Instagram will mit neuem Alarmsystem Tierquälerei bekämpfen

Jene Maßnahmen, die schon gegen Essstörungen und Selbstmorde zum Einsatz kommen, werden Nutzer nun auch auf Verhalten hinweisen, das Wildtieren schadet.

Von Natasha Daly
Veröffentlicht am 5. Dez. 2017, 11:54 MEZ
Ein junger Mann macht ein Selfie auf der Isla de los Micos, der Affeninsel, im kolumbianischen ...
Ein junger Mann macht ein Selfie auf der Isla de los Micos, der Affeninsel, im kolumbianischen Amazonas. „Selfie-Safaris“, bei denen Touristen Halt machen, um Bilder mit wilden Tieren zu machen, liegen aktuell im Trend. Laut Wildtierexperten leiden die Tiere aber hinter den Kulissen oft.
Foto von Kirsten Luce, National Geographic

Instagram ist voller Fotos von niedlichen Wildtieren, darunter auch exotische und gefährdete Arten. Ein Bild von einer Person, die ein Faultier umarmt oder ein niedliches Tigerjunges hält, ist auf der populären Fotoplattform mit 800 Millionen Nutzern nur einen Klick entfernt.

Von nun an wird die Suche einer ganzen Reihe von Wildtier-Hashtags mit einer Benachrichtigung beantwortet, welche die Menschen über die Tierquälerei informiert, die bestimmte, scheinbar harmlose Fotos mit wilden Tieren überhaupt erst möglich macht.

Wann immer jemand ein Hashtag wie „#slothselfie“ (dt. Faultierselfie) sucht oder anklickt, wird eine Pop-up-Benachrichtigung erscheinen. Ein Teil dieser Nachricht ist der Hinweis: „Du suchst gerade nach einem Hashtag, der möglicherweise zu Tierquälerei oder zur Zerstörung der Umwelt ermutigt.“

Die Nutzer können dann auf einen Link zu einer Seite im Help Center von Instagram gelangen, die mehr Informationen über die Ausbeutung wilder Tiere enthält. Instagram nutzt denselben Prozess auch für deutlich fatalere Aktivitäten, darunter Suchen nach Hashtags wie #exoticanimalsforsale (dt. Exotische Tiere zu verkaufen) und andere Hashtags, die Nutzer verwenden, um lebende Tiere oder Teile von Tieren zu verkaufen.

Wenn jemand nach einem Hashtag wie #koalaselfie sucht oder darauf klickt, erscheint diese Pop-up-Nachricht.
Foto von Instagram

„Unsere Community ist wichtig für uns, und dazu zählen auch die wilden Tiere, die ein wichtiger Teil der Plattform sind“, sagte die Instagram-Sprecherin Emily Cain. „Ich glaube, aktuell ist es für die Community wichtig, sich zu sensibilisieren. Wir versuchen, unseren Beitrag dazu zu leisten, sie zu informieren.“

Der Beschluss von Instagram folgte auf monatelange Recherchen von National Geographic und World Animal Protection über die wachsende Industrie des problematischen Wildtiertourismus im Amazonas. National Geographic fand heraus, dass Tiere im Regenwald illegal eingefangen, in Käfigen gehalten und dort nur rausgeholt werden, damit Touristen sie halten und Selfies mit ihnen machen können. 

Es gibt Hunderte von Hashtags, welche die Instagram-Warnhinweise auslösen. Sie sind sowohl auf Englisch als auch in lokalen Sprachen solcher Länder wie Thailand und Indonesien, wo illegale Praktiken mit Wildtieren vorherrschen.

Instagram hat die Liste der Wörter über Monate hinweg zusammengestellt und erhielt dabei auch Material und Informationen vom WWF, TRAFFIC (einer Partnerorganisation des WWF, die den Wildtierhandel überwacht) und World Animal Protection. Die Organisationen informierten Instagram über jene Hashtags, die mit dem entsprechendem Verhalten am ehesten in Verbindung stehen.

BELIEBT

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    Ein Junge in Puerto Alegria in Peru kuschelt mit einem jungen Faultier. In der kleinen Stadt am Amazonas werden Dutzende wilder Tiere illegal in Gefangenschaft gehalten, damit Touristen sie streicheln und hochheben und Selfies mit ihnen machen können.
    Foto von Kirsten Luce, National Geographic

    WAS BEDEUTET DAS FÜR DIE WILDEN TIERE

    Das Vorgehen von Instagram könnte auch dabei helfen, gegen das wachsende Problem von Wildtierschmugglern vorzugehen, die Social Media benutzen, um lebende Tiere und Teile von gewilderten Tieren zu kaufen und zu verkaufen. Im Gegensatz zu traditionellen Online-Verkaufsseiten wie eBay ermöglichen Plattformen wie Facebook und Instagram es potenziellen Dealern, sich zu vernetzen und ihre Kommunikation und Verhandlungen dann auf einer separaten, privaten Plattform weiterzuführen, erklärt Giavanna Grein. Die Beauftragte für das TRAFFIC-Programm zur Wildtierkriminalität hofft, dass die neuen Warnhinweise diesen illegalen Handel mit Wildtieren stören wird.

