Einzigartiges Ökosystem: Prähistorischer Riesenstorch flog über Hobbitmenschen

Neue Knochenfunde von Leptoptilos robustus zeigen, dass der Riesenstorch, der vor etwa 60.000 Jahren lebte, flugfähig war. Die Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf sein Zusammenleben mit den etwa halb so kleinen Homini, die auf derselben Insel lebten.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 15. Juli 2022, 15:18 MESZ
Die Fundstelle der fossilen Knochen, wie sie einst ausgesehen haben könnte: Ein Riesenstorch kämpft mit einem ...

Die Fundstelle der fossilen Knochen, wie sie einst ausgesehen haben könnte: Ein Riesenstorch kämpft mit einem jungen Komodowaran um den Kadaver eines Stegodons.

Foto von Gabriel Ugueto

Vor etwa 60.000 Jahren gab es im prähistorischen Flores, einer Insel in Indonesien, ein ganz besonderes Ökosystem. Zusammen mit den sogenannten Hobbitmenschen Homo floresiensis und dem prähistorischen Rüsseltier Stegodon lebte dort der prähistorische Riesenstorch Leptoptilos robustus.

Neue Funde, die in einer Studie unter der Leitung der Paläontologin Hanneke Meijer von der Universität Bergen beschrieben wurden, zeigen nun: Der riesige Storch konnte fliegen. Die Forschenden widerlegen somit die zuvor gängige Meinung, dass der Storch flugunfähig war und nur am Boden gelebt haben musste. „Analysen von 21 neu entdeckten und hier zum ersten Mal beschriebenen Knochen zeigen, dass die Flügelknochen von L. robustus gut entwickelt waren und diese Art mit ziemlicher Sicherheit zum aktiven Flug fähig war“, so die Forschenden.

Die neue Erkenntnis, die die das Team um Meijer in dem Fachmagazin Royal Society Open Science veröffentlichte, zeigt auch: Das Ökosystem im prähistorischen Flores war noch um einiges außergewöhnlicher als zuvor gedacht. L. robustus flog trotz seiner Größe über die Köpfe der etwa halb so großen Hobbitmenschen hinweg und konkurrierte womöglich mit ihnen um Nahrung.

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Die Geschichte des Riesenstorchs

Die ersten Knochen des Tieres fand man bereits im Jahr 2004. Doch erst die aktuellen Fossilien aus der Fundstelle Liang Bua – einer Kalksteinhöhle auf der Insel – verhalfen zu einem vollständigen Bild des Vogels. Denn bei der Analyse jener Knochen fiel den Forschenden schnell auf, dass die Flügelknochen nicht zu dem bisherigen Bild von L. robustus passten. „Sie sahen wie funktionale Flügelknochen aus und nicht wie die Knochen flugunfähiger Arten“, sagt Meijer. Das habe sie dazu gebracht, die zuvor abgeleitete Lebensweise des Vogels neu zu analysieren.

Die neuen Erkenntnisse über die Anatomie von L. robustus ändern nämlich nicht nur das Wissen über seine Flugfähigkeit – auch sein Speiseplan sah wohl anders aus als bisher gedacht. Zuvor glaubte man, dass der über eineinhalb Meter große, prähistorische Storch von kleinen Beutetieren lebte. Nun sind Meijer und ihr Team der Meinung, dass die Tiere vermutlich Aaßfresser gewesen sein mussten – und so auch von den Überresten ihrer großen Inselmitbewohner lebten. „Wahrscheinlich flog er mit Hilfe warmer Luftströme auf der Suche nach Nahrung, meist Stegodon-Kadavern, in großen Höhen“, so Meijer.

Zusammenleben auf der Insel

Flores liegt im Südosten Indonesiens, in der Nähe der Insel Komodo, und beheimatete zu Lebzeiten des Riesenstorchs eine ganze Reihe außergewöhnlicher Lebewesen. Darunter die unter einem Meter großen Hominini H. floresiensis und die etwa 1,2 Meter hohen Stegodon. Diese Inselbewohner waren untereinander wohl weitaus mehr verbunden als bisher geglaubt. „Obwohl wir wenig über die Ernährung von H. floresiensis wissen, könnten sie Aasfresser gewesen sein“, so Meijer. Zu ihrer Nahrung hätten dann sehr wahrscheinlich auch Stegodon-Kadaver gehört – um die sie mit den Riesenstorchen konkurrieren mussten.

BELIEBT

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    Dieser Umstand könnte nun auch erklären, warum der Storch schließlich ausstarb. „Die Riesenstörche waren für einen großen Teil ihrer Ernährung auf Stegodon angewiesen“, sagt Mejer. Dieser verschwand jedoch vor etwa 50.000 Jahren von der Insel – wie auch L. robustus. Gleichzeitig breiteten sich zu dieser Zeit langsam Homo sapiens auf der Insel aus.

    Unklar ist bisher, wann und wie die Störche überhaupt auf die Insel kamen. Sowohl von alten Hominini als auch von Stegodon hat man auf der Insel Knochen gefunden, die älter als 700.000 Jahre sind. „Von L. robustus gibt es bisher aber nur Knochen aus der Zeit vor 50.000 bis 70.000 Jahren“, so Meijer. Das Team sei nun auf der Suche nach älteren Knochen, um herauszufinden, wie lange der Riesenstorch bereits Teil des besonderen Ökosystems auf Flores war.

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