Seltene Aufnahmen zeigen Geparden im Schneesturm
Ein Tierfotograf machte die ungewöhnlichen Bilder in Südafrika. Sie offenbaren, dass die grazilen Katzen anpassungsfähiger sind als gedacht.
Ein Gepardenmännchen, das kürzlich im Rogge Cloof Nature Reserve angesiedelt wurde, blickt über die Landschaft. Die neu eingeführten Katzen werden zunächst in ein eingezäuntes Gehege gebracht, um sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen.
Zwei Tage lang hatte Kirsten Frost das Gepardenweibchen mit dem Funkhalsband durch die steinigen Hügel des Rogge Cloof Nature Reserve verfolgt. Es war der kälteste Ort Südafrikas, und der Schneesturm wurde schlimmer.
Während er angestrengt versuchte, durch die herabfallenden Flocken etwas zu erkennen, fiel sein Blick auf das Gesicht der Gepardin. Ihr restlicher Körper verschwamm in der weiß getünchten Landschaft.
„Es war eine surreale Situation: Sehe ich gerade wirklich einen Geparden im Schnee an der Südspitze Afrikas?“, schrieb der in Kapstadt ansässige Tierfotograf in einer E-Mail an National Geographic. „Mir wurde klar, dass das ein Moment war, den nur wenige je erlebt haben – und einer dieser Momente in der Natur, den ich nie vergessen werde.“
Mona, das älteste Weibchen im Reservat, ist in Gegenwart von Menschen sehr entspannt.
Seine Fotos aus dieser Begegnung zeigen ein Weibchen, dem Naturschützer den Namen Mona gaben, und zwei Männchen. Es war vermutlich erst das zweite Mal überhaupt, dass jemand Geparden im Schnee fotografiert hat, sagt Vincent van der Merwe. Er verwaltet für den in Südafrika ansässigen gemeinnützigen Endangered Wildlife Trust die Wiederansiedlung von Geparden. Van der Merwes Team nahm 2014 im Mount Camdeboo Game Reserve im Ostkap das seiner Meinung nach erste solche Schneefoto auf.
In beiden Fällen wurden Geparden fotografiert, die in privaten Wildreservaten innerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets wiederangesiedelt wurden. Solche Wiederansiedlungsprojekte sind der Schlüsselfaktor einer Naturschutzstrategie, die darauf abzielt, die schwindenden Arten zu schützen und sie gleichzeitig Touristen zugänglich zu machen. Da es in freier Wildbahn insgesamt nur noch um die 7.000 Tiere gibt, wird der Gepard von der Weltnaturschutzunion als vom Aussterben bedroht eingestuft.
„Wir neigen dazu, sie in Kategorien zu stecken“ und beispielsweise anzunehmen, dass Geparden nur in der ostafrikanischen Savanne vorkommen, sagt van der Merwe. Seine Umsiedlungsbemühungen werden zum Teil von der National Geographic Society finanziert. Ihm zufolge zeigen die neuen Bilder, „dass diese Tiere viel anpassungsfähiger sind, als man denkt“.
Galerie: Geparden in Aktion
Bis zu den 1960ern hatten die Kolonisten 95 Prozent der Gepardenpopulation ausgerottet. Aber einst durchstreiften die Katzen weite Teile des Kontinents, von 3.000 Meter hohen Bergketten über Küstenwälder bis hin zu Wüsten wie der Kalahari, in denen die Temperaturen nachts unter den Gefrierpunkt fallen.
In den letzten Jahrzehnten haben Naturschützer wie van der Merwe etwa 60 der agilen Katzen in verschiedene Wildreservate umgesiedelt. 2018 brachten sie zwei Männchen und zwei Weibchen nach Rogge Cloof, einem 184 Quadratkilometer großen Reservat in der Provinz Nordkap.
Südafrika ist eines der wenigen Länder, in denen die Zahl der Geparden steigt. 2017 siedelten van der Merwe und sein Team südafrikanische Geparden in das 2.250 Flugkilometer entfernte Malawi um, wo die Art in den 1980ern lokal ausgestorben war.
„Unser Ziel ist es, unsere überzähligen Geparden für die Wiederansiedlung in anderen Teilen Afrikas zu verwenden“, sagt er.
“Our goal is to use our surplus cheetah for reintroduction into other parts of Africa,” he says.