    „Vielleicht wird irgendjemand, der auf Instagram lebende Tiere verkauft, dieses Pop-up sehen und denken: ‚Okay, das wird für mich jetzt deutlich schwieriger werden‘“, sagt Grein.

    Die Warnungen richten sich auch an das subtilere Problem von Wildtier-Selfies, deren Häufigkeit auf Social-Media-Plattformen laut World Animal Protection seit 2014 um 292 Prozent zugenommen hat.

    Was genau ist so schlimm an einem Foto von jemandem, der ein scheinbar kuscheliges wildes Tier wie einen Koala umarmt? Laut Wildtierexperten ist es die Interaktion selbst. Viele Tiere wie zum Beispiel Faultiere, mit denen Menschen gern kuscheln möchten, vertragen das wiederholte Anfassen nicht besonders gut. Laut Koenen kann das für die Tiere sehr stressig sein, und für die Menschen ist es oft schwer, ihre Wirkung auf die Tiere zu erkennen, mit denen sie interagieren. Tatsächlich haben Forschungen gezeigt, dass die meisten Touristen nur schlecht einschätzen können, ob eine Wildtierattraktion schlecht für die Tiere ist.

    Außerdem sei oft gerade das am besorgniserregendsten, was auf einem Foto nicht zu sehen ist, fügt sie hinzu. „Selbst, wenn man die Grausamkeiten nicht direkt vor der Nase hat, finden sie hinter den Kulissen statt, damit man an diesen Punkt kommt.“

    In vielen Fällen wurden die Tiere, die in Selfies umarmt und geknuddelt werden, illegal aus der Wildnis entnommen und unter erbärmlichen Bedingungen in Gefangenschaft gehalten. Andere beliebte Selfie-Tiere wie Löwen- und Tigerjunge werden in Gefangenschaft schnellstmöglich gezüchtet und viel zu früh von ihren Müttern getrennt. Für beliebte Touristenaktivitäten wie das Schwimmen mit Delfinen oder Elefantenreiten müssen die entsprechenden Tiere einen schmerzhaften Zähmungsprozess über sich ergehen lassen.

    Eine aufgeregte Touristengruppe umringt einen Amazonasdelfin im Rio Negro in Brasilien. Viele Touristen wissen gar nicht, dass solche Interaktionen den Tieren schaden.
    Foto von Kirsten Luce, National Geographic

    „PHASE EINS“ UND WEITER

    Instagram hat bereits Warnhinweise für Hashtags, die mit Selbstmord, selbstverletzendem Verhalten und Essstörungen in Verbindung stehen. „Viele dieser Themen sind von sehr großer Bedeutung“, sagt Grein. „Deshalb ist es wirklich wichtig für uns zu sehen, dass Wildtiere auf dieselbe Stufe gehoben werden und Teil derselben Konversation sind. Das gibt uns Hoffnung, dass wir vorankommen.“

    Instagram hatte zuvor bereits das Posten von Inhalten verboten, die offenkundig die Misshandlung von Tieren zeigen oder gefährdete Tiere bzw. deren Körperteile verkaufen sollen. Die Sprecherin Cain bezeichnet die Hashtag-Initiative als „Phase eins“ und sagt, dass man noch nicht entschieden hätte, welche weiteren Schritte unternommen werden könnten, um illegale Wildtierpraktiken zu minimieren.

    Koenen von World Animal Protection möchte, dass mehr Formulierungen über den Tierschutz in den Richtlinien von Instagram auftauchen, die besagen, was die Leute überhaupt posten dürfen.

    Laut Giavanna Grein planen TRAFFIC und der WWF, mehr Hashtags vorzuschlagen und in Zusammenarbeit mit Instagram dessen Angestellte zu trainieren, damit sie Inhalte mit bedrohten Tierarten erkennen können.

    „Den sozialen Medien ist das ganze Ausmaß und die Verbreitung und Förderung des illegalen Wildtierhandels [in sozialen Netzwerken] noch nicht so ganz bewusst“, sagt Crawford Allan, der Leiter von TRAFFIC. „Dass Instagram da nun vortritt und das anerkennt und solide Maßnahmen ergreift, ist sehr bedeutend, denke ich. Und das wird einen wichtigen Maßstab für andere soziale Medien setzen, um darüber nachzudenken und nachzuziehen.“

    Cassandra Koenen von World Animal Protection stimmt dem zu: „Instagram ist mit seinen 800 Millionen Nutzern eine unglaubliche Plattform, um die öffentliche Meinung zu ändern.“

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