Rekordreise: Distelfalter legen auf Wanderschaft 4.000 Kilometer zurück
Der Falter nimmt damit die weiteste ununterbrochene Reise auf sich, die von Schmetterlingen bekannt ist.

Der Entomologe Gerard Talavera ist über 3.200 Kilometer weit von Spanien in die Sahelzone gereist, um einen anderen Reisenden zu besuchen: den Distelfalter.
Aber ein Sturm aus dem Nordosten fesselte Talaveras Blick an den Himmel anstatt auf die niedrigen Büsche, in denen sich die Insekten verstecken könnten. Als er an jenem Tag gerade beschlossen hatte einzupacken, wehte eine Windböe ihm etwas ins Gesicht.
Es war ein Distelfalter.
„Ich war in diesem Teil der Welt der einzige Mensch, der nach diesem Schmetterling gesucht hat, und die Winde haben ihn zu mir gebracht“, sagt Talavera.

Mit einem Stipendium der National Geographic Society reisten Talavera und sein Mentor Roger Vila durch den Sahelgürtel Afrikas, um das seit Langem bestehende Geheimnis darum zu lösen, wo die Distelfalter den Winter verbringen.
(UN)GEWÖHNLICH
Als eine der häufigsten Schmetterlingsarten der Welt kommt der Distelfalter auf jedem Kontinent außer Südamerika und der Antarktis vor.
Wissenschaftler wissen bereits, dass die Populationen in Nordamerika während der kälteren Monate in Mexiko und Mittelamerika überwintern.
Die eurasischen Vertreter konnten sie schon bis zur Sahara verfolgen, aber dort verlor sich ihre Spur. Talavera und Vila wussten, dass sie sich irgendwo im tropischen Bereich Afrikas aufhalten mussten.
Und siehe da: Im Tschad, in Benin und in Niger fanden die beiden riesige Distelfalterschwärme, die dort überwinterten – bis zu 20.000 Exemplare pro Hektar.

Die Entdeckung beweist, dass die vier bis sechs Zentimeter großen Insekten von Europa aus an die 4.000 Kilometer weit reisen und dabei Hindernisse wie das Mittelmeer, die Berge Nordafrikas und die Sahara überqueren. Die chemischen Signaturen in den Flügeln der Distelfalter beweisen zudem, dass sie die Reise im Gegensatz zu Monarchfaltern in einer einzigen Generation vollenden können.
Damit handelt es sich um den längsten ununterbrochenen Wanderflug von Schmetterlingen, der bisher bekannt ist.
„Es ist ein gewöhnlicher Schmetterling, der ein paar wirklich einzigartige und außergewöhnliche Leistungen vollbringt“, so Talavera.
REISE, REISE
Vor ihrer Reise nach Afrika erstellten Talavera und Vila ein Computermodell für jene Orte, die für die Distelfalter vermutlich am besten geeignet sind. Obwohl das Modell des Teams ein Erfolg war, betont Talavera, dass das Studium von Zugtieren – von Vögeln über Schildkröten bis hin zu Walen – oft eine große Herausforderung ist, und ganz besonders im Falle von wandernden Insekten.

Ein Teil der Schwierigkeit besteht darin, dass Distelfalter in viel größeren Höhen fliegen als andere Insekten, erklärt Rebecca Simmons, eine Entomologin der Universität von North Dakota.
Im Gegensatz zu Monarchfaltern, die oft mit Distelfaltern verwechselt werden, überwintern sie auch nicht jedes Jahr am selben Ort. Außerdem sind ihre Reisen zeitlich nicht genau vorhersehbar und sie legen die 4.000 Kilometer lange Strecke auch nicht immer am Stück zurück.
SCHRITT FÜR SCHRITT
„Distelfalter paaren sich unterwegs. Sie machen kleine Schritte, eine Generation nach der anderen“, sagt Simmons. Manche legen die Strecke allerdings tatsächlich auch innerhalb einer einzigen Generation zurück.

Über die Wanderungen von Insekten ist generell nur wenig bekannt, insbesondere über die der Distelfalter. Simmons zufolge sind Studien wie diese daher von entscheidender Bedeutung, um unsere Welt zu verstehen.
Da Vila und Talavera nun eine grobe Vorstellung davon haben, wo die Schmetterlinge die Wintermonate verbringen, erstellen sie jetzt eine detaillierte Karte. Diese soll zeigen, welche Faktoren – beispielsweise das Nahrungsangebot – die Bewegungen der Schmetterlinge beeinflussen.
„Es ist eine erstaunliche Reise – die Art, die man von Vögeln kennt, aber nicht von Insekten“, sagt Talavera.
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