Rettung von 25 Affen bringt Licht in Afrikas Tierschmuggel-Netzwerk

An der Grenze Simbabwes wurden die Tiere entdeckt, sie waren in der Demokratischen Republik Kongo eingefangenen worden und sollten über Südafrika exportiert werden. Der Fund macht Tierschützern nun Hoffnung im Kampf gegen illegalen Handel.

Von Rachel Fobar
Veröffentlicht am 30. Dez. 2020, 13:45 MEZ
Goldbauchmangaben

Gerettet: Zwölf gefährdete Goldbauchmangaben und 13 andere Affen wurden im September von den simbabwischen Wildtierbehörden beschlagnahmt. Hier warten sie auf den Transport in eine Auffangstation in ihrem Herkunftsland, der Demokratischen Republik Kongo, wo sie nach einiger Zeit wieder in die Wildnis entlassen werden sollen.

Foto von Peter Chadwick, Hemmersbach Rhino Force

Es war eine von vielen routinemäßigen Grenzkontrollen: Im vergangenen September stoppten simbabwische Beamte einen Laster, der aus Sambia kam und nach Südafrika wollte. Doch bei der Sichtung der „Ware” wurde schnell klar, dass etwas nicht stimmte. Man fand 25 junge Affen in kleinen Käfigen, alles Tiere, die nicht in Sambia heimisch waren.

„Sie haben die Affen geschmuggelt", sagt Tinashe Farawo, Sprecher der Zimbabwe Parks and der Wildlife Management Authority (ZimParks), die gemeinsam mit der Hemmersbach Rhino Force ein Projekt gegen Wilderei führen. „Und sie haben auch versucht, Beamte an der Grenze zu bestechen."

Laut der Tierschutzorganisation Pan African Sanctuary Alliance (PASA), einem Zusammenschluss von 23 Wildtierzentren und Naturschutzgebieten auf dem gesamten Kontinent, ist dies bis heute eine der größten bekannten Beschlagnahmungen von illegal gehandelten Primaten in Afrika. Und mehr noch: Der Fall bringt neue Erkenntnisse über den Verlauf einer Überlandschmuggelroute für lebende Primaten von der Demokratischen Republik Kongo über Sambia und Simbabwe nach Südafrika, so Jean Fleming, Kommunikationsmanager von PASA.

Man nimmt an, dass auf dieser Route jedes Jahr tausende Tiere illegal gehandelt werden, darunter Hunderte von Primaten, sagt Adams Cassinga, angehender National Geographic Explorer und Gründer der Ermittlungsorganisation für Wildtierkriminalität Conserv Congo. Er beschreibt die Demokratische Republik Kongo als „Ground Zero“ für den Handel mit Wildtieren. Primaten seien besonders gefährdet, da sowohl Menschenaffen als auch kleinere Primaten in diversen Bereichen gefragt seien: in Zoo- und Heimtierhandel genauso wie auf dem Markt für Buschfleisch.

Die beschlagnahmten Affen kamen aus der Demokratischen Republik Kongo: zwölf Goldbauchmagaben, zwei Östliche Vollbartmeerkatzen, zwei Lomami-Meerkatzen, zwei Grauwangenmanagaben, fünf Große Weißnasenmeerkatzen und zwei Sumpfmeerkatzen. Fast alle dieser Arten sind von der Weltnaturschutzunion IUCN als gefährdet oder stark gefährdet eingestuft.

Die Männer, die aus der Demokratischen Republik Kongo, Sambia und Malawi kommen, wurden wegen Wildtierhandels verurteilt und verbüßen derzeit sechs Monate Haft im Karoi-Gefängnis im Norden Simbabwes. Nach ihren Angaben sollten die Tiere nach Südafrika gebracht werden. Bis zur Rückführung in ihre Heimat werden die Affen nun an einem geheimen Ort in Chirundu, einem Dorf nahe der Grenze zwischen Simbabwe und Sambia, betreut, bis sie in eine Auffangstation gebracht werden können.

Affenhand an Käfig

Die 25 beschlagnahmten Affen – einschließlich des hier abgebildeten Goldbauchmangaben – warten in Chirundu nahe der Grenze zwischen Simbabwe und Sambia in provisorischen Käfigen auf ihre Rückreise.

Foto von Peter Chadwick, Hemmersbach Rhino Force

Die 25 Affen seien höchstwahrscheinlich auf dem Weg in chinesische Zoos gewesen, sagt Gregg Tully, Executive Director der PASA. Mit dem Wachstum der chinesischen Mittelschicht steige auch die Zahl der privaten Tierparks im Land, und die wollen ihren Besuchern etwas bieten – auch afrikanische Primaten. Laut Dave Neale, Tierschutzdirektor von Animals Asia, einer in Hongkong ansässigen Tierschutzorganisation, haben in China in den letzten fünf Jahren schätzungsweise fast hundert Zoos eröffnet.

