Der wissenschaftliche Beweis: Stechmücken sind lernfähig

Mücken können Nahtod-Erfahrungen mit Gerüchen verbinden und halten sich nach dem Schlag mit der Fliegenklatsche fern.

Von Michelle Z. Donahue
Veröffentlicht am 20. Aug. 2018, 08:00 MESZ
Eine blutsaugende Mücke.
Eine blutsaugende Mücke.
Foto von Joël Sartore, National Geographic Creative

Das nächste Mal, wenn sich eine Mücke gerade auf eurem Arm niederlässt, solltet ihr keine Gnade walten lassen. Selbst wenn ihr sie verfehlt, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie danach einen Bogen um euch machen wird.

Untersuchungen haben gezeigt, dass das Schlagen nach einer Mücke, die gerade stechen will, dazu führt, dass das Insekt diese Nahtod-Erfahrung mit eurem Geruch verbindet und euch in Zukunft meidet. Diese Forschungsarbeit, die in der Fachzeitschrift “Current Biology” veröffentlich wurde, konnte zum ersten Mal unter Beweis stellen, dass Mücken in der Lage sind, zu lernen und sich an Dinge zu erinnern.

Mücken verhalten sich unauffällig, um an Blut zu kommen

Stechmücken fliegen nach dem Stich vorsichtig davon, damit sich das Opfer nicht rächen kann.

„Es sind sozusagen pawlowsche Stechmücken“, so der Neuro-Ökologe Jeff Riffel von der University of Washington, der auf das berühmte Experiment anspielt, in dem Hunde darauf konditioniert wurden, auf ein bestimmtes Signal hin zu speicheln. Ähnlich wie bei den Hunden nutzte Riffell die klassische Konditionierung, um zu überprüfen, ob seine Insekten-Testgruppe lernen würde, einen negativen Reiz mit einem Geruch zu verbinden.

Stechmücken werden von bestimmten Gerüchen schmackhafter Ziele angezogen. Eines dieser schmackhaften Ziele ist der Mensch. In einem Bad von attraktivem Menschengeruch wurden Gelbfiebermücken über 20 Minuten kleinen, störenden Vibrationen ausgesetzt, von der Intensität her ähnlich den Vibrationen nach einem Schlag nach einer Mücke, die sich gerade auf dem Arm niedergelassen hat.

Riffells Team hat herausgefunden, dass diese Mücken diesem Geruch noch 24 Stunden danach aus dem Weg gingen – eine Wirksamkeit, die mit der eines Mückensprays mit DEET vergleichbar ist.

Weil gelernte Verknüpfungen mit der im Gehirn gebildeten chemischen Substanz Dopamin zu tun haben, haben Riffell und sein Team den Effekt erneut getestet, aber diesmal mit Mücken, deren Dopamin-Kanäle außer Kraft gesetzt waren. Diese Insektengruppe konnte somit nicht lernen, dass ein bestimmter Geruch Gefahr bedeutet, und flog beim nächsten Mal wieder mitten rein in die Duftwolke.

„Die Fähigkeit zu lernen macht sie unglaublich flexibel“, so Riffell. „Es bedeutet, dass sie verknüpfen, wer sich mehr verteidigt als andere. Wenn wir das verhindern können, können sie auch nicht lernen, und können noch effektiver verjagt werden.“

KAMPF DEN PLAGEGEISTERN

Gelbfiebermücken übertragen unter anderem Gelbfieber und viele andere ernstzunehmende Krankheiten wie Dengue-Fieber, Zika-Fieber und das Chikungunyafieber. Die Entdeckung, dass die Tiere mit Dopamin lernen, eröffnet völlig neue Forschungsmöglichkeiten für die Entwicklung von Insektiziden oder Insektenschutzsprays.

Die Wissenschaftler haben im Labor die Reaktion von Mücken auf Gerüche untersucht, nachdem sie Vibrationen ausgesetzt wurden, die denen eines Schlages durch den Menschen gleichkommen.
Foto von Kiley Riffell

„Ein Erinnerungsvermögen zu haben ist eine große Sache. Bei der Mückenforschung stand es bisher völlig außerfrage, das zu untersuchen“, so Walter Leal, chemischer Ökologe an der University of California, Davis, der ebenfalls die Interaktion zwischen Mensch und Mücke untersucht.

„Jetzt, wo wir wissen, dass manche Verbindungen diese Abwehrerinnerung hervorrufen, könnten wir eine Formel entwickeln, die nicht nur einen aktiven Abwehrstoff wie DEET enthält, sondern auch eine Verbindung, die diese Abwehrerinnerung hervorruft“, so Leal.

„Wir nutzen schon seit über 60 Jahren diese Abwehrstoffe mit einem einzigen Bestandteil wie DEET. Es wird Zeit, dass wir etwas Neues versuchen.“

Aber die Mückenart, um die es geht, könnte eventuell nur Verknüpfungen mit Chemikalien herstellen, die mit ihren Hauptwirten zu tun haben. Die Mücken, die das West-Nil-Fieber übertragen, ernähren sich beispielsweise hauptsächlich von Vögeln, gehen aber auch schon mal auf den Menschen über, wenn ihre Lieblingsmahlzeit gerade nicht verfügbar ist. Bisher, so Riffell, sind diese Mücken nicht in der Art und Weise lernfähig, den Menschen zu umgehen, wie es die Gelbfiebermücke ist.

„Wir können sie ja auch nicht einfach dazu bringen, zu lernen, damit etwas passiert“, sagt Riffell.

Keine große Überraschung, so Leal: „Es gibt viele Dinge, die man nicht riechen kann, so, wie man manche Menschen nicht riechen kann. Vieles ignoriert man auch. Mücken haben auch nicht für alles Rezeptoren.“

Wissenschaftler werden wohl weiter forschen müssen, um mehr über das Lernverhalten von Mücken und die Bedeutung von Gerüchen zu erfahren, bevor sie neue Insektenschutzsprays entwickeln können. In der Zwischenzeit empfiehlt Riffell, immer in Bewegung zu bleiben. „Wenn ihr bei einem Barbecue seid und nach Mücken schlagt, dann merken sie sich das. Am besten solltet ihr euch so viel bewegen wie möglich. Ihr könnt auch tanzen. Alles, was vibriert. Dann suchen sich die Mücken ein anderes Opfer.“

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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