Von der Katze ins Meer: Toxoplasmose tötet seltene Robben

Die Infektionskrankheit, die zumeist Hauskatzen befällt, breitet sich zunehmend auch unter Meeressäugern aus.

Von Annie Roth
Veröffentlicht am 12. Juli 2018, 16:35 MESZ
Die weibliche Hawaii-Mönchsrobbe RT10 ruht sich 2017 mit ihrem dritten Jungtier an einem von Oahus Stränden ...
Die weibliche Hawaii-Mönchsrobbe RT10 ruht sich 2017 mit ihrem dritten Jungtier an einem von Oahus Stränden aus.
Foto von Noaa Fisheries

Im Mai wurden zwei Exemplare der stark gefährdeten Hawaii-Mönchsrobbe tot an einem Strand der Insel Oahu aufgefunden. Beide waren Weibchen, eines war trächtig. Nach einer Autopsie stellten Tierärzte fest, dass die Tiere an Toxoplasmose starben – einer potenziell tödlichen Infektionskrankheit, die sonst eigentlich Hauskatzen befällt.

Für die Tierärztin Claire Simeone hat der Tod der zwei Weibchen einen beunruhigenden Verdacht über die Krankheit bestätigt.

„Bei infizierten Weibchen scheint die Todesrate höher zu sein [als bei Männchen], was im Hinblick auf den Artenschutz sehr bedenklich ist“, sagt sie.  Simeone ist die Leiterin der Ke Kai Ola-Tierklinik für Hawaii-Mönchsrobben.

Die beiden Exemplare (RK60 und RT10) sind nicht die ersten ihrer Art, die der Krankheit zum Opfer fielen. Seit 2001 wurden elf Mönchsrobben-Todesfälle auf Toxoplasmose zurückgeführt, aber Simeone zufolge ist die Dunkelziffer bedeutend höher.

Weltweit gibt es nur noch um die 1.300 Hawaii-Mönchsrobben, weshalb der Verlust eines Tieres – insbesondere eines trächtigen Weibchens – ein besonders harter Schlag ist, so Simeone.

Was die Auswirkungen der Krankheit für das Leben im Meer angeht, könnten die Robben außerdem nur die Spitze des Eisbergs sein.

Der einzellige Parasit Toxoplasma gondii hat sich unter den Bewohnern des Meeres mittlerweile verbreitet. Hauptsächlich liegt das an wilden Katzen, die in Wassereinzugsgebieten leben. Obwohl viele Tiere von dem Parasiten befallen werden können – tatsächlich sind etwa 30 bis 50 Prozent der weltweiten menschlichen Bevölkerung infiziert –, wird der Erreger zumeist durch Katzen übertragen.

Experten für Meeressäuger forderten die Städte und Gemeinden Hawaiis nun auf, ihre Katzenpopulationen zu kontrollieren.

VON DER KATZE INS MEER

Infizierte Katzen geben den Erreger über ihre Fäkalien an die Umwelt ab. Eine Katze mit Toxoplasmose kann Milliarden von Parasiteneiern oder Oozysten ausscheiden.

Der Regen spült die Oozysten in Flüsse und Kanäle, die wiederum ins Meer münden. Dort bahnen sich die Eier den Weg die Nahrungskette hinauf, bis sie ein Tier finden, das sie infizieren können.

Sobald sie sich in einem Wirt befinden, vermehren sie sich im Verdauungstrakt, durchbrechen schließlich die Darmwand und wandern weiter in die Organe und das Muskelgewebe des Wirtes. Als Reaktion kommt es zu Entzündungen und zur Zystenbildung.

Die Auswirkungen der Krankheit variieren je nach Wirtstier. Bei Mönchsrobben kann Toxoplasmose das Immunsystem schwächen und zu Organversagen führen. Seeotter erleiden häufig Hirnentzündungen, die schnell zum Tod führen.

Sobald die Ooozysten erst mal in die Umwelt gelangen, gibt es nicht mehr viel, was man dagegen tun kann. „Sie sind sehr widerstandsfähig“, sagt Patricia Conrad, eine Professorin für Parasitologie an der School of Veterinary Medicine der University of California in Davis.

