Dieses Tier kann über 500 Jahre alt werden

Tiere, die im tiefen Ozean leben und sich nicht viel bewegen, leben wahrscheinlich länger.

Von Liz Langley
Veröffentlicht am 6. Apr. 2018, 17:31 MESZ
Korallen
Das Leben in der Tiefsee kann lang sein – ein paar Jahrhunderte lang.
Foto von Reinhard Dirscherl, Alamy

Wenn man eine Koralle der Gattung Corallium ist, hat man genug Zeit, um eine ellenlange Liste an Dingen abzuarbeiten, die man vor seinem Tod getan haben will. Schwieriger wird es allerdings bei der Auswahl dieser Dinge.

Diese Korallen können über 500 Jahre alt werden. Sie sind jedoch nicht die einzigen Lebensformen im Meer, die die Lebensspanne eines Menschen im Vergleich wie einen Wimpernschlag erscheinen lassen. In einer neuen Studie sind Wissenschaftler der Frage auf den Grund gegangen, was es diesen Lebewesen ermöglicht, so alt zu werden.

IN DER TIEFE

Die Verfasser der Studie durchforsteten Dutzende anderer wissenschaftlicher Arbeiten, die die Lebensspannen „von mehr als 200 Arten auf der ganzen Welt“ untersuchten, sagt der leitende Autor Ignasi Montero-Serra. Er ist Promotionsanwärter an der Universität von Barcelona.

Das Team beschäftigte sich mit festgewachsenen oder immobilen Arten wie Korallen, Großalgen, Schwämmen und Gorgonien, einer Korallenart, zu der auch die Seefächer gehören. Sie fanden heraus, dass in der Tiefsee lebende Tiere wahrscheinlich länger leben.

Einige Corallium-Arten besitzen eine potenzielle Lebensspanne von über 500 Jahren und kommen in Tiefen von mehr als einem Kilometer vor.

Das älteste bekannte Lebewesen im Meer war ein Schwamm (Monorhaphis chuni), wie Montero-Serra berichtet. Er lebte in etwa 300 Metern Tiefe und man geht davon aus, dass er 11.000 Jahre alt war.

Edelkorallen können 500 Jahre alt werden. Hier sieht man Exemplare aus dem Adriatischen Meer vor Kroatien.
Foto von Water Frame, Alamy

IMMER MIT DER RUHE

Die stabilen Umweltbedingungen der Tiefsee unterstützen die Langlebigkeit ihrer Bewohner.

In größerer Tiefe sind Tiere vor Einflüssen geschützt, denen Arten in flacheren Gewässern ausgesetzt sind. Beispiele dafür wären Temperaturschwankungen und schwere Stürme, sagt Co-Autor Dan Doak, Professor für Umweltstudien an der University of Colorado in Boulder.

Unbeweglichkeit hat ebenfalls Vorteile.

„Bei Meerestieren korreliert die Langlebigkeit möglicherweise ebenso mit ihrem festgewachsenen Zustand wie bei Pflanzen an Land“, sagt Doak.

Natürliche Selektion begünstigt längere Lebensspannen bei stabilen Umweltverhältnissen, „wo man nicht permanent von zufälligen Ereignissen dahingerafft werden kann“. Die Tiefsee bietet solche Verhältnisse. Arten in flacheren Gewässern laufen viel öfter Gefahr, schon früh von Räubern gefressen zu werden. Das bedeutet auch, dass aus evolutionärer Sicht kein Grund besteht, diese Tiere besondere Fähigkeiten zur Regeneration und langsamer Alterung entwickeln zu lassen, erklärt Doak.

Montero-Serra weist auf einen weiteren Faktor hin: Sesshafte Spezies sind klonal. Sie „formen eine Kolonie vieler Einheiten, die allesamt genetisch identisch sind. Bei Korallen und Gorgonien nennt man sie Polypen.“ Klonale Organismen können der altersbedingten Degeneration entgegenwirken, indem sie „durch asexuelle Fortpflanzung neue Einheiten erschaffen“. Einige Teile werden absterben, doch die „Kolonie als Ganzes überdauert die Zeit voll funktionsfähig.“

Bei klonalen Organismen ist „das Individuum immer aus jungen Ablegern entstanden“, sagt Doak. Diese jungen Einheiten ersetzen fortlaufend ältere, anstatt zu einem eigenständigen Organismus zu werden, der – wie wir Menschen – einfach vor sich hin altert.

TIEF GESTÖRT

Diese langlebigen Arten könnten jedoch in Gefahr sein. Die Tiefsee war bislang frei von menschlichen Einflüssen, sagt Linares, aber „Habitate und Spezies in großer Tiefe werden zunehmend bedroht.“

So hat beispielsweise der Klimawandel bereits Auswirkungen auf diese Ökosysteme in der Tiefsee.

Andere Bedrohungen sind „Umweltverschmutzung, vor allem durch Plastik, das bereits nachweislich in große Tiefen gelangt“, sagt Doak.

Langlebige Tiere in diesen Tiefen wachsen und vermehren sich zudem nur langsam. Werden sie dabei durch veränderte Umweltbedingungen gestört, fällt ihnen eine Anpassung extrem schwer, sagt Doak.

Frei schwimmende Fischernetze, auch Geisternetze genannt, können diesen empfindlichen Gemeinschaften Schaden zufügen, meint Montero-Serra. Außerdem kann die Fischerei mit Schleppnetzen auch in diese Habitate vordringen und „die Populationen sesshafter Tiere und ihre Kolonien innerhalb kürzester Zeit zerstören. Es dauert dann vielleicht Jahrhunderte, bis sie sich wieder davon erholt haben.“

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