmen, sagt Laura Bolt. Die Primatologin von der Universität von Toronto ist die Hauptautorin der Studie.

„Sie nutzen das Stöhnen (Hörprobe), um generell mit der Gruppe in Kontakt zu bleiben. Den ‚Hmmm‘-Laut (Hörprobe) benutzen sie, um Kontakt mit den bevorzugten Gruppenmitgliedern zu halten“, sagt sie.

Kattas leben in matriarchalischen sozialen Gruppen aus fünf bis 27 Tieren. Ausgewachsene Tiere in diesen Gruppen nutzen unterschiedliche Laute, um sich gegenseitig jeweils vor fliegenden Räubern wie der Madagaskarhöhlenweihe oder Landraubtieren wie der Fossa zu warnen.

Die Weibchen paaren sich bis zu einen Tag lang mit mehreren Männchen ihrer Gruppe. Dabei verläuft der Sexualzyklus der Weibchen innerhalb einer Gruppe gestaffelt, sodass jedes von ihnen an einem anderen Tag in Hitze kommt.

Jenseits dieser flüchtigen amourösen Intermezzi führen die männlichen Kattas jedoch ein gefährliches Leben. Viele verlassen die soziale Gruppe ihrer Eltern in der Jugend und lernen bald darauf, dass andere Gruppen nicht ganz so gastfreundlich sind. Sie müssen sich an die Spitze der männlichen Hierarchie kämpfen oder werden auf die niederen Ränge verbannt. Selbst dann lässt man sie nicht in Ruhe.

„Die Weibchen schlagen oder beißen sie manchmal“, sagt Bolt.

Kattas leben in sozialen Gruppen, die von Weibchen beherrscht werden.
Foto von Raúl Touzon, National Geographic Creative

Aufgrund dieser Aggressionen und der gelegentlichen Stinkkämpfe mit anderen männlichen Rivalen ziehen sich diese Individuen oft an den Rand dieser sozialen Gruppen zurück. Dort ist die Chance geringer, von den anderen Tieren misshandelt werden. „Wenn die Gruppe weiterzieht, dann sind sie es, die quasi hinterherhinken“, sagt Bolt.

Diese Nachzügler haben natürlich auch eine größere Chance, von Raubtieren erwischt zu werden.

Bolt verfolgte 2010 fünf Monate lang verschiedene Gruppen von Kattas in den Wäldern Madagaskars. Sie überwachte abwechselnd eine Gruppe pro Tag und beobachtete jede halbe Stunde die Männchen der tagesaktuellen Gruppe.

Sie machte Aufzeichnungen der Laute und der Kontexte, in denen die Tiere sie von sich gaben – also zum Beispiel, ob sie die Laute öfter in der Nähe von Partnern für die Fellpflege machten oder in der Nähe von Weibchen, die ihre Anwesenheit duldeten. Alle Männchen gaben beide Laute von sich, aber die rangniedrigen Männchen machten die „Hmmm“-Rufe öfter.

BELIEBT

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    Die rangniedrigen Männchen gaben öfter jene Laute von sich, die auf andere Mitglieder der Gruppe freundlich wirken sollten.
    Foto von Cyril Ruoso, Minden Pictures, National Geographic Creative

    Indem sie den toleranteren Individuen der Gruppe gegenüber öfter „Hmmm“-Laute von sich gaben, versuchten sie auf dem schmalen Grat zwischen mehr Schlägen von intoleranten Weibchen und mehr Angriffen von Raubtieren zu wandeln, so Bolt.

    Rachna Reddy, eine Doktorandin an der Universität von Michigan, die ebenfalls Lemuren erforscht hat, findet Bolts Studie deshalb so interessant, weil sie die Bedeutung ihrer sozialen Bindungen verdeutlicht.

    „Sie treffen wirklich bei jedem Ruf eine Entscheidung“, sagt Reddy.

    Die Studie gewährt womöglich auch Einblicke darin, wie die entfernten Verwandten des Menschen in der Vergangenheit interagiert haben und eine Gruppe mit engen sozialen Bindungen aufrechterhielten.

    Die Sprache der Kattas zu lernen, so sagt Bolt, „kann uns Hinweise darauf geben, wie der evolutionäre Druck sich auf unsere frühen menschlichen Vorfahren ausgewirkt hat.“

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