Großer Ameisenbär gegen Jaguar – wer gewinnt?
Ein Wildtierfotograf konnte die ungewöhnliche Begegnung im brasilianischen Pantanal in Bildern einfangen.
Auf einer Rinderfarm im brasilianischen Pantanal tauchte ein Großer Ameisenbär aus dem dichten Unterholz auf, um am See zu trinken. Ein Wildtierfotograf, der in einem kleinen Kanu auf dem Wasser trieb, hielt die Kamera auf den Ameisenbären, als plötzlich ein weiteres Tier auftauchte: ein stattliches Jaguarmännchen.
Die muskelstrotzende Großkatze pirschte sich auf ihren riesigen Pfoten an den Großen Ameisenbären heran und machte sich hinter ihm bereit zum Sprung. Es wirkte, als wollte sie gerade angreifen – doch irgendetwas ließ sie innehalten.
Für Luke Massey, der schon überall auf der Welt verschiedene Wildkatzenarten fotografiert hat, war diese Begegnung eine der außergewöhnlichsten, die er je zu Gesicht bekommen hat.
„Als ich gesehen habe, wie sich der Jaguar an den vollkommen ahnungslosen – und zu diesem Zeitpunkt auch recht wehrlosen – Großen Ameisenbären herangeschlichen hat, bin ich davon ausgegangen, dass sich vor mir gleich ein erfolgreicher Beutezug oder ein Kampf der Titanen abspielen wird. Dass der Jaguar sich einfach hinlegt und den Ameisenbären beobachtet, habe ich nicht erwartet.“
Nicht auf dem Speiseplan?
Fernando Rodrigo Tortato ist dagegen wenig überrascht von dieser Begebenheit. Er betreibt als Wissenschaftler für das Pantanal Jaguar Project Feldforschung, das von der Großkatzen-Schutzorganisation Panthera geleitet wird.
„Der Große Ameisenbär wird nur selten Beute des Jaguars. Im Pantanal stellt er weniger als fünf Prozent seiner Nahrung“, teilt Tortato in einer Email mit.
Die Großkatzen in diesem riesigen Sumpfgebiet bevorzugen Kaimane, Wasserschweine und Nabelschweine, sagt er.
„Vielleicht war dieser Jaguar satt oder einfach nur neugierig.“
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Naturschützer Charles Munn, CEO des Wildtier-Tourismusunternehmens SouthWild hat noch eine andere mögliche Erklärung für die seltsame Begegnung. „Die Klauen des Großen Ameisenbären haben den Jaguar vom Angriff abgehalten.“
Das ein wenig lustig aussehende Säugetier besitzt eine Geheimwaffe: scharfe, bis zu 15cm lange Krallen, mit denen er normalerweise Ameisenhügel auseinanderreißt. Sie dienen jedoch auch exzellent als Verteidigung gegen Angreifer.
Mit Zähnen und Klauen
Im September 2016 zeichneten Kamerafallen im brasilianischen Gurupi Biological Reserve den Kampf zwischen einem Jaguar und einem Großen Ameisenbären auf. Dabei ist zu sehen, wie sich der Jaguar offenbar auf seine potenzielle Beute stürzt, der Ameisenbär sich jedoch auf die Hinterbeine stellt und die Arme weit ausbreitet, um mit den Krallen nach dem Jaguar zu schlagen.
„Ich denke, auch diese Aufnahmen sollte man in die Interpretation einbeziehen“, sagt Munn. „Hätte der Jaguar den Ameisenbären am See angegriffen, hätte sich dieser mit seinen unheimlich scharfen, kräftigen Krallen verteidigt, was dem Jaguar schwere oder sogar tödliche Wunden zugefügt hätte.“
Es ist also nicht nur der Jaguar, der gefährlich sein kann. Große Ameisenbären haben sogar schon Menschen getötet. 2007 starb eine Tierpflegerin in Argentinien, nachdem ein Ameisenbär ihr den Bauch aufgeschlitzt hatte. Seitdem hat außerdem zwei Männer auf der Jagd das gleiche Schicksal ereilt.
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht
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