Der Killerinstinkt der Katzen

Experimente in Australien haben gezeigt, dass Kätzchen mehr als nur Vögel jagen.

Von Joshua Rapp Learn
Veröffentlicht am 24. Aug. 2018, 12:45 MESZ
Sie sehen vielleicht süß aus. Aber der Killerinstinkt von Katzen könnte einer neuen Studie zufolge ganzen ...
Sie sehen vielleicht süß aus. Aber der Killerinstinkt von Katzen könnte einer neuen Studie zufolge ganzen Populationen von Reptilien den Garaus machen.
Foto von Konrad Wothe, Minden Pictures, National Geographic Creative

Reptilien verlieren viel mehr als nur ihren Schwanz an Katzen. Neue Forschungsergebnisse konnten zeigen, dass ganze Reptilien-Populationen den haarigen Räubern zum Opfer fallen.

Tatsächlich haben Hauskatzen und ihre verwilderten Kollegen große Auswirkungen auf Vogelpopulationen. So ist es angeblich einer einzigen Hauskatze und ihren Nachkommen zuzuschreiben, dass eine Vogelart, die nur auf Stephen Island in Neuseeland heimisch war, ausstarb.

Eine in Australien durchgeführte Studie, die vor kurzem in der Fachzeitschrift „Biological Conservation“ veröffentlicht, zeigt, dass auch Reptilienpopulationen unter den räuberischen Katzen leiden.

EIN ZUFLUCHTSORT FÜR REPTILIEN

Was es bedeutet, wenn Reptilien komplett ohne Katzen leben könnten, haben Forscher jetzt nachgestellt. Im Kakadu-Nationalpark im Northern Territory Australiens errichteten sie über 2 Jahre hinweg katzenfreie Zonen.

Bestimmte Bereiche wurden eingezäunt, andere, gleich große Gebiete nicht. Um die umzäunten Gebiete herum wurden Kamerafallen aufgestellt, um sicher zu gehen, dass die Katzen sich nicht in für sie verbotenes Territorium verirrten. Während des ganzen Experiments musste nur ein Eindringling entfernt werden. Über den gesamten Zeitraum der Studie wurden in allen frei zugänglichen Gebieten Katzen gesichtet, mit einer Dichte von ungefähr einer Katze pro 5 km², was leicht unter dem nationalen Durchschnitt liegt.

„Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Wildkatzen auch in geringer Verbreitungszahl erheblichen Raubtierdruck auf kleine Reptilienpopulationen ausüben“, so die Autoren der Studie.

Um die Veränderungen in den Reptilien-Populationen zu überwachen, zählten die Wissenschaftler die Zahl der Tiere, die in Eimerfallen tappten.

Dabei fanden sie heraus, dass die katzenfreien Gebiete über den zweijährigen Zeitraum des Experiments einen „signifikanten Anstieg des Reptilienbestands“ erlebten. Im Schnitt waren es pro umzäuntem Grundstück 2 Reptilien mehr als in den frei zugänglichen Gebieten. Viele der gefangenen Arten waren kleine Echsen wie Geckos, Skinke und Agamen (und eine Schlange). Die Autoren gehen davon aus, dass diese Arten jedes Jahr eine neue Generation hervorbringen. Das bedeutet, dass schon zwei katzenfreie Jahre ausreichen würden, um Populationsunterschiede bewirken zu können.

KATZEN-KONTROVERRSE

Peter Marra, Direktor des Smithsonian Migratory Bird Center, einem Forschungszentrum für Zugvögel, findet die Studie „wunderbar“. Er selbst war zwar nicht an der Forschung beteiligt, hat die Auswirkungen von Hauskatzen auf unterschiedliche Arten aber bereits in mehreren wissenschaftlichen Arbeiten untersucht.

Galerie: Das Leben der Straßenkatzen

BELIEBT

    mehr anzeigen

    Wie viele andere Forscher empfindet er es immer wieder als große Herausforderung, unter Beweis zu stellen, dass Katzen nicht nur ein paar wenige Tiere töten, sondern ganze Populationen zu Fall bringen können. In diesem Kontext verweist er auf eine weitere Studie, die bereits 2016 in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht wurde. In dieser Studie wurde belegt, dass Katzen zum Aussterben von mindestens 63 Tierarten beigetragen haben, darunter 2 Reptilienarten. Er ist der Auffassung, dass die jüngste Studie aus Australien einen wichtigen Beitrag zur bestehenden Forschung leistet.

    „Sie ist sozusagen ein weiteres Beweismittel auf der immer größer werdenden Liste von Studien, die belegen, dass Katzen nicht nur Raubtiere sind, sondern auf Populationsebene immense Auswirkungen auf unsere heimische Tierwelt haben“, so Marra.

    Katie Lisnik hingegen, Direktorin für Haustier-Öffentlichkeitspolitik der amerikanischen Humane Society, ist nicht der Auffassung, dass sich der Populationszuwachs in den eingezäunten Gebieten ausschließlich auf das Fehlen von Katzen zurückführen ließe. Natürlich würden Katzen Jagd auf Reptilien, kleinere Säugetiere und Vögel machen, aber sie sind nicht ihre einzigen natürlichen Feinde. Andere Raubtiere wie Dingos und auch Pflanzenfresser, die in manchen Gebieten Auswirkungen auf das Vorkommen von Reptilien haben könnten, wurden durch die Zäune wahrscheinlich ebenfalls ausgeschlossen.

    “Die Annahme, dass alle von ihnen festgestellten Veränderungen sich auf Katzen zurückführen lassen, ist weit hergeholt“, so Lisnik.

    Kameras zeigen, dass diese wilden Katzen nicht nur Vögel jagen

    Marra gibt zu, dass das auch seine erste Befürchtung war, führt aber aus, dass die Forscher diesen Punkt durchaus berücksichtigt hätten. In dem von ihnen untersuchten Gebiet gäbe es kaum andere Raubtiere, die Jagd auf Reptilien machen. Heimische Räuber wie der große Waran oder die eichhörnchenähnlichen Zwergbeutelmarder wurden durch die invasiven, giftigen Aga-Kröten bereits stark dezimiert.

    Australien hat den Kätzchen im Übrigen nicht untätig beim Spielen zugesehen. Die australische Regierung hat einige Initiativen finanziell überstützt, die Wildkatzen den Kampf angesagt haben. Zu einer dieser Initiativen gehören Roboter, die Wildkatzen ausmachen und mit Gift besprühen können.

    Lisnik sagt, dass die Humane Society andere Lösungswege befürwortet, um die Wildkatzen-Population einzudämmen. Ein Weg wäre die Kastration der Katzen, bevor sie umgesiedelt oder wieder freigelassen werden. Außerdem ermutigt die Institution dazu, Haustiere im Haus zu halten.

    Marra allerdings, der sich selbst als Katzenlieber bezeichnet, empfindet diese Lösungsansätze als eher schwierig, vor allem vor dem Hintergrund, dass Wildkatzen meist im Verborgenen agieren. Darüber hinaus müssten ziemlich viele Katzen kastriert werden, um wirklich eine Veränderung zu erzielen. Sie aus der Wildnis herauszubringen, sei die bessere Option. Entweder durch Adoption, den Aufbau von Katzen-Schutzgebieten, oder, als letzte Alternative, ihre Einschläferung. Das sei immer noch besser, als zuzulassen, dass sie andere Tiere töten.

    “Diese [Studie] ist ein weiterer Weckruf an uns, dass wir mehr Verantwortung für unsere heimischen Ökosysteme übernehmen müssen“, so der Forscher.

    Katzen

    In Haustierküsschen lauern tödliche Gefahren

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved