Insektensterben: Exotische Snacks helfen Bienen

Die Bienenvielfalt profitiert nicht nur von heimischen Pflanzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Universitätsstudie. Ein Gastbeitrag von Biologin und Studienautorin Dr. Nicola Seitz.

Von Dr. Nicola Seitz
Veröffentlicht am 9. Nov. 2020, 16:44 MEZ
Wildbiene

Ein immer seltenerer Anblick: Viele Wildbienen sind heute bedroht.

Die Bienen sind in Not. Diese Botschaft ist bei vielen angekommen. Auch ein Mittel zur Bienenrettung ist den meisten bereits bekannt: Blumenwiesen. Viele Organisationen, Unternehmen oder Behörden stellen mittlerweile Listen mit bienenfreundlichen Pflanzen oder Päckchen mit fertigen Saatgutmischungen bereit. Auf dem Feld, im Garten oder auf dem Balkon kann man so den Bienen etwas Gutes tun.

Das ist hilfreich, denn vielfältige Blühlandschaften sind sehr wichtig, um die vielen verschiedenen Bienenarten (weltweit über 20.000) in ihrer Fülle zu erhalten. Wer aber legt eigentlich fest, was genau bienenfreundliche Pflanzen sind? Eine klare Definition gibt es nicht. Meistens werden damit Blütenpflanzen beschrieben, die besonders viel Nektar und Pollen enthalten. Nicht nur diese ungenaue Angabe der Blüteneigenschaften macht eine klare Einstufung der Bienenfreundlichkeit schwierig. Ein zusätzlich kritischer Punkt: Auf der Suche nach den pollen- und nektarreichsten Pflanzen rückt deren Herkunft manchmal in den Hintergrund.

Welche Pflanzen helfen Bienen?

So landen in einer Saatgutmischung durchaus Pflanzen, die nicht unbedingt aus derselben Region stammen. Schnell steht dann auf der Bienenwiese die europäische Margerite neben dem amerikanischen Sonnenhut. Doch interessiert das die Bienen überhaupt? Immerhin liefern ihnen doch beide Pflanzen mit Pollen und Nektar wertvolle Energie und Nährstoffe. Diese Frage war der Ausgangspunkt für unsere Studie zum Vergleich von bienenfreundlichen Pflanzen, die in einer Region heimisch oder fremd und somit exotisch sind.

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Wir wollten wissen, ob die beiden unterschiedlichen Pflanzentypen – heimisch und exotisch – gleichermaßen attraktiv für Bienen sind. Bisherige Studien hatten teils widersprüchliche Ergebnisse zur Attraktivität von exotischen Pflanzen für bestäubende Insekten geliefert. Dabei hatte jedoch keine Studie gezielt bienenfreundliche Pflanzen untersucht. Diese Lücke wollten wir schließen.

Auf dem Ackerland der University of Maryland (USA) legten wir drei Experimentflächen mit identischem Aufbau an: Jede Fläche enthielt zwei 100 qm große quadratische Felder. In einem der Felder säten wir eine Mischung heimischer (für Maryland) bienenfreundlicher Pflanzen aus. Für das zweite Feld wählten wir exotische bienenfreundliche Pflanzen. Beide Saatgutmischungen enthielten jeweils 20 Wildblumenarten und zwei Arten Gräser.

BELIEBT

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    Sobald die Wiesen in Blüte standen, verfolgten wir die Bienenaktivität. Zwei Jahre lang beobachteten wir von Frühling bis Herbst die Blütenbesuche auf unseren Experimentpflanzen. Wir protokollierten, welche Bienen welche Pflanzen besuchten und sammelten die Bienen zur Identifizierung der Arten im Labor. Insgesamt 1708 Bienenbesuche registrierten wir in dieser Zeit.

    Oft mehr Bienen auf Exoten

    Die exotischen Pflanzen schnitten mit ihrer Anziehung auf die Bienen nicht schlechter ab als die heimischen Pflanzen. Im Gegenteil: Im Frühjahr besuchten sogar mehr Bienen die fremden Pflanzen. Auch die Anzahl der Arten von Bienen war im Frühjahr und Herbst höher bei den exotischen Pflanzen. Je nach Saison wirkten sie damit entweder ähnlich attraktiv oder sogar noch anziehender als die heimische Flora. Darüber hinaus war die Bienengemeinschaft, also die Gesamtheit aller Bienen, auf diesen Pflanzen insgesamt vielfältiger. Sie überstieg die 49 auf heimischen Pflanzen gefundenen Arten um weitere 14 Arten.