Wiederansiedlung in rauer Landschaft
Das Rogge Cloof Reservat entstand 2017 auf dem Gelände einer ehemaligen Schaffarm. Van der Merwe zufolge ist es groß genug für fünf erwachsene Geparden und ihren Nachwuchs. Dort lebt außerdem ein großer Bestand an Springböcken – eines der liebsten Beutetiere der Geparden.
Dennoch war er zunächst besorgt, ob die Geparden die Temperaturen der Region vertragen, die auf bis zu -15 °C fallen können. „Das Drama, wenn ein Gepard eventuell erfriert […] die Medien würden mich auffressen.“
Also recherchierte er und entdeckte alte britische Kolonialunterlagen, laut denen Jäger in diesem Teil Südafrikas früher Geparden geschossen hatten. Das bedeutete, dass Rogge Cloof einst zum natürlichen Verbreitungsgebiet der Art gehörte. Entsprechend liegt es nahe, dass heutige Geparden von Natur aus in der Lage sind, Schneewetter zu tolerieren.
Bislang hat sich van der Merwes Risiko ausgezahlt: Alle vier Geparden haben überlebt, und ein Weibchen brachte im Juli 2020 – mitten im Winter auf der Südhalbkugel – drei Junge zur Welt.
Luke Hunter, der ausführende Direktor des Großkatzenprogramms der Wildlife Conservation Society, findet Frosts Aufnahmen „wunderschön – so etwas habe ich noch nie gesehen“.
Auch er glaubt, dass Geparden früher im Rogge Cloof lebten. Aufgrund der kalten, trockenen Umgebung sei das Gebiet aber dennoch kein idealer Lebensraum.
Er merkt aber auch an, dass Klima und Topographie der Region Ähnlichkeiten zur Iranischen Hochebene aufweisen. Dort leben heute noch etwa 50 Asiatische Geparden – die letzten ihrer Art in freier Wildbahn. Die einst weit verbreitete Unterart streifte früher durch ganz Zentralasien und sogar bis nach Indien.
Die iranischen Tiere, die regelmäßig Schnee erleben, bekommen im Winter ein dickes Fell. Gleiches gilt auch für die afrikanischen Geparden in den Zoos der nördlichen Hemisphäre, sagt Hunter. Das deutet darauf hin, dass Geparden „eine gewisse angeborene evolutionäre Fähigkeit“ haben, mit Schnee umzugehen, wie van der Merwe glaubt.
Auch wenn es also „eindrucksvolle und prächtige“ Aufnahmen von Geparden im Schnee sind, seien sie „nicht so unerwartet“, sagt Hunter.
Geparden würden seiner Meinung nach wahrscheinlich nicht gut mit sehr tiefem Schnee zurechtkommen, zumal die Jungtiere Schwierigkeit haben, ihre Körpertemperatur zu regulieren. Ein paar Zentimeter hier und da, wie es im Rogge Cloof vorkommt, seien wahrscheinlich alles, was sie verkraften können, vermutet er.
Afrikas Eiskatzen
Wer ein solches Spektakel persönlich erleben möchte, kann das Rogge Cloof Nature Reserve besuchen. Wie die meisten Naturreservate Afrikas habe es aufgrund der Pandemie mit den geringen Besucherzahlen zu kämpfen, sagt van der Merwe.
Rogge Cloof ist aber eines der wenigen afrikanischen Naturreservate ohne Raubtiere wie Löwen und Leoparden, die Menschen gefährlich werden können. Deshalb dürfen Touristen die Geparden dort zu Fuß beobachten – allerdings aus sicherer Entfernung, um auch die Tiere nicht zu stören.
Mona, das älteste Weibchen im Reservat, ist auch der Star von Frosts Fotografien. Sie verhält sich in Gegenwart von Menschen besonders entspannt. „Sie kümmert sich wirklich einen feuchten Kehricht um Menschen“, erklärt van der Merwe amüsiert.
Was den Fotografen Frost betrifft, hat er seine neue Leidenschaft für diese „afrikanischen Eiskatzen“ entdeckt, wie er sagt. Er möchte dorthin zurückkehren, um die Tiere für eine Dokumentation zu filmen.
„Die Tatsache, dass Geparden den winterlichen Schnee bislang größtenteils unbemerkt ertragen haben, zeigt, dass die Natur noch viele Geheimnisse hat.“
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.