Chinas Ministerium für Bauwesen hat zwar Richtlinien für die Zoos des Landes vorgegeben, doch viele Einrichtungen arbeiten „im Widerspruch zu diesen nationalen Vorschriften", wie aus einem Bericht der Ape Alliance aus dem Jahr 2018 hervorgeht. Die Gruppe hat es sich zum Ziel gesetzt, den Handel mit Affen zu bekämpfen.

Das Ministerium für Bauwesen reagierte auf Nachfragen der Redaktion nicht auf diese Vorwürfe. 

Ein “Wendepunkt” in Afrikas Tierschmuggel?

„25 Tiere sind viel – und der Schmuggel so vieler Tiere ist eine große Unternehmung“, sagt Fleming. „Es muss ein großes Netzwerk dahinterstecken, wenn so viele Tiere auf einem Lastwagen diverse Grenzen passieren sollen." Die Überführung der vier Schmuggler sei ein „Wendepunkt“ für den Kampf gegen illegalen Tierhandel.

Nach Angaben von Cassinga ist die Demokratische Republik Kongo nicht nur der Ursprung illegal gehandelter Wildtiere, sondern auch eine wichtige Transitzone für den Handel mit afrikanischen Tieren. Es teilt neun Grenzen mit anderen Ländern, die meisten von ihnen seien einfach zu passieren und würden nicht überwacht.

"Wir haben sehr lange Grenzen und eine der schwächsten Sicherheitsbehörden der Welt", sagt Cassinga. Wenn jemand versuche, der Strafverfolgung in der Demokratischen Republik Kongo zu entkommen, „kann er leicht verschwinden“.

BELIEBT

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    Grauwangenmangabe

    Auch Grauwangenmangaben, wie dieses in Ruanda fotografierte Tier, wurden im September auf dem Laster beschlagnahmt. Sie sollten von der Demokratischen Republik Kongo nach Südafrika gebracht werden.

    Foto von Ole Jorgen Liodden, Nature Picture Library
    Östliche Vollbartmeerkatze

    Östliche Vollbartmeerkatzen wie dieses Jungtier, das in den Niederlanden gehalten wird, waren ebenfalls Teil der geschmuggelten Gruppe. Beide Arten sind als gefährdet eingestuft.

    Foto von Jürgen & Christine Sohns, Alamy

    „Menschenaffen sind nach Schuppentieren und Elefanten die von Wilderern begehrtesten Tiere“, sagt Cassinga. In der Demokratischen Republik Kongo leben drei der wertvollsten Arten: Schimpansen, Gorillas und Bonobos (Zwergschimpansen). Laut einem Bericht der Vereinten Nationen verschwanden von 2005 bis 2011 jedes Jahr durchschnittlich mehr als 3.000 Menschenaffen aus den Wäldern Afrikas und Asiens spurlos. Kleinere Primaten, wie die, die in Simbabwe beschlagnahmt wurden, sind ebenfalls sehr begehrte „Ware“. Ihre Größe erleichtere das Verstecken und Transportieren, sagt Cassinga.

    In der Demokratischen Republik Kongo gibt es so viele „unglaubliche Tiere, endemische Tiere – die es sonst nirgendwo auf dem Planeten gibt“, sagt Franck Chantereau, Präsident und Gründer des JACK Chimpanzee Sanctuary, einer in Lubumbashi ansässigen Auffangstation, die sich vor allem um Schimpansen und Affenbabys kümmert, die durch illegalen Handel verwaist sind. „In diesem Land verschwinden Tiere in rasendem Tempo", sagt er. Das Santuary, ein Mitglied der PASA, hat sich bereit erklärt, den beschlagnahmten Affen ein Zuhause zu bieten.

    “In der Demokratische Republik Kongo „verschwinden Tiere in rasendem Tempo."”

    von Franck Chantereau, Präsident und Gründer des JACK Chimpanzee Sanctuary

    Chantereau vermutet, dass die 25 Affen Opfer eines Buschfleisch-Syndikats sind – wie viele der verwaisten Schimpansen, die seine Einrichtung aufnimmt. Wilderer werden dafür bezahlt, erwachsene Tiere für ihr Fleisch zu töten. Ihre Jungen, die nicht mehr als ein oder zwei Pfund Fleisch bringen, sind hier wertlos und werden in den Handel für Haustiere oder Zoos geschmuggelt.