    Bei diesem Zahlenunterschied fragten wir uns: Gab es auf den exotischen Pflanzen lediglich ein paar zusätzliche Bienenarten oder handelte es sich um eine andere Zusammensetzung von Bienengemeinschaft? Tatsächlich waren es unterschiedliche Gemeinschaften, die heimische oder exotische Pflanzen besuchten. Es gab teilweise andere Arten und übereinstimmende Arten kamen in anderen Häufigkeiten vor.

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    Die Bienenbesucher beider Pflanzentypen unserer Studie waren fast ausschließlich sogenannte Generalisten. Diese Bienen sind flexibel in ihrer Blütenwahl und können sich von vielen verschiedenen Pflanzen ernähren. Obwohl flexibel, gingen Bienen auf ihrer Nahrungssuche bei den heimischen Pflanzen allerdings deutlich selektiver vor als bei den exotischen. Bienenarten mit einem höheren Spezialisierungsgrad besuchten vor allem heimische Pflanzen.

    Wir gingen noch einen Schritt weiter und nahmen gezielt fünf Bienenarten unter die Lupe, die Nektar und Pollen von sowohl heimischen als auch exotischen Pflanzen sammelten. Wir untersuchten, ob sich das Sammelverhalten dieser Bienen unterschied, je nachdem ob sie in einem Feld heimischer oder exotischer Pflanzen unterwegs waren. Die Bienen variierten ihr Verhalten und bestätigten den Trend für höhere Spezialisierung auf heimischen Pflanzen – auch innerhalb derselben Art.

    Hochspezialisierte Bienen brauchen heimische Pflanzen

    Der Nachteil von exotischen Pflanzen für reine Spezialisten ist offensichtlich. Wenn Bienen an den Pollen ganz bestimmter Pflanzengattungen aus ihrer geografischen Region angepasst sind, können sie sich von Fremdlingen nicht ernähren. Darüber hinaus zeigten wir jedoch, dass die Effekte deutlich feinstufiger sein können. Exotische Pflanzen können auch das Verhalten von Generalisten ändern. In unserer Studie verhielten sich Bienen deutlich wählerischer bei ihren Blütenbesuchen auf heimischen im Vergleich zu exotischen Blühern.

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    In dieser faszinierenden Zeitraffer-Aufnahme hielt der Fotograf Anand Varma fest, wie aus Larven erwachsene Honigbienen wurden. Für dieses sechsmonatige Projekt hat er sich in seinem Atelier einen Bienenstock gebaut – und eine neue Wertschätzung für den komplexen Beruf des Imkers gewonnen.

    Exotische Pflanzen können somit sowohl die Zusammensetzung der lokalen Bienengemeinschaften als auch das Sammelverhalten der Bienen bei der Nahrungssuche ändern. Welche Auswirkungen das für die Gesundheit der Bienen hat, wissen wir bisher nicht. Trotz der bestehenden Unsicherheiten können exotische Pflanzen aber eben auch einer sehr vielfältigen Bienengemeinschaft Nahrung bieten, wie unser Beispiel zeigt.

    Was heißt das nun für die Margerite und den Sonnenhut? Dürfen wir sie ruhigen Gewissens zusammen auf der Bienenwiese stehen lassen? Die Ergänzung von bienenfreundlichen Wiesen heimischer Pflanzen mit exotischen Pflanzen kann in einigen Fällen durchaus nützlich sein, da letztere das Nahrungsangebot vergrößern.

    Woher kennen Honigbienen ihre Aufgaben?
    Jede Honigbiene hat einen ganz bestimmten Job, von der Pflege der Larven über die Verteidigung des Nests bis zur Nahrungsbeschaffung. Aber woher weiß jede Biene, was sie zu tun hat?

    Insbesondere Gebiete, die einen Mangel an natürlichen Lebensräumen und natürlicher Pflanzenvielfalt aufweisen, können von zusätzlichen exotischen Pflanzen profitieren. Sie können Engpässe in den Blühzeiträumen heimischer Pflanzen, die sich mit dem Klimawandel eventuell noch verschärfen, überbrücken. Aufgrund der möglichen Veränderungen für die Bienengemeinschaften sollten die heimischen Pflanzen jedoch die erste Wahl für bienenfreundliche Wiesen bleiben.

    Studienautorin Dr. Nicola Seitz ist Biologin am Biozentrum der Universität Würzburg. Die zweijährige Studie über heimische und exotische bestäuberfreundliche Pflanzen und deren Nutzen für Wildbienen entstand im Rahmen ihrer Doktorarbeit und wurde gemeinsam mit Prof. Dr. Sara Leonhardt von der Technischen Universität München und Prof. Dr. Dennis vanEngesldorp von der University of Maryland durchgeführt.

     

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