Hoffnung für Eisbären: Anpassung könnte vor Aussterben durch Klimawandel bewahren

Eisbären haben schon jetzt ein großes Problem: Die Erderwärmung lässt das zur Jagd benötigte Packeis rasant schmelzen. In Südostgrönland konnten Forschende aber eine speziell angepasste Population beobachten – die dem Klimawandel trotzt.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 21. Juni 2022, 10:03 MESZ
Eisbär auf dichtem Eis.

Der Klimawandel macht den Eisbären zu schaffen: Durch die Erderwärmung schmilzt das Eis – und damit ihre Grundlage zum Jagen.

Foto von Margo Tanenbaum / Pixabay

Sie gehören zu den größten an Land lebenden Raubtieren der Welt und sind clevere, beachtlich an ihren Lebensraum angepasste Jäger. Ausschließlich in der Arktis beheimatet, befinden sie sich normalerweise das ganze Jahr über an den Küsten oder auf dem Meereis, um Robben zu jagen. Die Rede ist von Eisbären, die sich in den kalten Regionen rund um den Nordpol tummeln – und nicht erst seit Kurzem das Sorgenkind vieler Forschungsteams sind. 

Denn durch den Klimawandel und die damit einhergehende Erderwärmung schmilzt den Polarbären das Eis buchstäblich unter den Tatzen weg. Da sich die Flächen des Packeises – frei schwimmender Meereis-Schollen –, das sie zur Jagd aufsuchen, stetig verringern, müssen die Eisbären immer größer werdende Strecken zurücklegen, um an Nahrung zu gelangen – und verlieren dabei extrem an Gewicht. Beispielsweise durch Langstreckenschwimmen, das von Forschenden bereits 2012 im Canadian Journal of Zoology als Reaktion auf die veränderten Eisbedingungen aufgeführt wurde.

Kamerahalsbänder zeigen Nahrungssuche der Eisbären
Für eine Studie statteten Forscher Eisbären mit Kamerahalsbändern aus, um ihre Nahrungssuche zu dokumentieren. Dabei stellten sie fest, dass viele Bären aufgrund des schmelzenden Meereises zu viel Energie für die Jagd verbrauchen.

Ganzjährig Nahrung durch Anpassung des Jagdverhaltens 

Doch es gibt neue Hoffnung: Ein Forschungsteam der University of Washington in Seattle hat eine von anderen Polarbären isoliert lebende und sich genetisch von ihnen unterscheidende Eisbärpopulation in Südostgrönland erforscht – und dabei eine interessante Entdeckung gemacht. In der Zeitschrift Science veröffentlichten sie ihre Studie, die sich mit einer besonderen Anpassung der Population beschäftigt: Die Bären jagen nicht auf Packeis-Schollen, sondern auf Süßwassereis an den Gletscherenden – und zwar ganzjährig.

Damit sind sie den Arktis-Populationen um einiges voraus: Diese müssen teilweise während langer eisfreier Zeiten fasten oder weite Strecken in den Norden zurücklegen, um an Nahrung zu gelangen. Überschreitet ihre Fastenzeit zwischen 100 und 180 Tage, ist ihr Überleben bedroht. Dementsprechend besitzt die Population in Südostgrönland einen entscheidenden Vorteil: Sie müssen bei der Jagd wesentlich kürzere Strecken zurücklegen als ihre Artgenossen und umgehen die Packeis-freie Zeit mit ihrer Anpassung an das Süßwassereis. Mit diesem veränderten Jagdverhalten und ihrer Standortanpassung haben sie ganzjährig ausreichend Nahrung zur Verfügung und sichern so ihr Überleben. 

Gletscher – der Lebensraum zum Überleben? 

Aufgrund unvorhersehbarer Wetterverhältnisse, zerklüfteter Berge und starker Schneefälle wurde die Region in Südostgrönland bisher wenig untersucht. „Wir wussten aus historischen Aufzeichnungen und dem Wissen der Ureinwohner, dass es in diesem Gebiet einige Bären gibt. Wir wussten jedoch nicht, wie außergewöhnlich sie sind”, sagt Kristin Laidre, Tierökologin an der University of Washington und Erstautorin der Studie.

BELIEBT

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    Gerade dieser Lebensraum ist es allerdings, der die Eisbärpopulation so besonders macht. Denn in Südostgrönland herrschen bereits jetzt die klimatischen Bedingungen, die für die Arktis erst Ende des 21. Jahrhunderts vorhergesagt sind. Die Forschungsergebnisse erhielt das Team durch eine Analyse der Bewegungsdaten aus den letzten 36 Jahren von Tieren, die mit GPS-Halsbändern ausgestattet wurden. Sie lassen Forschende zunächst aufatmen: Die Anpassung der Eisbären in Südostgrönland lässt darauf hoffen, dass auch andere Populationen durch Standortwechsel den sich verändernden klimatischen Bedingungen trotzen können.

    Laidre warnt jedoch vor zu großer Euphorie: „Die Studie zeigt, wie einige Eisbären den Klimawandel überleben können.” Sie glaubt allerdings nicht, dass Gletscher eine große Anzahl von Eisbären beherbergen könnten, da nicht genügend von ihnen existierten. „Wir erwarten weiterhin, dass die Zahl der Eisbären in der Arktis mit dem Klimawandel stark zurückgeht”, so Laidre.

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