„Man kann sie jahrelang in einer zehnprozentigen Bleichelösung aufbewahren, und wenn man sie danach rausnimmt und abspült, können sich die Parasiten immer noch weiterentwickeln.“

AUSBRUCH IM MEER

Erst in jüngerer Zeit haben Wissenschaftler festgestellt, dass Toxoplasmose auch in Meerestieren wie Walen, Seekühen, Meeresvögeln und Ottern auftreten kann. Zuvor hatte man angenommen, dass sich die Krankheit nur an Land verbreiten würde.

Im Jahr 2013 kamen Forscher zu der Einschätzung, dass mindestens die Hälfte aller kalifornischen Seeottermännchen die Krankheit in sich tragen. Im Juni 2018 berichteten Wissenschaftler im Süden Chiles zudem, dass sie den Erreger in 77 Prozent der Flussotter in der Region nachweisen konnten.

„Wir haben Toxoplasmose seit den frühen 2000ern auf dem Schirm, aber im Laufe der letzten paar Jahre ist unsere Besorgnis darüber ziemlich gewachsen“, erzählt Michelle Barbieri. Die Tierärztin leitet das Hawaiian Monk Seal Recovery Program der NOAA.

„Einer der Gründe für unsere gesteigerte Besorgnis ist, dass wir keine guten Werkzeuge haben, um [den Schaden] zu minimieren. Wenn eine Robbe einen Angelhaken verschluckt, können wir das im Normalfall beheben. Bei Toxoplasmose ist das viel schwieriger“, so Barbieri.

Ihr zufolge sterben die meisten infizierten Hawaii-Mönchsrobben, bevor ihr Team sie behandeln kann. Dadurch hat sich Toxoplasmose zur Hauptursache für krankheitsbedingte Todesfälle unter den Tieren entwickelt. Hawaii-Mönchsrobben leben ausschließlich in und um Hawaii und zählen zu den am stärksten bedrohten Meeressäugern weltweit.

Während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurden sie durch Bejagung fast ausgerottet, wovon sich ihre Population nach wie vor erholen muss. Mittlerweile stellen Krankheiten, ein kleiner Genpool und Fischereiausrüstung die größten Gefahren für die Art dar.

SCHADENSBEGRENZUNG

Toxoplasmose ist zwar unheilbar, aber nicht unvermeidbar.

„Wir wissen zwar nicht genau, in welchem Umfang die Krankheit die Meeressäuger beeinträchtigt, aber wir wissen, wie wir den Lebenszyklus des Parasiten unterbrechen können“, sagt Angela Amlin, die Koordinatoren für das Robbenprogramm der NOAA.

Das bedeutet, dass Hauskatzen in der Wohnung gehalten und Streuner sterilisiert werden sollten, sagt sie. Die Hawaiian Humane Society schätzt, dass allein auf Oahu 350.000 wilde Katzen umherstreifen, die teils von Menschen gefüttert werden. Laut Gesetz müssen Tierhalter ihre Katzen und Hunde in Hawaii kastrieren oder sterilisieren lassen. Allerdings ist es mitunter nicht leicht, das zu überprüfen.

Der Gouverneur von Hawaii, David Ige, hat verwilderte Hauskatzen vor Kurzem auf die Liste der invasiven Arten im Bundesstaat gesetzt. Dabei berief er sich vor allem auf ihre negativen Auswirkungen auf die gefährdeten Vogel-, Säugetier- und Reptilienbestände der Insel.

„Ist das Problem vermeidbar? Ja. Aber lässt sich leicht vermeiden? Nicht zwingend“, sagt Amlin. „Es ist nicht so leicht herauszufinden, was man machen soll, wenn es in der Gegend so viele Katzen gibt und die Meinungen der Bewohner zum Umgang mit dem Problem sehr weit auseinandergehen.“

Die Parasitologin Conrad sagt jedenfalls, dass Tierhalter ihre Katzen lieber drinnen halten sollten. „Wohnungskatzen haben ein längeres, gesünderes Leben, dafür gibt es solide Daten. Wenn wir die Mönchsrobben verlieren, verlieren wir sie für immer.“

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