    Auf Nachfragen der Redaktion zum Primatenhandel in der Demokratischen Republik Kongo antwortete das kongolesische Institut für Naturschutz, das die Nationalparks des Landes verwaltet und für den Schutz geschützter Arten zuständig ist, bis heute nicht.

    Eine Drehscheibe für illegalen Export

    Die vier im September festgenommenen Männer gaben bei der Befragung durch die Beamten von ZimParks an, dass sie auf dem Weg nach Südafrika waren und ihnen der Empfänger der geschmuggelten Tiere unbekannt sei, sagt Smaragda Louw, Direktorin der südafrikanischen Tierschutzorganisation Ban Animal Trading (BAT). Louw ist Mitautor eines Berichts über den Handel mit lebenden Wildtieren des Landes mit China, der 2020 gemeinsam mit der EMS Foundation verfasst wurde.

    Laut Louw ist Südafrika eine Drehscheibe für den illegalen Export lebender Wildtiere, oder auch nur Teilen von ihnen – von Primaten und Graupapageien bis hin zu Reptilien, Giraffen und Löwenknochen. China ist ein großer Markt, aber auch andere asiatische Länder wie Bangladesch und Pakistan sind Exportziele.

    Der Schmuggel läuft seit Jahrzehnten. Zu den berühmtesten Fällen gehören die „Taiping Four“, vier Westliche Flachlandgorillas: Sie wurden Anfang der 2000er in Kamerun illegal gefangen und über Südafrika in den Taiping Zoo in Malaysia gebracht. Nachdem der Schmuggel aufgeflogen war, wurden die Tiere wieder in ihre Heimat gebracht.

    Nach Angaben des Berichts von BAT und der EMS Foundation wurden im August 2019 18 Schimpansen aus dem Hartbeespoort Snake and Animal Park in der Nähe von Pretoria, Südafrika, an einen Wildtierpark nach Beijing verkauft. In den Transportpapieren wurden die Schimpansen als „in Gefangenschaft gezüchtet“ aufgeführt, doch in Südafrika gibt es keine registrierten Zuchtanlagen für Schimpansen. Auch konnte der Zoo „keine verfügbaren Beweise auftreiben, die bestätigen, dass die Schimpansen (…) nicht wild gefangen und illegal importiert wurden." Schimpansen sind nicht in Südafrika beheimatet – sie kommen nur in Zentral- und Westafrika vor.

    Seltene Aufnahmen enthüllen Dian Fosseys Leben mit Gorillas
    Diese Aufnahme zeigt einen Teil des Vortrags von 1973, den Fossey vor Mitgliedern der National Geographic Society gehalten hatte. Es wurde noch nie ganz veröffentlicht.

    Laut des Berichts der EMS Foundation wurden zwischen 2016 und 2019 mindestens 5.035 Wildtiere aus Südafrika nach China exportiert. Viele der in den Exportgenehmigungen aufgeführten Zieladressen in China seien „frei erfunden", heißt es weiter. Sie existierten entweder nicht, konnten nicht gefunden werden oder entsprachen nicht den Angaben der Exporteure – wie zum Beispiel Bürogebäude und Hotels.

    „Das totale Chaos”

    Der Grund für das boomende Exportgeschäft in Südafrika liegt laut Louw an schlechter Organisation und nachlässigen Kontrollen.

    Um Primatenarten legal ins Ausland zu verschiffen, müssten Exporteure eine Genehmigung einholen – gemäß des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten wildlebender Tiere und Pflanzen (CITES), einem weltweiten Abkommen, das den globalen Handel mit Wildtieren regelt.

    Meist wird es auf nationaler Ebene erteilt. In Südafrika jedoch vergibt jede der neun Provinzen ihre eigenen CITES-Exportgenehmigungen – und das alles analog auf Papier. „Wir haben keine zentralisierte Datenbank für diese Genehmigungen in Südafrika", sagt Louw. „Alles ist in Akten und in Kisten. Es ist das totale Chaos."

    Für Schmuggler seien die Umstände von Vorteil: Sie könnten alte Ausfuhrgenehmigungen kopieren und nur Informationen wie Adresse des Exporteurs oder Tierart ändern. „Es gibt keine Möglichkeit (..) zu überprüfen, ob diese Erlaubnis zuvor schon einmal verwendet wurde", sagt sie.

    Das südafrikanische Ministerium für Umwelt, Forstwirtschaft und Fischerei sei sich keiner Probleme mit seinem papierbasierten CITES-Genehmigungssystem bewusst, schrieb Kommunikationsdirektor Albi Modise in einer E-Mail. Die Behauptung, dass das Genehmigungssystem in Südafrika den Tierschmuggel begünstige, sei inkorrekt, da „eine einmal verwendete Genehmigung nicht mehr wiederverwendet werden kann, da sie zum Zeitpunkt der Einreise storniert wird".

    Sumpfmeerkatzen

    Diese Sumpfmeerkatzen, fotografiert 2006 im San Diego Zoo, sollten eigentlich auf einem Teller landen: Sie wurden aus dem illegalen Buschfleischhandel in der Demokratischen Republik Kongo gerettet. Zwei dieser Arten gehörten ebenfalls zur Gruppe der im September geretteten Affen.

    Foto von Denis Poroy, AP Photo

    Doch selbst wenn illegale Händler festgenommen werden, werden sie nicht zwangsläufig daran gehindert, in Zukunft weiterhin Exportgenehmigungen zu erhalten, mahnt Louw. Zum Beispiel wurde ein südafrikanischer Reptilienhändler namens Beric Muller für schuldig befunden, Frösche ohne die erforderlichen Exportgenehmigungen nach Taiwan geschmuggelt zu haben. Nach Zahlung einer Geldstrafe beantragte er laut Louw weitere Exportgenehmigungen – und erhielt sie.

    Internationale Vorschriften verlangen nicht, dass Exportländer die Zieladresse der Ware auf ihre Berechtigungen überprüfen, Wildtiere zu importieren, sagt sie. Das hat zur Folge, dass gefährdete Wildtiere in Vergnügungsparks, Zirkussen und Laboren landen. Dies verstoße gegen die von CITES festgelegten Bestimmungen, die eben vorgeben, dass geschützte Arten nicht zu kommerziellen Zwecken gehandelt werden dürfen, sagt Louw.

    Stattdessen ist es Sache der Behörden des Einfuhrlandes, sicherzustellen, dass die Zieleinrichtung berechtigt ist, schreibt Francisco Pérez, ein CITES-Sprecher, in einer E-Mail. Einfuhrgenehmigungen sind für jene Arten erforderlich, denen nach CITES das höchste Schutzniveau gewährt wird – einschließlich aller Menschenaffen. Für Arten mit geringerem Schutz sind überhaupt keine Einfuhrgenehmigungen erforderlich, in diesem Fall muss weder das Export- noch das Importland die Ziele überprüfen.

    Als die Forscher im Bericht von BAT und der EMS Foundation die in den Ausfuhrgenehmigungen aufgeführten Bestimmungsorte für viele der von 2016 bis 2019 aus Südafrika verschifften lebenden Tiere untersuchten, stellten sie fest: viele hatten keinerlei Befugnis.

    Einige Zoos in China beispielsweise hatten gefährdete Tiere zu kommerziellen Zwecken gekauft. Andere Tiere landeten auf Zuchtfarmen, wo sie wie in einem „Schwarzen Loch“ für immer verschwanden, sagt Louw.

    Galerie: Fesselnde Bilder geben Einblicke in die Welt der Schmuggelware

    Modise bestreitet, dass seine Abteilung Genehmigungen erteilt hat, die gegen die CITES-Vorschriften verstoßen. Es gebe „keine rechtliche Grundlage, die Südafrika als Exportland in die Lage versetzt, die Einhaltung von [CITES] zu überwachen", sagt er weiter: „Es liegt in der Verantwortung der Einfuhrländer, den Bestimmungsort zu überprüfen."

    „Die Glücklichen"

    „Dass niemand sonst die 25 beschlagnahmten Affen aufnehmen konnte, brach mir das Herz“, sagt unterdessen Franck Chantereau vom JACK Chimpanzee Sanctuary, bei dem die Tiere nun unterkommen sollen. Obwohl es sich um Arten handelte, mit denen seine Station nicht vertraut war, und ihm sowohl Geld als auch Platz fehlten, bot er seine Hilfe an.

    Chantereau sammelte Geld, um vier große Käfige mit einer Höhe von jeweils etwa sechs Metern und drei Außenanlagen mit Gras und Bäumen zu bauen, in denen die Affen untergebracht werden können.

    Aktuell wartet man in Lubumbashi noch auf die Ankunft der Tiere. JACK soll nur ein vorübergehendes Zuhause sein. Wenn die Affen älter und stärker sind, sollen sie, unter Beobachtung der Behörden, wieder in die Wildnis entlassen werden.

    Chantereau nennt diese Affen „die Glücklichen", denn viele ihrer Artgenossen bekämen eine solche zweite Chance nicht.  „Es sind alleine jeden Monat Tausende von Affen, die in die Hauptstadt Kinshasa geliefert und dort als Buschfleisch verkauft werden", er sagt. „Wenn es so weiter geht, ist der Wald hier bald leer – für immer."

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